Samstag, 24. Januar 2009
 
Zwei interessante Initiativen PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Aug und Ohr/akin   
Freitag, 26. Januar 2007

Es tut sich was im studentischen Bereich und in der Gewerkschaft. Ob es jedoch möglich ist, gesellschaftliche Veränderungen abseits von Partikularinteressen voranzutreiben, wird von "Aug und Ohr" beleuchtet.

Am vergangenen Montag, nach einer Schnell-Besetzung des Audi-Max, entwickelte sich dort ein Plenum zu einer regelrechten Versammlung sozialer und politischer Kräfte. Es wurde auf brutale und primitive Weise abgewürgt - so wurde etwa eine Vertreterin der Gruppe "Virus" mitten in der Rede von brüllenden Typen unterbrochen und der AIK-Referent wurde von einer kleinen Clique niedergebrüllt (das ganze unter der Duldung der grünen ÖH-Funktionärinnen, die die Versammlung leiteten, ohne dazu aufgefordert zu sein). Nach dieser Versammlung hat es bei der Demonstration auf dem Ballhausplatz bei Gelegenheit der Angelobung eine interessante Linkswende gegeben, und zwar im Programm, das von der Vorsitzenden der Bundes-ÖH, Spielbauer, vorgetragen wurde. Es scheint sich ein wenig abzuzeichnen, daß Teile der ÖH über ihre bisherige beschränkte - und auch erfolglose - Standespolitik - hinausgehen wollen und sich verstärkt als Mitakteur (Mitactrice) in der allgemeinpolitischen Diskussion profilieren wollen. Das kann für die gesellschaftliche Gesamtentwicklung nur nützlich sein.

Die Rede Spielbauers nahm explizit und vehement Bezug auf wesentliche allgemeinpolitische Forderungen, die bereits von den BesetzerInnen der SPÖ-Zentrale formuliert und an die apa ausgeschickt worden waren, ohne daß dies jedoch in irgendeiner Weise von der Presse berücksichtigt wurde.

An erster Stelle erwähnte Spielbauer die Forderung nach einem eigenständigen, mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestatteten Frauenministerium, das kein Anhängsel des Bundeskanzleramtes sein dürfe, es wurde eine Mindestsicherung gefordert, die, und damit wurde die Originalformulierung der BesetzerInnen der SPÖ-Zentrale aufgenommen,  "die bisherigen Standards zumindest nicht unterläuft." Wenn, dann eine Mindestsicherung, "die diesen Namen auch verdient", so Spielbauer.

"Wir wollen einen ordentlichen Kündigungsschutz für Lehrlinge", hieß es dann. Die Anhebung der Wochenarbeitszeit wurde aufs schärfste kritisiert, die Verschlechterungen im Arbeitsrecht wurden angeprangert und es hieß: "Es ist höchste Zeit, in die andere Richtung zu gehen. Arbeitszeitverkürzung jetzt!"

Schließlich wurde die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren, die Einführung der Gesamtschule und "die sofortige Rücknahme des Asylrechts" gefordert. Zum letzten Punkt kam der stärkste Applaus. "AsylwerberInnen sind politische Flüchtlinge und keine VerbrecherInnen!" Prägnant und sehr bewußt hieß es: "Bleiberecht für alle, sonst gibt´s Krawalle!"

Sind dies nicht erfreuliche Entwicklungen in einer bisher mehr als sterilen "linken" ÖH, aus der in den letzten eineinhalb Jahrzehnten alle antagonistischen Gruppen, AnarchistInnen, TrotzkistInnen, von der KP unabhängige KommunistInnen herausgesäubert wurden? De ehemaligen Fakultutätsvertretungen waren zu unbeweglichen, studentisch bornierten  Insidertreffs geworden, in denen immer mehr die Parteien dominierten und die gesamtgesellschaftlich keine Relevanz mehr hatten.

Im Gegensatz zu deutschen Universitäten ist es nun der seit Jahren linken ÖH nicht gelungen, auf ihrem eigenen Territorium einen der Mindeststandards, die in Deutschland seit der "Studentenbewegung" der Siebzigerjahre zu Gewohnheitsrecht geworden sind, auch hier einzuführen, nämlich regelmäßige politische Großplena in den größten Hörsälen, an denen selbstverständlich alle politischen Kräfte der außerparlamentarischen Linken, nicht nur studentische, zu Wort kommen. An allen Universitäten, an denen linke Asten im Amt sind, ist dies eine Selbstverständlichkeit - nicht in Wien.

Existiert etwa eine geheime erpresserische Direktive eines Spitzenbeamten dieser Republik, mit der permanent sichergestellt wird, daß so etwas auf der Hauptuni nicht zustandekommen darf?

Im Audi-Max hat man und frau bei allen Streik- und Besetzungsaktionen der letzten 10 Jahre beobachten können, daß das - zum Teil kommerzialisierte - Audi-Max immer der geeignete Ort war, an dem die Menschen sich und einander wahrnehmen und spüren konnten. Hier waren einige Male während der letzten zwanzig Jahre Augenblicke der Kollektivität. 1987 waren auch GewerkschaftlerInnen und Arbeitslose an der Besetzung beteiligt.
Das sind Orte politischer Vergesellschaftung der fragmentierten Einzelwillensimpulse, die nur auf einem großen Forum, einem permanenten Tribunal ihre Bestrebungen und Absichten bündeln können.

