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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 1. April 2021; 04:10
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Medien/International:

> Störfaktor Staatsmedien

Von Regierungen finanzierte Medien sorgen öfters für aussenpolitische
Spannungen. Das müsste nicht sein. Von *Rainer Stadler* für infosperber.ch.

Kürzlich ist ein Buch über «RT Deutsch» erschienen. Der Journalist Daniel
Lange blickt darin hinter die Kulissen des von Russland finanzierten
Medienkanals. Er will aufzeigen, «welche Gefahr von der dort als
,Journalismus' verpackten Manipulation und Meinungsmache ausgeht». So steht
es in einem Ankündigungstext, der auf Amazon.de zu lesen war. Der
Internet-Händler vermerkte jedoch in einem Kasten: «Derzeit nicht verfügbar.
Ob und wann dieser Artikel wieder vorrätig sein wird, ist unbekannt.»
Inzwischen ist auch diese Information verschwunden. Das Buch existiert bei
Amazon nicht mehr.

Die «Bild»-Zeitung nannte einen Grund für die Lücke im Amazon-Büchergestell.
«RT» habe eine Frankfurter Anwaltskanzlei damit beauftragt, den Handel mit
dem Buch zu stoppen, heisst es im Artikel des Blatts. Es handelt sich nicht
um den ersten Versuch, «RT Deutsch» der Propaganda zu überführen. Bereits
vor fünf Jahren hatte sich ein Reporter des 2018 eingestellten Magazins
«Neon» bei der Redaktion eingeschlichen. Der Text ist online nicht
verfügbar, jedoch findet man ein Interview des Reporters mit dem
Online-Magazin «Telepolis» (1), welches seine Beweisführung hinterfragt.

Russland protestiert

Vor einer Woche geriet «RT Deutsch» erneut in die Schlagzeilen. Das
russische Aussenministerium sagte der Nachrichtenagentur DPA: «Wir rufen mit
vollem Ernst dazu auf, ein normales Funktionieren von RT zu gewährleisten.»
Andernfalls müssten die in Russland arbeitenden deutschen Medien mit
Gegenmassnahmen rechnen. Putins Aussenministerium beklagt sich, dass Banken
von deutschen Behörden gedrängt würden, RT die Eröffnung eines
Geschäftskontos zu verweigern. Diesen Vorwurf wies der deutsche
Aussenminister Heiko Maas zurück. Zudem sei Pressefreiheit keine
Verhandlungsmasse.

Staatlich finanzierte Sender geraten regelmässig zwischen die aussen- und
innenpolitischen Fronten. Am 13. März nahm die algerische Regierung den von
Frankreich finanzierten Sender «France 24» ins Visier und drohte mit dem
Entzug der Akkreditierung. Der französische Kanal hatte über die
Protestbewegung Hirak berichtet, was die algerische Regierung als subversive
und feindliche Aktion bezeichnete.

Eine hohe Busse wegen Skripal-Bericht

Da Russland in der Berichterstattung seit einiger Zeit die Rolle des
digitalen Meisterpropagandisten innehat, rückt RT häufig ins Zentrum des
Interesses. In Grossbritannien wurde der Sender im Jahr 2018 wegen
Verstosses gegen die Pflicht zur unparteilichen Berichterstattung im Fall
des Giftanschlags auf Sergei und Julija Skripal gar zu einer Busse von 200
000 Pfund verurteilt.

Im Herbst 2017 gab RT dem Druck der amerikanischen Regierung nach und
registrierte sich in den USA als «ausländischer Agent», also als
interessengebundenes Organ. Die Antwort aus Moskau kam bald: Drei Wochen
später stufte das russische Justizministerium neun amerikanische
Medienerzeugnisse als «ausländische Agenten» ein, unter ihnen die von den
USA finanzierten Radio Free Europe und Voice of America.

