Samstag, 24. Januar 2009
 
Koalitionsverhandlungen: Mehr Phantasie ist gefragt PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Bernhard Redl   
Dienstag, 10. Oktober 2006

Wenn Alfred Gusenbauer unbedingt Bundeskanzler werden will, ist er automatisch in einer schwächeren Position - dabei hätte er eine Menge Möglichkeiten, die er aber wohl nicht ausschöpfen wird.

Die SPÖ ist derzeit auf dem ungeordneten Rückzug. Plötzlich steht alles zur Disposition: Eurofighter, Grundsicherung, Studiengebühren. Und Willi Molterer quittiert das mit: "Offenbar ist die SPÖ noch immer nicht partnerschaftsfähig."

Irgendwie erinnert das alles an 1995. Damals war die Ausgangslage eine andere -- SPÖ und ÖVP befanden sich bereits in einer Koalition und zerstritten sich. Zumindest sah es so aus, vielleicht wollten sie auch nur einen Grund für Neuwahlen, um der Koalition wieder die Zweidrittelmehrheit im Nationalrat zu sichern. Egal, auf alle Fälle zerbrach die Koalition und die SPÖ führte einen Wahlkampf, der für sozialdemokratische Verhältnisse beinahe klassenkämpferisch geführt wurde -- nicht unähnlich dem jetzigen Wahlkampf. Auch das Ergebnis war 1995 ähnlich dem jetzigen: Die Sozialdemokratie vor der ÖVP, die nationalistische Rechte stark genug, um als potentielle Koalitionspartnerin der ÖVP zu dienen, die Grünen eine quantité negligable, da als Kanzlermacher zu schwach.

Was dann folgte, sollte noch gut in Erinnerung sein -- schon wegen der sogenannten profil-Affäre. Wir erinnern uns: Das profil-Cover zeigte nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen in einer Photomontage den damaligen Regierungschef Vranitzky nackt und schrieb darunter: "Des Kanzlers neue Kleider" -- einen treffenderen Kommentar dazu, daß sich die SPÖ hatte ausziehen lassen, aber keiner das beim Namen nennen wollte, war kaum denkbar. Das dachte sich auch die ÖVP und ließ ihre Verbindungen spielen, worauf der profil-Herausgeber geschaßt wurde.

Da stellt sich doch die Frage, ob Gusenbauer nicht gerade dabei ist, Vranitzkys Fehler zu wiederholen. Denn Gusenbauer ist nicht Kreisky, leider. Einen Coup wie der von 1970, als dieser die FPÖ als Steigbügelhalter benützte und dann alleine davonritt, einem zumindest rosaroten Sonnenaufgang entgegen, wird Gusenbauer nicht landen. Sicher, Kreisky hatte damals andere Möglichkeiten, die Sozialdemokratie war stark, es gab nur 3 Parteien und der Zeitgeist stützte ihn auch. Und er konnte mit seiner Partei machen was er wollte, denn was ein SPÖ-Chef sagte, wurde von der Partei bedingungslos mitgetragen.

Und da gibt es auch noch Schüssel, ein gewiefter Taktiker (um es höflich auszudrücken), der bewiesen hat, daß er auch mit den eigenartigsten Parteien zu koalieren bereit ist, wenn sie ihm nur die Kanzlerschaft bescheren. Das blau-orange As hält er immer noch im Blatt.

Doch hat Gusenbauer auch seine Trümpfe -- zum Beispiel die Eurofighter. Momentan nutzt die ÖVP noch diese Geschichte, um Gusenbauer zu demütigen, aber es wäre ein leichtes für diesen, den Spieß umzudrehen. Denn die ÖVP fürchtet einen Untersuchungsausschuß wie der Teufel das Weihwasser. Gusenbauer könnte ganz offensiv damit drohen, daß die ÖVP sich binnen kürzester Zeit gefälligst zusammenzureissen habe, sonst gäbe es gleich nach der Konstitution des Nationalrats einen U-Ausschuß -- die Mehrheit hätten SPÖ, Grüne und FPÖ dafür. Denn daß da einiges im Busch ist, ist sonnenklar. Wieviel, wäre abzuwarten, aber gut sähen ÖVP, BZÖ und KHG, der ja irgendwie seine eigene Partei ist, dabei sicher nicht aus.

Gusenbauer könnte aber auch in die Koalitionsverhandlungen gehen und ernsthaft verhandeln: Gut, wir kaufen die Eurofighter und fragen auch nicht nach dem Zustandekommen des Vertrags -- aber ansonsten sagen wir, wo es langgeht! Und wenn ihr dann in der Regierung nicht brav seids, wißts eh, was dann kommt. Erraten! Ein Untersuchungsausschuß.

Oder er wendet sich an Peter Westenthaler, fragt ihn um Unterstützung und bietet ihm, sagen wir: ein Staatssekretariat für Minigolf an. Das entspräche zwar nicht seiner Mentalität, würde ihm aber sicher reichen, denn Westenthaler ist bei jeder Regierung gerne dabei, wenn sie nur keine Ministeranklage gegen seinen Chef erhebt -- Haider ist mit seinen Ortstafeleien ja schon lange reif für eine Anklage vor dem Verfassungsgerichtshof, der sich seiner sicher gerne annehmen wird.
Oder ganz perfid: Gusenbauer beläßt die Regierung im Amt -- schließlich wird sie ja traditionell mit der Fortführung der Geschäfte betraut und ist formal eine ordentliche Regierung. Und dann kann er sich regelmäßig mit Grün und Blau ausdenken, wie Schüssel denn so richtig schön zu quälen wäre. Zuerst kann er die ÖVP mittels Untersuchungsausschuß nach Strich und Faden aufblatteln -- und am Schluß könnte die ÖVP so wie ihre einstige Schwesterpartei in Italien dastehen, sodaß sie sich nie wieder davon erholt. Zwischendurch wäre es auch sicher lustig, ein oder zwei Minister oder ganz besonders Ministerinnen hinauszuschießen (Liesl Gehrer mag ja eh nicht mehr), Schüssel selbst aber gemeinerweise das "Vertrauen" auszusprechen, damit der seinen eigenen Untergang verwalten kann. Und nicht mal in Neuwahlen könnte der Kanzler dann flüchten, denn dazu braucht er eine Parlamentsmehrheit. Ob er die FPÖ dazu überreden kann, bleibt fraglich und das BZÖ ist heilfroh gerade noch im Nationalrat zu sein -- die wollen jetzt sicher keine Neuwahlen.

Einzig ein Rücktritt käme für Schüssel dann in Frage. Wenn dann noch der Bundespräsident mitspielt und statt einer traditionellen Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode ein Beamtenkabinett einsetzt, sind "Schüssel und sein Team" weg vom Fenster.

Sicher, auch Gusenbauer würde derlei beschädigen. Aber der SPÖ-Chef müßte das ja gar nicht wirklich umsetzen -- alleine die Drohung mit solchen Szenarien würde ihn für die ÖVP wirklich zum "Gruselbauer" machen.

Aber leider: Gusenbauer ist immer noch der kleine Fredi, der im Sandkasten sitzt und unbedingt Bundeskanzler werden möchte. Drohgebärden liegen ihm nicht. Gusi ist ein grader Michl, ohne Hinterfotzigkeit, Führungsqualität und Wagemut. Eigentlich sehr sympathisch.

Aber so wird man halt kein Kreisky. So wird man nur ein Vranitzky.

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