Die grünen Funktionärinnen - deren eine ein gutes Exempel für politische, ja leidenschaftlich politische Eloquenz geliefert hat, vielleicht, um als GRAS ein wenig in der Öffentlichkeit punkten zu können, weichen aus in die sterile Technische Universität, und zwar in einen Vorraum der dortigen Hochschülerschaft, der HTU, weil nur mehr dort, ausgerechnet unter den extrem unterpolitisierten TU-Studenten und -studentinnen, überhaupt noch Räume existieren, in denen man und frau sich treffen kann, im Gegensatz zur sklerotischen und hieratischen und von burschenschaftlichem Ordnungsdenken verseuchten Haupt-Uni.

Was anderes gibt´s in ganz Wien nicht?

Aber das Plenum vor den Toren der HTU hat sich nun institutionalisiert und findet jeden Montag um 18 Uhr statt. Beim letzten Plenum waren VertreterInnen  der ArbeitslosensprecherIn, des AST, der AIK präsent, und dadurch wurde ein gesundes Gleichgewicht zwischen studentischer Inzucht und separierten Splittergruppen geschaffen.
Ein vernünftiger Mensch wird also dieses Plenum, solange es existiert, als Forum verwenden und sich nicht scheuen, seine Meinung zu sagen.

Noch stärker durch die radikale Linke geprägt ist das neugegründete Komitee gegen die Große Koalition, an dem folgende AktivistInnen teilnahmen: die SOAL, Vertreter (sic!) des (etwas geschrumpften) österreichischen Sozialforums, zwei Arbeitslosenorganisationen, weiters der KSV, die KJÖ, die KI, die AIK, ein Aktivist der Kuba-Solidarität, der Anatolische Kulturverein, Vertreter der Slowenischen StudentInnen, sowie Leo Gabriel von der daz und vom Südwind. Dieser Kern wird in nächster Zeit, wie zu hoffen ist,  einen verstärkten und systematischen Appell an NGOs richten, die von der Liquidierungspolitik von Gemeinde und Bundesregierung betroffen sind, er wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach erweitern.
Es wird möglicherweise noch weitere Initiativen geben, es wäre aber gut, bei aller "natürlichen" Unterschiedlichkeit der politischen Gruppen  und auch gebotenen respektvollen Aufmerksamkeit füreinander, wenn in wesentlichen Belangen ein gemeinsames Vorgehen gegen  die Politik der Koalition im Rahmen von Kundgebungen, Veranstaltungen, Kampagnen, Aktionen und einer ausgeweiteten Gegeninformation verstärkt vorangetrieben werden könnte.
Die Tageszeitungen haben beinah alle, mit einer kleinen Ausnahme, einer unbedeutenden und verkürzenden Meldung im elektronischen Standard, die allgemeinpolitischen Forderungen der ÖH-Vorsitzenden unterschlagen, also zensuriert.

Dadurch aber, daß eisern verschwiegen wird, daß StudentInnen Forderungen für Lehrlinge und andere Lohnabhängige aufstellen, wird das Bild vom abgeschotteten, ghettoisierten Ausbildungsbereich bewußt noch verstärkt.

Dazu kommt, wie von "Österreich" berichtet, die infame Weigerung des Herrn Foglar von der Metallarbeitergewerkschaft, die studentische Mobilisierung zu unterstützen. Dem großkoalitionären Revolverblatt, wie es ein Autor des Augustin kürzlich treffend genannt hat, das natürlich ebenfalls nichts über die gesamtpolitischen Forderungen Spielbauers berichtet hat, ist dies natürlich nicht unangenehm.

Die radikale, also auch die studentische radikale Linke, werden sich mit einigen Forderungen auf die Seite der Arbeiter und Arbeiterinnen stellen, wenn am kommenden Montag der ÖGB tagt. Sie versuchen, die linken Kräfte in den Gewerkschaften zu unterstützen und sie wenden sich gegen das großkoalitionäre Sozialdumping an der Spitze von ÖGB und AK, sind gegen die Gewerkschaftsführung, für die Gewerkschaftsbasis, für die Gewerkschaftslinke oder, wenn´s geht, für eine eigenständige Entwicklung außerhalb der gelben Gewerkschaften:
Zu diesem Zweck wird eine erste Kundgebung des neugegründeten Komitees gegen die Große Koalition, das den Namen "Solidarität und Widerstand" trägt, am kommenden Montag um 16 Uhr vor dem Austria-Center, dem Tagungsgebäude des ÖGB eine Kundgebung abhalten.
Das Minimum der Forderungen, die auch von der ÖH erhoben wurden, wird bei dieser Gelegenheit an die Gewerkschaft gerichtet werden müssen. Wer gegen die Große Koalition ist, der kann sich mit zusätzlichen Forderungen bei diesem Meeting einfinden und diese "Gewerkschaft" kritisch beim Wort nehmen.

Aber die radikale Linke wird vor der Türe bleiben müssen.

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