Samstag, 24. Januar 2009
 
Nach NÖ-Wahl: Mit Linksprojekt beginnen PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Hermann Dworczak   
Donnerstag, 10. April 2008

Die Sozialdemokratie hat in Niederösterreich ein wahres Debakel erlebt: mit minus 7,9% wurde wurde sie zur Mittelpartei degradiert. In der traditionellen ArbeiterInnenmetropole Wiener Neustadt verlor sie fast 17% der Stimmen und wurde von den Schwarzen überholt! Es wird Zeit, die alte Arbeiterpartei zu beerben, meint Hermann Dworcak.

Auch in der Landeshauptstadt St.Pölten setzte es es eine schwere Niederlage und die Konservativen sind nun obenauf. Je länger der Wahlabend dauerte, umso schlimmer wurde es für die SPÖ: gerade in ihren Zentren, den sozialdemokratischen geführten Städten - also unter ihrer Stammwählerschaft und nicht in den kleineren Landgemeinden - verlor sie am stärksten (1).

Die ÖVP konnte ihre absolute Mehrheit weiter ausbauen, die FPÖ vieles von ihrem - nach 'Knittelfeld' - verlorenen Terrain zurückgewinnen (2). In Bad Vöslau gelang es ihr - mit 'Anti-Moschee-Parolen' ihren Stimmeanteil gar zu vervierfachen (16,2%).

Die kuscheligen, sprich die dem ÖVP-Landeshauptmann Erwin Pröll hinterherlaufenden Grünen, stagnierten und rangieren nun deutlich hinter der ' blauen' FPÖ: Grüne knapp 7, FPÖ rund 10,5 Prozent.

Obwohl es sich um Landtagswahlen handelte, war diesmal die 'bundespolitische Bedeutung' besonders offensichtlich. Wie schon vor kurzem bei den Gemeinderatswahlen in Graz wo die Sozialdemokratie unter die 20%-Marke rutschte, zeigen auch die Werte in Niederösterreich für die Gusenbauer- SPÖ steil nach unten. Das Bilden der 'schwarzen Regierung mit einem roten Kanzler' und das Brechen aller zentralen Wahlversprechen führt die Sozialdemokratie in die Katastrophe. Bereits unmittelbar nach dem Bilden der großen Koalition und ihrem schlicht entsetzlichen Regierungsprogramm - in dem u.a. explizit festgehalten wird, daß die schwarz-blaue Vorgänger-Regierung viel Positives auf Schiene gebracht hat (sic!) - formulierte der bekannte österreichische Politikwissenschaftler Emmerich Talos treffend: 'Gusenbauer hat es geschafft, noch im Liegen umzufallen'.

Aber es besteht nicht der geringste Anlaß für dümmliche Schadenfreude: der Großteil der Unzufriedenheit der SP-WählerInnenschaft führt bislang entweder zu Wahlabstinenz oder zum Abdriften nach rechts: In Niederösterreich sind 30 OOO frühere sozialdemokratische WählerInnen den rechtsextremen FPÖ-Rattenfängern Rosenkranz, Strache & Co auf den Leim gegangen!

Die allgemeine Krise der Sozialdemokratie

In Österreich insgesamt ist die Situation zwar nicht identisch mit Niederösterreich, aber ähnlich: je nach Wählerumfrage schafft die Sozialdemokratie gerade noch die 30 Prozent-Marke oder sie liegt darunter (3).

Die Ursachen für den Niedergang der SPÖ sind nicht situativ, sondern strukturell. Im folgenden kann es nur darum gehen, die allerwichtigsten zu benennen:

- Die heutige Soziademokratie ist mit einem anderen ökonomischen und politischen Ambiente konfrontiert als in ihrer Blütezeit unter Bruno Kreisky - der mehrmals die absolute Mehrheit schaftte (4). Ihr bläst schon seit längerem der neoliberale Wind mächtig ins Gesicht- mit allem bekannten negativen Folgen. Aber anstatt sich dem entgegenzustemmen, versucht sie zunehmend selbst den kapitalistischen Tiger zu reiten. Auch ' Abfederungen' für die von der neoliberalen Offensive Überrollten werden immer seltener. Stattdesen macht sich die - anders als die Vorkriegssozialdemokratie - massiv in den bürgerlichen Staat integrierte SP- Führung immer mehr zum Sprachrohr eines ' starken', sprich hochgerüsteten imperialistischen Europa: sie ist massiv für den EU- ' Reform'vertrag, verweigert in einer so kardinalen Frage dem - sonst so gern hofierten ' Souverän'- das Recht via Referendum direkt zu entscheiden. Ihr Europaabgeordneter Hannes Swoboda, der ursprüglich aus der Arbeiterkammer kommt, will ' Österreichs Energieinterssen' in Zentralasien ' sichern' und ist auch deshalb für eine starke Euro-Armee. Der sozialdemokratische Verteigungsminister Norbert Darabos schickt Truppen in den Tschad- 'aus humanitären Erwägungen'...

