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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 17. Februar 2021; 19:36
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Zum neunzigsten Geburtstag am 9.2.2021:

> Für Thomas Bernhard

Eine Würdigung in angemessener Diktion


Er war ein Arschloch, das in Wahrheit selbst gern Teil des von ihm
attackierten Großbürgertums gewesen wäre, sich aber mit der Rolle des
Hofnarren begnügen musste. Er war jämmerlich, weil er keine Sekunde an
Widerstand im realen Leben dachte und sich nicht einmal präzise formulierte
Kritik abrang. Wie alle Arschlöcher, speziell die jämmerlichen, war er daher
zu bemitleiden. Er konnte aber wie kein anderer über unser aller
jämmerliches Arschlochsein schimpfen. Und seine rhythmischen Tiraden waren
eine nie davor gehörte Wortmusik, die uns zu seinen Lebzeiten in zwei Lager
teilte. Das eine der beiden nahm die Beschimpfungen beim Wort, fühlte sich
ertappt in der eigenen Jämmerlichkeit und protestierte aufs schärfste gegen
dieses Arschloch, das sich über alle anderen Arschlöcher erheben wollte,
indem es ihnen seine Tiraden sang. Die andere Hälfte der Arschlöcher, und
zwar die mit den Allerjämmerlichsten, beschloss, nur auf die musikalische
Qualität der Schimpftiraden dieses Arschlochs zu achten und liebte es dafür.
Wenn wir schon allesamt jämmerliche Arschlöcher sind, dachte man, ist es
doch ein gewisser Trost, zum Gegenstand so schöner Wortmusik zu werden. Und
wie immer in diesem Arschlochland setzte sich die jämmerlichere Hälfte gegen
die etwas weniger jämmerliche durch. Deshalb lieben wir heute alle diesen
Arschlochpoeten und sonnen uns in dem Bewusstsein, dass nur ein Land von
unfassbarer Jämmerlichkeit und geradezu überirdischer Arschlochhaftigkeit
eine derart jämmerliche Arschlochpoesie hervorbringen konnte.

Deren Genialität zeigte sich ja nicht nur und nicht einmal in erster Linie
in ihrer bezwingenden Rhythmik, sondern darin, dass sie auch uns, die ganz
gewöhnlichen Arschlöcher jahrzehntelang dazu provozierte, in
unnachahmlicher, auch schon wieder fast genialer Jämmerlichkeit über diese
Poesie zu lästern. So konnte man zum Beispiel jüngst in einer der vielen
Gedenksendungen zum neunzigsten Geburtstag unseres Arschlochpoeten hören,
wie sich ein anonym bleibendes Mitglied jener Ohlsdorfer Stammtischrunde, in
welcher unser Jubilar regelmäßig verkehrte, zu folgendem Urteil über seine
Arschlochpoesie aufschwang: "Er wäre vielleicht ein besserer Schriftsteller
gewesen, wenn er sich ein bisserl anders ausgedrückt hätte."

Man kann das Banausentum der heimischen Stammtische wohl nicht jämmerlicher
auf den Punkt bringen als dieses Arschloch.
*Karl Czasny*


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