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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 7. Juli 2021; 19:57
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Arbeit/Soziales/Recht:

> Degressives Arbeitslosengeld gibt es schon lange

Seit zwei Jahrzehnten keine Valorisierung mehr


Die Forderung nach einem degressiven Arbeitslosengeld ist der große
Aufreger. Allerdings gibt es das schon länger -- es wird nur nicht so
genannt. Die jetzigen diesbezüglichen Forderungen der ÖVP sind lediglich
schlimmer als das, was sowieso schon Recht und Praxis ist. Und das trifft
genau die Gruppe der Langzeitarbeitslosen. Zum Einen fällt man spätestens
nach einem Jahr in Arbeitslosigkeit (wenn man über 50 ist und ausreichend
Beitragszeiten hat) von einer Nettoersatzrate von 55% auf 50% runter -- dann
ist man in der Notstandshilfe. Nebenbei sind dann Berufs- und Entgeltschutz
ebenfalls längst vorbei.

Zum Anderen aber schlägt bei Langzeitarbeitslosen ein Effekt zu, der so gut
wie gar nicht Beachtung findet: Die Inflation. Denn die Nettoersatzrate
bezieht sich auch nach mehreren Jahren Arbeitslosigkeit auf das letzte
Einkommen und wird nicht valorisiert. Auch bei der in den letzten Jahren
geringen Inflation -- die für den Warenkorb von Arbeitslosen wohl etwas
höher ausfällt als die offizielle -- bedeutet das pro Jahr einen faktischen
Einkommensverlust von 2-3%, der sich natürlich über die Jahre kummuliert.
Wer also seit 5 Jahren arbeitslos ist, hat heute nur mehr eine Kaufkraft
zwischen 40 und 45% seines früheren Einkommens.

Tatsächlich war das allerdings früher anders -- es war eine der ersten Taten
der Regierung Schüssel im Jahre 2000, die Valorisierung (also die
Inflationsanpassung der Berechnungsgrundlage) abzuschaffen. Und dabei blieb
es, trotz der Tatsache, daß in der Zwischenzeit mehrmals Sozialdemokraten
die Sozial- resp. Arbeitsminister stellten. Die Grünen haben in dieser Zeit
auch immer wieder auf diesen schleichenden Einkommensverlust bei
Langzeitarbeitslosen hingewiesen. Heute ist das bei keiner der Parteien im
Nationalrat mehr ein Thema.

Kocher hat Recht

Im Recht befindet sich Arbeitsminister Martin Kocher allerdings, wenn er
sagt, daß er einfach nur konsequent die vorhandenen Bestimmungen anwenden
müsse. Das Sanktionenregime des AMS war ja tatsächlich in der Zeit der
Pandemie etwas zurückgefahren worden -- nicht nur, weil es keine Jobs gab,
die vermittelt hätten werden können, sondern wohl auch deswegen, weil der
Bürobetrieb des Arbeitsamtes deutlich zurückgefahren werden mußte,
Anwesenheitskurse nicht machbar waren und eLearning bei vielen Arbeitslosen
gar nicht möglich.

Wenn auch schon früher für viele Arbeitslose unzumutbar, war in der vollen
Härte, wie es das Gesetz mit vielen Ermessensspielräumen schon lange
vorsieht, noch vor der Pandemie das Sanktionenregime auch nicht vollzogen
worden. Allerdings stellt seit Beginn der jetzigen Koalition die ÖVP
erstmals alle drei von der Regierung gestellten Mitglieder im
AMS-Verwaltungsrat, dem maßgeblichen Gremium für die Arbeitsmarktpolitik.
Zusammen mit den drei Vertretern von Industriellenvereinigung und
Wirtschaftskammer haben die Schwarztürkisen in diesem Gremium eine
Zweidrittelmehrheit. Nach dem Ende der Pandemie können sie damit das Gesetz
bis an seine äußersten Grenzen ausnutzen und weder der Koalitionspartner,
ein Gericht oder die Gewerkschaften können sie daran hindern.
-br-



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