Fremdenrecht: Watschen für den Gesetzgeber |
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Geschrieben von Bernhard Redl | |
Mittwoch, 7. November 2007 | |
Spitzfindigkeiten zu den aktuellen VfGH-Entscheiden von Bernhard Redl. Vier Entscheidungen hat nun der Verfassungsgerichtshof zum Fremdenrecht veröffentlicht. Medial breitgetreten wurde hauptsächlich der Kriterienkatalog des VfGH zum Bleiberecht. Dieser Katalog ist allerdings formal nicht viel wert, denn er entstammt keinem Rechtsakt des VfGH, sondern stellt lediglich die Grundhaltung des Höchstgerichts in diesem Zusammenhang dar, wie er der Presse präsentiert wurde. Tatsächlich ergingen zwei Einzelfallentscheide, wobei nur in einem Fall die Ausweisung für verfassungswidrig erklärt wurde. Dieser Entscheid wird daher nur in ähnlich gelagerten Fällen unmittelbar zitierbar sein. Was der VfGH allerdings mit seinem Katalog gemacht hat, war der Politik eine Rute ins Fenster zu stellen, daß eine Nichtbeachtung dieses Katalogs beim VfGH regelmäßig zur Behebung von Ausweisungen führen würde. Diese Unterscheidung mag eine Spitzfindigkeit sein, jedoch nicht ganz irrelevant auch angesichts der doch sehr vagen Andeutungen dieses Katalogs, der die entscheidenden Behörden sowie den Unabhängigen Bundesasylsenat lediglich zur Abwägung des “öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Privat- und Familienleben)” auffordert — eine Aufforderung, die an sich schon vor den jetzigen Entscheiden eigentlich als selbstverständlich anzusehen gewesen wäre. Und Abwägungen können nun mal so oder so ausgehen — gebunden fühlen müssen sich die Entscheidungsträger da noch lange nicht. Nur wenn die Betroffenen es schaffen, einen neuerlichen Entscheid des VfGH zu erlangen, bevor sie abgeschoben werden, sind sie damit geschützt. Die bisherige Rechtslage sah folgendermassen aus: Wenn ein Nicht-EUBürger aus anderen Rechtstiteln kein Aufenthaltsrecht in Anspruch nehmen kann, aber aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht abgeschoben werden kann und seine Ausweisung daher eine unmenschliche Behandlung (Art. 3 EMRK) darstellen würde und diese Abschiebe- Hindernisgründe “nicht von Dauer sind, ist gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist” (Art. 10 Abs. 3 Asylgesetz). Die Bösartigkeit dieser Bestimmung ist auf den ersten Blick nur schwer zu erkennen. Denn die Interpretation durch die Behörden besagte, daß bei einem solchen Ausweisungshindernis auf alle Fälle zuerst einmal eine Ausweisung auszusprechen ist, bevor eine Durchführungsaufschiebung überhaupt machbar ist. Was logisch erscheint, denn man kann nicht etwas aufschieben, was noch nicht beschlossen ist. In der Praxis wurde Folgendes gemacht: Man sprach die Ausweisung aus, setzte deren Durchführung aber bis zu einem vorbestimmten Datum aus, um dann ohne Verzug abschieben zu können. Faktisch hat der Betroffene keinerlei Rechtsmöglichkeit, eine neuerliche Überprüfung seines Gesundheitszustandes zu veranlassen und damit eine weitere Aufschiebung zu initiieren. Tatsächlich wurde diese Bestimmung auch beispielsweise auf Traumatisierungsopfer angewendet — einem Krankheitsbild, das nicht wie ein Beinbruch nach sechs Wochen als abgeheilt vorherzusagen ist. Wie oben dargestellt, wird damit die Durchführung von etwas aufgeschoben, was noch gar nicht existiert. Der Verfassungsgerichtshof erreichte damit zweierlei: Erstens wird dieses temporäre Bleiberecht damit nicht an die Ausweisungsverfügung geknüpft und zweitens bleibt ein rechtslogischer Torso über, der den Gesetzgeber erst recht wieder zu einer Reparatur des Gesetzes zwingt. Wirklich ein salomonisches Urteil ist das aber nicht zu nennen, denn die Rechtsstellung des Betroffenen bezüglich einer neuerlichen Überprüfung seines Gesundheitszustandes wurde damit nicht verbessert, sondern der VfGH ließ es diesbezüglich bei einer rechtlich nicht wirklich bindenden Rüge bewenden — in der Hoffnung auf bessere Einsicht des Gesetzgebers. |
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