Samstag, 24. Januar 2009
 
Demokratie: Abstrakte Probleme PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Bernhard Redl   
Donnerstag, 1. Februar 2007

Es gibt schon zuviel Demokratie im Land. Dass Volk wählt viel zu oft und Verfassungsrecht interessiert eh niemanden. Meint die Regierung. Bernhard Redl meint angesichts des Koalitionspaktes, daß es Zeit wird, daß sich auch die "Zivilgesellschaft" ein wenig mit prinzipiellen Fragen von Staat, Demokratie und Verfassung beschäftigt.


Ich warte jetzt seit Wochen. Und zwar darauf, ob nicht doch, nach einem
Abklingen der Aufregung ueber Studiengebuehren, Eurofighter und
Ressortaufteilung, auch andere Ideen dieses Regierungsabkommens zu einer
oeffentlichen Diskussion fuehren wuerden -- speziell dieser eine Satz: "Die
Gesetzgebungsperiode wird ab der naechsten Gesetzgebungsperiode auf fuenf
Jahre verlaengert."

Zugegeben, langsam fragt man sich schon, warum man eigentlich zur Wahl geht.
Seit 1986 gab es nur Regierungen, in denen die OeVP letztendlich das Sagen
hatte -- unabhaengig vom Ausgang der Wahl. Dennoch, ein gewisser Einfluss
ist der ganzen Waehlerei nicht abzusprechen, vor allem deswegen, weil das so
ziemlich die einzigen Moeglichkeiten sind, wo der Souveraen zumindest
ansatzweise und tendenziell etwas wie eine Meinung aeussern kann. Auch wenn
diese dann bis zur Unkenntlichkeit uminterpretiert wird; auch wenn Wahlen
durch eine Medienlandschaft manipuliert werden, deren demokratische
Kategorien hoechst eingeschraenkt sind; auch wenn unser Wahlrecht fuer
kleine Parteien fast unueberwindbare Huerden schafft; ganz wurscht ist es
nicht, wie oft wir unser Kreuzerl machen duerfen.

In den vorangegangenen Legislaturperioden geisterte immer wieder eine
Debatte durch die Gazetten, dass man im Parlament diskutiere, die
plebiszitaeren Elemente zu staerken. Herausgekommen ist dabei genau gar
nichts. Und auch fuer diese Periode ist nichts geplant. Da ist eben nur
vorgesehen, dass der Souveraen noch laenger warten muss, bis er seine Stimme
im wahrsten Sinne des Wortes abgeben kann.

Da es hierzulande nur schwer ist, die mediale Aufmerksamkeitsschwelle zu
ueberschreiten, wenn man nicht gerade ein prominenter Funktionaer in
Parteien, dem OeGB oder der katholischen Kirche ist, und die alle
miteinander noch nie grosses Interesse an Demokratisierung hatten; die
Parteien ausserdem von einer Verlaengerung der Legislaturperiode
profitieren, da sie nur seltener Wahlkampf machen muessen; und ueberdies das
Thema nicht die Partikularinteressen irgendeiner Lobbyorganisation tangiert,
ist die oeffentliche Diskussion darueber nicht gerade als "entbrannt" zu
qualifizieren.

Verfassung per Eilverfahren

Immerhin fanden sich diese Plaene zur Wahlverzoegerung noch in dem einen oder
anderen Medium in einer Randbemerkung wieder. Was aber voellig untergegangen
ist, sind die Plaene der Bundesregierung zur Verfassungsneugestaltung. Rudimentaer
gab es ja in den letzten Jahren in unseren Medien immer wieder Berichte, dass eine
vollkommene Umkrempelung der Verfassung kommen sollen. Durchaus nicht
verwerflich, traegt unser Verfassungsrecht doch auch nach Expertenmeinung
ruinenhafte Zuege, da seit Kaisers Zeiten nur an ihm herumgedoktert wurde,
wie es halt gerade opportun erschien. Prinzipielle Idee der Neuerung war
dabei das Inkorporationsgebot, also die Forderung, dass alle
Verfassungsbestimmungen tatsaechlich in einem buendigen Text zusammengefasst
sein sollen, anstatt in -zig Gesetzen herumzuschwirren, die auch den
Juristen nicht immer gelaeufig sind. Nur taucht dabei natuerlich die Gefahr
auf, dass man bei dieser Frontbegradigung gleich auch ein paar neue
Bestimmungen einfuehren kann, die mit den bisherigen Verfassungsprinzipien
nichts zu tun haben. Beruehmt wurde dabei die von klerikalreaktionaerer
Seite immer wieder aufgestellte Forderung, "Gott" irgendwie in eine
Praeambel hineinzuschummeln. Aber sowas ist auch schlagzeilentauglich,
darueber diskutiert man, was aber an wirklich relevanten Aenderungen
tatsaechlich je von rechts geplant war, darueber hoerte man kaum etwas. Da
es nie zur Verfassungsreform kam -- vor allem, weil die Regierung keine
Verfassungsmehrheit hatte -- koennen wir heute auch nicht nachlesen, welche
Kelche da an uns voruebergegangen sind.

Doch jetzt ist alles anders. Jetzt gibt es im Parlament eine bequeme
Zweidrittel-Mehrheit fuer die Regierung. Und ausgerechnet jener Herr, der
einer der vehementesten Gottesstreiter war und der auch den Begriff des
"Speed kills" in die oesterreichische Innenpolitik eingefuehrt hat, Andreas
Khol naemlich, gehoert zu jenem erlesenen Zirkel, der jetzt im Eilzugstempo
fuer eine neue Verfassung sorgen: "Zur Formulierung der notwendigen
Rechtstexte wird beim Bundeskanzleramt eine Expertengruppe eingerichtet, der
von Seiten der SPOe Dr. Kostelka und Dr. Oehlinger, von Seiten der OeVP Dr.
Fiedler und Dr. Khol sowie zwei Vertreter der Landeshauptleute-Konferenz
angehoeren. Sie hat ihre Vorschlaege bis zum 30. Juni 2007 zu erstatten, auf
deren Grundlage die Beratungen im Parlament mit dem Ziel stattfinden, die
Verfassungsreform bis Ende des Jahres 2007 zu beschliessen." heisst es im
rotschwarzen Pakt.

Das kann was werden, denkt sich der gelernte Oesterreicher in mir, wenn eine
OeVP-dominierte Regierung binnen weniger Monate unter weitgehendem
Ausschluss der Oeffentlichkeit und sogar der Opposition einen von Herrn Khol
abzusegnenden Text zur neuen Bundesverfassung erheben will -- schoenen Gruss
vom Hause Habsburg!

Was tun?

Ich kann es nur immer wiederholen: Wir brauchen eine NGO, die sich
prinzipiell und anlassunabhaengig mit Demokratie, Grundrechten und
Verfassungsrecht auseinandersetzt und auch versucht, diese Themen in
einer breiten Oeffentlichkeit zur Diskussion zu bringen. Ich weiss, dass
Thema ist abstrakt und man kann damit nur schwer eine unmittelbare
Betroffenheit generieren. Aber immerhin geht es hier um rechtliche und
gesellschaftliche Grundlagen, deren Nichtweiterentwicklung (oder besser:
Verrottung) zu thematisieren und zu kritisieren ist, soll politische Arbeit in
allen anderen Bereichen noch sinnvoll oder ueberhaupt moeglich sein.
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