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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 24. Februar 2021; 09:37
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Bücher:

> Ein animophobischer Schub

Alfred J. Noll, Udo Szekulics,
Jakob Tschachler (Hg.):
Tätigkeitsbericht der Liste JETZT
Justiz und Verfassung 2017-2019
Czernin-Verlag, Wien
ISBN: 978-3-7076-0702-4
1006 Seiten, 69 Euro

Ist es überhaupt schon vorgekommen, dass ein Abgeordneter zum Nationalrat
unserer Republik Österreich über die Zeit seines Mandates - in Buchform -
Rechenschaft gegeben hat ?

Jedenfalls tat dies 2020 Alfred J. Noll (Liste Pilz/Jetzt) auf 1006 Seiten
im Format DIN A4. Es besteht aus sechs Kapiteln sowie einem Anhang, nämlich
einem FALTER-Interview am 29. Mai 2019 mit dem Titel "Wir haben kein
Parlament". Es sind alle 47 Initiativ-, Entschließungs- oder
Abänderungs-Anträge, die 120 Anfragen und manchmal fragliche Beantwortungen
sowie siebzig Reden inklusive der Zwischen- und Ordnungsrufe sowie der
Beifallsbekundungen dokumentiert. Das Buch bringt 2,79 kg auf die Waage und
wurde von Udo Szekulics und Jakob Tschachler mitherausgegeben.

Das Sachbuch erhielt in der "Wiener Zeitung" 3 von 5 Sternen und eine fast
hymnische Rezension von Manfried Welan unter dem Titel "Abrechnung auf
tausend Seiten" in der Wochenend-Ausgabe, 23./24. Jänner 2021.

Alfred Noll -- er ist im Hauptberuf Rechtsanwalt in Wien, aber auch
Universitätslehrer -- sprach am Ende eines Festvortrags bei der "10. Tagung
der österreichischen Assistentinnen und Assistenten des Öffentlichen Rechts"
am 26. September 2019 an der Universität Graz von seiner "zweijährigen
ethnologischen Exkursion" im Nationalrat. Der Titel lautet: "Leidet das
Parlament an Animophobie?" und bezieht sich auf den erfolgreichen
Misstrauensantrag gegen die Bundesregierung Kurz; die Selbstermächtigung des
Nationalrats habe bei vielen Abgeordneten zu einer Art "Angst vor der
eigenen Courage" geführt. Medizinisch ausgedrückt: "Sie haben einen
animophobischen Schub erlitten, der Mut hat sie verlassen."

Nun zu ein paar willkürlich gewählten Beispielen:

Das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G) kommt im Buch häufiger vor,
vor allem wie der "Standortanwalt" bei der Novelle des
Wirtschaftskammer-Gesetzes durch einen kürzestfristigen Abänderungsantrag
ins Umweltrecht "hineingeschmuggelt" wurde und bei Verschärfungen der
Anforderungen an Umwelt-Initiativen.

Zum Thema "Heumarkt" gibts eine Dringliche Anfrage "Rettung des
Weltkulturerbes" am 20. April 2018 und eine Rede am 27. Feber 2019:
"Handlungspflicht der Bundesregierung in der Causa Heumarkt". In dieser
verweist Noll auf die Bundes-Pflicht, wenn Länder bei der Erfüllung von
Staatsverträgen, in dem Fall die UNESCO-Konvention, säumig sind (Art. 16
Abs. 4 B-VG) und zitiert Kollegen Wolfgang Zinggl, der immer wieder sagte:
"Wir haben keinen Zweifel daran, dass die ÖVP -- so wie Kollege Gerstl es
gesagt hat -- seit Jahren etwas dagegen unternehmen will, nur sie tut es
leider nicht, das ist das Problem."

Als einziger Entschließungsantrag wurde jener -- gegen die Stimmen der
ÖVP -- angenommen, der das Bekenntnis zur Volksanwaltschaft und ihrer
langfristigen Ausfinanzierung zum Inhalt hat. (12.06.2019)

Zum "Auskunftspflichtgesetz in der Vollziehung" gibt's am 13. Juni 2019
dreizehn Anfragen - mit 13 teilweise untergliederten Punkten: an die
Bundeskanzlerin und 12 MinisterInnen. Ende Feber jenes Jahres wurden zwei
Initiativ-Anträge zur Informationsfreiheit mit 20 Paragraphen und zur
Änderung des Artikel 20 des Bundes-Verfassungsgesetzes eingebracht, beide
orientieren sich auch am Hamburgischen Transparenzgesetz aus 2012. In der
Begründung wird auch S. Kurz als Staatssekretär 2013 zitiert: er wolle
"einen gläsernen Staat statt gläserner Bürger!" Ergebnis: An den
Verfassungsausschuss verwiesen und dann mit den Stimmen der
Regierungsmehrheit vertagt.

Bereits am 21. März 2018 gibt's den Initiativantrag "Wahlrechtsreform", dass
die Nationalratswahlordnung geändert wird: Senkung der Sperrklausel von 4
auf 2 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen. In Deutschland hat das
dortige Bundesverfassungsgericht 2014 die 3%-Sperrklausel zum
Europa-Parlament aufgehoben. Es geht um die Grundsätze der Verhältniswahl.
Bei 2% wären die Grünen mit 7 Abgeordneten und Klubstatus im Nationalrat
vertreten gewesen.

Das Buch ist spannend und aktuell!

*Georg Becker*


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