- Der Wahl'sieg' der SPÖ 2006 ist kaum auf dem eigenem Mist gewachsen, vielmehr hatte die ÖVP unter Kanzler Wolfgang Schüssel rund 8% verloren und plötzlich lag die Sozialdemokratie - ziemlich überraschend - mit rund 35 Prozent der Stimmen um eine Nasenlänge vorne. Anstatt ernsthaft eine Minderheitsregierung oder Rot-Grün in Erwägung zu ziehen, legte sich Gusenbauer rasch mit Wilhelm Molterer, dem neunen ÖVP-Obmann ins Koalitionsbett. Die Resultate dieser fatalen Liaison sind dementsprechend: keine Rücknahme der Pensions' reform ' von Schwarz- Blau, keine Rücknahme des Abfangjägerkaufs, keine wirkliche Grundsicherung (bloß 'bedarfsorientierte Mindestsicherung' - also verallgemeinerte Sozialhilfe), weiter Studiengebühren,... (5)

- Die bürokratisierte Parteiorganisation liegt darnieder (früher 700 000 Mitglieder- heute nicht mal 300 000). Die SP-GewerkschafterInnen sind kaum mehr bereit als Ersatz-AktivistInnen in die Bresche zu springen. Es gibt keine Partei-Presse - die 'Arbeiter- Zeitung' wurde schon lange gekillt. Die Namensänderung in den frühen 90er-Jahren von 'Sozialistischer' hin zu nur mehr 'Sozialdemokratischer' Partei ist ein verbaler Reflex der realen Politik, aber auch schon gar nix mehr substantiell am Kapitalismus und seiner 'mörderischen Profitlogik' (Jean Ziegler) ändern zu wollen. Viele SozialdemokatInnen lesen fast nur das Boulevard-Blatt 'Kronen-Zeitung' und beten nicht wenige populistische Mythen einfach nach....

Perspektiven der SPÖ

Weder inhaltlich noch personell ist eine Kursmodifikation, geschweige denn eine Kurskorrektur nach links zu erwarten. Nicht mal ein partielles Linksblinken a la Kurt Beck wie in der BRD steht aktuell an. Was sich abzeichnet, ist, daß sich einige Landesorganisationen - wie die oberösterreichische SPÖ - partiell von der Bundespartei freispielen (so forderte ihr Vorsitzender Erich Haider eine Volksabstimmung über den EU-'Reform'vertrag und schickte der Plattform Volxabstimmung, die am 5.April über 5000 Menschen in Wien zu einer Demo und Menschenkette um das Parlament mobilisierte, ein Grußtelegramm). Ähnliche Ansätze finden sich auch in der steirischen SPÖ.

Die Regierung wird 'irgendwie' weiter fortwursteln und die Bundes-SPÖ orientierungslos dahintaumeln. Am ehesten sind weitere Rechtsentwicklungen zu erwarten: also sich noch mehr an die Schwarzen anlehnen. Und selbst die - absolut wahnwitzige - 'Option FPÖ' (!), die auschließlich den rechts-rechten Demagogen nützen würde, wird von einigen SP-Spitzen ernsthaft erwogen....

Auch die möglichen Nachfolger von Alfred Gusenbauer sind politisch um nichts besser.

Caspar Einem, der ehemalige Europasprecher, ist aus dem Rennen. Er wurde in der Vergangenheit irrtümlicher weise als ' linker Hoffnungsträger ' gehandelt (obwohl er etwa mehrmals zu verstehen gab, daß er die Bevölkerung als zu blöd einschätzt, um über die Verfassung bzw.den ' Reform'vetrag selbst und direkt zu entscheiden). Caspar Einem dockte mittlerweilen beruflich bei dem mehr als schillernden Magna-Industriellen Frank Stronach an ...

Die sozialldemokratische Landeshauptfrau von Salzburg Gabi Burgstaller sprach sich schon für Studiengebühren (und 'billige StudentInnenkredite' zu ihrer Finanzierung - wie in den USA) aus, als die SP-Zentrale - in Oppositionzeiten - noch für deren Abschaffung eintrat ..

