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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 17. September 2014; 04:07
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Krieg und Frieden / Oe / Debatte:

> Nicht in aller Stille

Reaktion auf "Wiener Deserteursdenkmal: Noch österreichischer", akin 18/2014
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Lieber Bernhard Redl, liebe akin-Redaktion, es tut mir sehr leid, dass euer
Artikel erschienen ist, bevor ihr Rücksprache mit dem Personenkomitee
"Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz" halten konntet. Daher
sind einige der von euch verbreiteten Informationen ein wenig veraltet bzw.
unrichtig.

Der Reihe nach.

* Die Insinuation, man wolle "Deserteure nicht belobigen", mag noch zu
Zeiten des Anerkennungsgesetzes 2005 korrekt gewesen sein, mittlerweile
sieht das definitiv anders aus. Selbst die ÖVP anerkennt seit 2009 die
Desertion aus der Wehrmacht als "Akt des Widerstandes".

* Das Deserteursdenkmal heißt deswegen offiziell "Denkmal für die Verfolgten
der NS-Militärjustiz", weil damit auch die Selbstverstümmler,
Wehrkraftzersetzer, Meuterer und Kriegsdienstverweigerer geehrt werden. Dass
die Deserteure die größte Gruppe der Verfolgten war, geht unter anderem aus
dem Begleittafel-Text hervor, der auf Deutsch und Englisch ab 24. Oktober
auf Stelen am Ballhausplatz zu lesen sein wird. Wir haben aber dafür
gesorgt, dass sich die Bezeichnung "Deserteursdenkmal" in der
Medienberichterstattung eingebürgert hat. Das wird auch so bleiben.

* Ausgangspunkt unserer wissenschaftlichen und politischen Initiativen seit
1998 war die Rehabilitierung der Deserteure. Die Neubewertung dieses
Tatbestands ist spätestens seit der Verabschiedung des Aufhebungs- und
Rehabilitationsgesetzes 2009 Teil des politischen Konsenses der Republik.
Nichtsdestoweniger haben wir uns auch mit anderen militärjuristisch
verfolgten Menschen beschäftigt, denen dieses Denkmal ebenfalls gewidmet
sein soll.

* Es ist schlicht falsch, dass man "im hiesigen Kriegsministerium [...] ja
überhaupt alles [tue], um ein Deserteursgedenken nur ja nicht in die
Öffentlichkeit kommen zu lassen". Norbert Darabos hat 2009 aus eigenem
Antrieb den Ehrenschutz über die Deserteursausstellung "Was damals Recht
war" übernommen und sich damit eindeutig vom Kameradschaftsbund distanziert;
Abordnungen des Bundesheeres haben die Ausstellung besucht. Das waren
immerhin wichtige Gesten, um den politischen Diskurs zu verändern.

* Das Personenkomitee veranstaltet seit 2002 (!) jedes Jahr um den
Nationalfeiertag herum (in den letzten Jahren immer am 26.10.) eine
Gedenkveranstaltung beim Gedenkstein im Donaupark, auf dem ehemaligen
Gelände des Militärschießplatzes Kagran. Jener war bis zur Errichtung des
Deserteursdenkmals am Ballhausplatz lange Zeit das einzige
Erinnerungszeichen an die Opfer der NS-Militärjustiz. In Kagran wurden, das
nur nebenbei, zumindest 130 Menschen erschossen, darunter viele Deserteure,
aber auch eine große Anzahl von sogenannten Selbstverstümmlern.

* Unsere Aktion im Jahr 2012 diente ausschließlich dazu, den politischen
Druck hinsichtlich des Denkmalsstandortes Ballhausplatz zu erhöhen, indem
das Ansuchen auf Abhaltung einer Kundgebung am 26.10. von Eva Blimlinger
sowie von den Herren Jabloner, Van der Bellen, Konecny und Jarolim gestellt
wurde. Dass dieses Ansuchen abgelehnt würde, war aufgrund des Platzbedarfs
des Bundesheeres klar, aber das strategische Ziel haben wir erreicht.

* Der 26. Oktober wäre ein denkbar schlechter Tag für die Eröffnung des
Deserteursdenkmals gewesen. Zum einen wäre die Veranstaltung im
Heldenplatzgetöse des Bundesheeres tatsächlich untergegangen, zum anderen
haben Nationalfeiertag und Neutralitätsgesetz ursächlich nichts mit dem
Gedenken an die Deserteure zu tun. Ich bin froh darüber, dass die Deserteure
nun nicht Teil des patriotischen Jubels am 26.10. sind. * Bei der Eröffnung
des Denkmals am 24.10. sprechen unter anderen Richard Wadani, Heinz Fischer
und Josef Ostermayer. Wenn der Bundespräsident ein Denkmal einweiht, kann
man meines Erachtens nicht davon sprechen, dass die Zeremonie "in aller
Stille und unter nicht sehr reger Beteiligung" über die Bühne gehen wird.

* Über die ästhetischen und inhaltlichen Qualitäten des Denkmals lässt sich
vermutlich noch monatelang trefflich streiten. Die erklärenden Begleittafeln
werden, um es noch einmal zu sagen, am 24. Oktober stehen und Kontext und
Intention hoffentlich so erklären, dass auch "Uninformierte" zufrieden sind.

* Am 26. Oktober 2014 wird das Bundesheer seine Lkws und sonstigen Geräte
rund um ein Denkmal für Deserteure parken. Wenn das keine hübsche Pointe
ist, dann weiß ich ehrlicherweise auch nicht.

* Wie ihr auf die Idee kommt, im Text auf den Begleittafeln werde
"hauptsächlich Österreich-Patriotismus transportiert", ist mir schleierhaft.
Der Text wurde mit dem Personenkomitee abgestimmt, und es ist mir nicht
erinnerlich, dass wir uns jemals gröberer patriotischer Anwandlungen
schuldig gemacht hätten.

* Die Begleittafeln werden gerade produziert. Ich ersuche daher um
Verständnis darum, dass wir den genauen Text noch nicht freigeben können.

*Thomas Geldmacher, Obmann des Personenkomitees "Gerechtigkeit für die Opfer
der NS-Militärjustiz"*




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