Von:  akin <akin.redaktion@gmx.at>
Sende-Uhrzeit:  12.17.2020 02:00:13 AM
An:  akin.redaktion@gmx.at
Betreff:  Zum Geleit: Lockdown für Parlament und Regierung!
 
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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 17. Dezember 2020; 01:35
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Zum Geleit:

> Lockdown für Parlament und Regierung!

Das politische Leben außerhalb der Parlamente ist in Österreich fast völlig
zum Erliegen gekommen -- denn Online kann die persönliche Präsenz und
Konfrontation nunmal nicht ersetzen: Demonstrationen sind schwierig,
Diskussionsveranstaltungen unmöglich, die Durchführungsmöglichkeiten von
Volksbegehren unsicher. Wie gering der Stellenwert politischer
Auseinandersetzung jenseits der Tätigkeit staatlicher Gremien in Österreich
ist, läßt sich gut daran ablesen, wie egal diese Defizite jetzt anscheinend
für den common sense sein dürften.

Aber auch der Parlamentarismus leidet darunter schwer: Unter der Bedingung,
daß ständig irgendwelche neuen Gesetze produziert werden sollen, um
irgendwie die krisenbedingten Verwerfungen erträglicher zu machen,
gleichzeitig aber möglichst wenig Zusammentreffen passieren sollen, herrscht
Notbetrieb.

Und gerade diese Regierung nutzt das weidlich aus. Wenn man in der
Parlamentskorrespondenz liest, daß das Programm für die letzten zwei
Plenartage in diesem Jahr nur als Aufzählung aller geplanten
Tagesordnungspunkte mehr als eine DIN-A4-Seite ausmacht und allein die
vorgesehenen Verabschiedungen etwa 50 Stück sind, weiß man schon im
Vorhinein, daß da einiges dabei sein wird, was versteckt werden soll. Dem
war ja dann auch so, wenn man den jetzt schon zweiten Versuch der
Regierungsmehrheit bedenkt, das Hausrecht auszuhebeln. Wieviel die
Oppositionsparteien in diesen Konvoluten übersehen haben, wird sich
vielleicht erst demnächst zeigen.

Das ist aber eben nicht alles den besonderen Umständen zuzuschieben, die
Corona jetzt diktiert, sondern das ist vor allem der Politikstil der
türkisen Kanzlerschaft. Ähnliches kennen wir ja schon aus dem ersten
Kabinett des Gesalbten, jetzt verschärft durch die Tatsache, daß halt Corona
eine willkommene Ausrede dafür ist und auch der nunmehrige Koalitionspartner
nicht solche Angriffsflächen bietet wie damals die Strache-Partie.

Sicher nicht zu rechtfertigen ist damit aber diese Speed-Kills-Politik mit
ihren Pop-Up-Gesetzen ohne verfassungsrechtliche Prüfungen vorab, ohne
Begutachtungsverfahren, ja sogar ohne Ministerratsbeschlüsse, die man durch
Initiativ- und Abänderungsanträge ersetzt. Da hört man die Nachtigallen
nicht trappsen, sondern trampeln. Das ist gewollt von einer Kanzlerschaft,
die Regierung nicht anders versteht als die Kollegen in Polen und Ungarn.
Sicher, wenn so viele Notfallgesetze zu beschliessen sind, wird der
Terminkalender eng. Aber dann muß man halt darauf verzichten, sich um
anderes zu kümmern. Wenn ganz Österreich ständig mit neuen Lockdowns
stillgelegt werden kann, dann kann man auch jenen Teil der Legislative
ruhenlassen, der nicht unmittelbar notwendig ist. Dann wäre es auch eher
möglich, seriöse Corona-Politik zu machen, weil die Ressourcen dafür
vorhanden wären.

Aber das will man offensichtlich nicht. Deswegen werden Gesetze beschlossen,
wo man schon vorher weiß, daß sie nur solange halten, wie sich der VfGH
damit beschäftigt (in der berechtigten Hoffnung, daß dessen Mühlen langsam
mahlen). Deswegen ist es möglich, die Abschaffung der Hacklerregelung binnen
drei Tagen durchzupauken. Deswegen ist es auch möglich, in ein Gesetz
hineinzuschreiben, daß dessen Gültigkeit per Verordnung verlängert werden
könne. Deswegen kann man ein "Hass im Netz"-Paket durchdrücken, das
letztendlich zu ungerechtfertigten Zensurorgien der Socialmedia-Betreiber
führen wird.

Erstaunlich ist dann nur, daß man für Feierstunden zu 75- und
100-Jahr-Jubiläen sehr wohl noch die Zeit findet, von abgedrehten
Betveranstaltungen, die ja hervorragend zum Beschluß des
Religionsunterrichts für alle passen, gar nicht zu reden.

Solange Österreich stillsteht und politische Auseinandersetzung beinahe
unmöglich ist, solange haben diese Regierung und ihre Parlamentsmehrheit
eine Ausrede für legislativen Schindluder. Und nachher werden wir uns an
diese türkisen Sitten vielleicht schon gewöhnt haben.

Liebe schwürkisgrünen ParlamentarierInnen und MinisterInnen: Kümmerts Euch
gefälligst um die Krisenmaßnahmen, überlegts vorher, was ihr tut, bremsts
den Gesalbten mit seinen Ankündigungen ein und kehrts zurück zu einer
seriösen Politik! Und ansonsten machts mal Pause. Weil was Vernünftiges
kommt da jetzt eh nicht raus!

*Bernhard Redl*




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