Und auch im sozialdemokraisch geführten ÖGB rührt sich bislang nichts. Die Ideologie der ' Soziapartnerschaft' feiert nach dem BAWAG - Debakel mehr denn je fröhlich Urständ. Selbst die wenigen Vorschläge zu 'Mehr Demokratie ', die im Vorjahr auf dem ÖGB-Kongreß beschlossen wurden, blieben bislang auf dem Papier. Willi Haberzettl, aus dem wichtigen EisenbahnerInnenbereich, der wahrscheinlich das Zeug dazu hätte, den ÖGB etwas kämpferischer zu positionieren, macht heute den leader der sozialdemokratischen Fraktion im ÖGB (FSG) und hilft mit den rechten (Selbstmord)kurs umzusetzen ...Ein Trauerspiel!

Die 'Initiative für eine sozialistische Politik der SPÖ' und ergreift - auch gemeinsam mit Linken außerhalb der SPÖ- praktische Schritte, ist aber innerhalb der Sozialdemokratie gänzlich an den Rand gedrängt, was sie realistischer Weise auch selbst so einschätzt . Weiters gibt es 'kritische' Teile der Sozialistischen Jugend und die 'Funke'-Gruppe. Von der Nichtexistenz eines linken 'Flügels', ja nicht einmal einer breiteren linken 'Strömung' innerhalb der SPÖ ist jedoch aktuell auszugehen.

Nichts übers Knie brechen - Aber ein Linksprojekt starten

Aus all dem kann der realistische Schluß gezogen werden: in der Sozialdemokratie - die nach wie vor im Sinne von Engels und Lenin als 'bürgerliche Arbeiterpartei' (6) einzuschätzen ist - wird es erst dann - im Gefolge von sozialen Konflikten, gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen,... - ein gewisser Aufbruch erfolgen, wenn sich AUCH außerhalb zumindest ein KERN für linke Politik gebildet hat. Gerade in Österreich - wo die Partei und Gewerkschaft seit Viktor Adler als 'siamesische Zwillinge' gesehen werden!

Solch einen Kern, Fokus, Bezugs-/Kristallisationspunkt - oder wie auch immer man/frau das Kind taufen will - gilt es heute vorsichtig aufzubauen: nicht in Hinterzimmern, am grünen/'roten' Tisch, sondern im engen Konnex mit den realen - kleinen - 'Bewegungen' in Österreich.

Und solch einem Fokus kommt eine ganz zentrale politische Funtion zu: einen Beitrag zu leisten, zu verhindern, daß die durch die Regierungs- bzw. SP-Politik 'Frustrierten' nach (extrem) rechts abwandern...

Das Lafontaine-Argument ('Ohne eine charismatische Figur wie Lafontaine geht nix im Konstitutionsprozeß einer Linken)' ist mitzureflektieren, aber kein ahistorisches Dogma: auch Oskar Lafontaine hat sich erst ab einem bestimmten Zeitpunkt definitiv von der SPD abgesetzt; und wer kann heute bereits eine Prognose wagen, welche österrichischen 'Lafontaines' morgen heranwachsen?

Es genügt daher m.E. nicht, zum x-ten Mal die bekannte Tatsache zu wiederholen,, daß es einen 'ausreichenden politischen Raum links von der SP und den Grünen gibt'. Ein kantiges, pluralistischs 'Linksprojekt' sollte konkret angegangen werden.

Zahlreichen Gespräche mit vielen AktivistInnen in Bewegungen, linken Organisationen bzw. Parteien (auch GenossInnen der KPÖ) und mit kämpferischen- also nicht 'sozialpartnerschaftlich' stillgestellten GewerkschafterInnen zeigen, daß die Bedingungen, solch ein 'Projekt' (also bei weitem noch keine Partei!) zu STARTEN, herangereift sind. Objektiv durch die Notwendigkeit der neoliberalen Offensive Einhalt zu gebieten; dem Versagen der SP- und ÖGB-Führung;... etc.; aber auch subjektiv: im Unterschied etwa zur Kandidatur der 'Linken- Opposition für eine solidarisches Europa' zu den Europawahlen 2004 kommt die Forderung, den politische Raum links von SPÖ und Grünen zu besetzen, auch von neuen AkteurInnen (von AktivistInnen im Rahmen der Kampagne für eine VOLXABSTIMMUNG über den EU-Reformvertag; die 'Steuerinitiative im ÖGB'; Teilen der SJ; linken 'EinzelkämpferInnen', die 'jetzt endlich - außer Nörgeln - etwas Praktisches machen wollen' ...).