Globaler Wettbewerb um Meinungen

Nach dem Mauerfall und der darauffolgenden Globalisierung der Kommunikation
ergriffen zahlreiche Regierungen die Initiative und investierten in
Medienbetriebe, welche weltweit die Sichtweise ihrer Länder einem
internationalen Publikum verständlich machen sollten. Mehr oder weniger
direkt erfüllen diese Kanäle auch aussenpolitische Zwecke. Bereits während
des kalten Kriegs nahmen Kurzwellenradios solche Aufgaben wahr. Die
Satellitentechnik und das Internet erweiterten dabei die Möglichkeiten
erheblich. Der Golfstaat Katar nutzte die Chancen relativ früh und gründete
1996 al-Dschasira. Erstmals bekam damit ein nicht-westlicher Kanal eine
überregionale Bedeutung im Kampf um die Deutungshoheit in geopolitischen
Konflikten - sehr zum Unwillen der US-Regierung; 2004 erwog Präsident George
W. Bush einen Angriff auf den Sender.

Im globalen Wettbewerb um Meinungen und Wahrnehmungen haben seither andere
Staaten aufgeholt. Auch China investiert in mediale Schaufenster fürs
ausländische Publikum, unter anderem in Grossbritannien. Vor zwei Monaten
entzog jedoch die dortige Medienaufsicht Chinas englischsprachigem Dienst
von CGTN die Lizenz - dies mit der Begründung, staatlich kontrollierte
Sender seien nicht zulässig.

Lizenzen für Staatsmedien?

Wer nicht nur einen Online-Kanal betreiben, sondern auch in den klassischen
Fernsehmarkt eindringen will, ist in europäischen Staaten mit der
herkömmlichen Medienregulierung konfrontiert. Er braucht also eine Lizenz.
So auch in Deutschland, wo RT an einer Lizenz interessiert ist. Eine
staatliche Finanzierung ist in diesem Land ebenfalls nicht erlaubt. Eine
solche Vorgabe kann man allerdings umgehen, indem man in einem anderen,
weniger restriktiven europäischen Land eine Bewilligung einholt. Dies tat
der chinesische Kanal CGTN, der nun via Frankreich in allen Staaten, die das
Fernsehvertragswerk des Europarats unterschrieben haben, aktiv sein darf.

Journalistische Unabhängigkeit zählt zu den Grundwerten demokratischer
Staaten. Entsprechend wecken Staatssender Argwohn. Europäische Länder
geraten allerdings in Argumentationsnot, wenn sie Medienangebote autoritärer
Regierungen wegen deren staatlicher Finanzierung verbieten wollen. Denn die
hiesigen Auslandsender leben ebenfalls von öffentlichen Geldern. Und die
Service-public-Medien sind durch staatliche Vorgaben gebunden. Zwar gibt es
institutionelle Vorkehren, welche die publizistische Autonomie der
Redaktionen sichern sollen. Die Grenzen zwischen öffentlichen und
staatlichen Medien sind allerdings fliessend.

Mündige Konsumenten

In diesem Sinn sollten freiheitliche Staaten die Kraft der aufklärerischen
Tradition nutzen und darauf vertrauen, dass mündige Konsumenten in der Lage
sind, glaubwürdige von unglaubwürdigen Informationen zu unterscheiden -
unabhängig davon, auf welchen Plattformen diese zu finden sind. Wenn
Demokratien ausländische Staatmedien tolerieren, können sie bei deren
autoritären Regierungen auf Gegenrecht pochen: auf freien Zugang zum
Publikum in diesen Staaten. Das bleibt natürlich meist illusorisch.
Autoritäre Regierungen fürchten offene Gesellschaften. Das ist letztlich ein
Zeichen von Schwäche. ###

(1)
https://www.heise.de/tp/features/Undercover-als-Praktikant-im-Propagandakrieg-bei-RT-Deutsch-3593769.html

Quelle: https://www.infosperber.ch/medien/stoerfaktor-staatsmedien

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