Und auch über den künftigen ' Fahrplan' gibt es weitgehenden Konsens:

- Einberufung eines ersten gesamtösterreichischen 'Linken Ratschlags' in nächster Zeit mit dem Abstecken eines 'gemeinsamen (inhaltlichen) Rahmens' (z.B. Gegen Neoliberalismus und Krieg; Für die Aufrechterhaltung öffentlicher Dienste; Für eine Umverteilung von oben nach unten;... Für einen Planeten, auf dem es sich ohne Hunger und nachhaltig leben läßt;... Für einen ÖGB, der kämpft; Für eine solidarische, nichtpatriarchalische Gesellschaft - ohne Rassismus und Fremdenfeindlichkeit)

- Einsetzen einer Arbeitsgruppe, die - über den Sommer/der 'Sauren -Gurken-Zeit '- Vorarbeit leistet und den allgemeinen Rahmen auf die konkrete Ebene runterbricht

- im - frühen - Herbst eine 'große ' gesamtösterreichische Konferenz, die die Entwicklung bis dahin beurteilt; die inhaltlichen Positionen präzisiert; die weitere Vorgangsweise absteckt: u.a. Prüfen der Möglichkeit für eine Kandidatur zu Nationalrats- und Europawahlen).

EIN LINKSPROJEKT IN ÖSTERREICH IST MÖGLICH:

GEHEN WIR ES GEMEINSAM AN: JETZT UND SOLIDARISCH!


Anmerkungen:
(1) Die Wahlresultate finden sich in der Wiener Zeitung bzw. in Die Presse vom 9.März 2008
(2) Der 'Putsch von Knittelfeld ' führte schließlich zur Spaltung der FPÖ und zur Gründung des BZÖ (unter Jörg Haider).
(3) Siehe Kurier 13.3.2008 oder Profil Nr. 18, 14.4. 2008
(4) Zur ideologischen Ausrichtung der SPÖ in den 7Oer-Jahren siehe Willy Brandt, Brono Kreisky, Olof Palme Brife und Gespräche. Frankfurt. Köln 1975
(5) Eine durchaus differenzierte Darstellung der 'bedarfsorienteireten Mindestsicherung' findet sich in der Wiener Zeitung vom 6.3. 2008
(6) Gerade die östereichische Sozialdemokratie ist- trotz aller Entfremdungen- eng mit den Gewerkschaften, den Arbeiterkammern etc. verbunden (anders etwa als die französische SP).

< zurück   weiter >
Aktuelle Kommentare
Attacke in der U-Bahn

In der Wiener U-Bahn wird ein Mann zusammengeschlagen - und niemand tut etwas. Alltagsrassismus?

Aufruf zur Teilnahme am Weltsozialforum 2009

Von 27. Jänner bis 1. Februar 2009 findet das Weltsozialforum (WSF) in der brasilianischen Amazonasmetropole Belem statt. Vor dem Hintergrund der weltweiten Krise des Kapitalismus, die immer mehr seine " Realwirtschaft" erfaßt, verspricht das Treffen diesmal besondere Spannung.

Was eine Schlagzeile ist und was nicht

Die Ereignisse von Athen machen wieder einmal klar, wie Medien und Rechtsstaat sich aufrütteln lassen, meint Bernhard Redl.

Nicht Neues an der Asylfront

Unter Innenministerin Fekter und Kanzler Faymann ist kein Umdenken im Fremdenrecht vorgesehen. Die Empfehlungen des Verfassungsgerichtshofs werden nicht umgesetzt.

Gewaltentrennung neu

Allfällige Hoffnungen in die neue Regierung werden bald verflogen sein. Die SPÖ hat wieder die Schaltstellen der Republik an die ÖVP abgegeben.

Die Republik schickt Soldaten aus

Das Bundesheer steht seit 1990 an den Ostgrenzen des Landes. Wieso es immer noch dort steht, läßt schlimmer Vermutungen zu, meint Bernhard Redl.

Zur Zerschlagung der Post

Die Einsparungspläne der Post sind keine betriebliche Notwendigkeit, meint die Werkstatt Frieden und Solidarität. Es geht um kapitalistische Profitmaximierung. Dagegen ist Widerstand vonnöten.

DAZ-Kontakte