Türkisgrün: Hallo Rechtssicherheit
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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 18. November 2020; 13:50
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Türkisgrün:

> Hallo Rechtssicherheit!

Es ist das gleiche Dilemma wie im Frühjahr, bei der ersten
Covid-Maßnahmenverordnung. Nur daß sie jetzt bedrohlicher heißt, zuerst das
Nachtausgangsverbot, das als "Schutzmaßnahmenverordnung" firmierte und jetzt
der echte Lockdown, der als "Notmaßnahmenverordnung" daherkommt. Fast hat
man den Eindruck, diese Regierung will per Dringlichkeitsbetonung die
Verhaltensänderung der Bevölkerung durchsetzen. Weil als Verordnung
funktioniert auch dieses Papierl nicht -- was man darf und was man nicht
darf, ist immer noch unklar. Wieviele einzelne Bezugspersonen darf man
haben? Ist ehrenamtliche Tätigkeit ein zulässiger Beruf, für den man auf die
Straße gehen darf? Und wieso dürfen Waffenhändler offenhalten,
Blumengeschäfte aber nicht? Eines der wenigen Dinge, die klar sind, weil das
offensichtlich der ÖVP ein Anliegen war: Menschen, die zu
Integrationsmaßnahmen verpflichtet sind, müssen diese Termine
selbstverständlich einhalten.

Ansonsten scheint Rechtssicherheit eher ein Luxus zu sein, den man sich in
diesen Zeiten nicht leisten möchte. Eine verzweifelte Interviewerin
versuchte am Montag im Ö1-Morgenjournal wenigstens einige Antworten aus dem
Innenminister herauszukitzeln, wie denn zumindest die Polizei diese unklaren
Bestimmungen exekutieren würde. Der antwortete aber immer mit Appellen, sich
an die Vorgaben zu halten, und gab kaum Auskünfte über seine Interpretation
der Rechtssituation. Schließlich verstieg er sich zu der Formulierung: "Das
sind ja auch immer ein stückweit Empfehlungen." Kann ich das jetzt einem
Polizisten sagen, wenn er mich abstrafen will, weil ich ihm meine Gründe auf
der Straße zu sein, nicht -- wie es in der Verordnung heißt -- "glaubhaft"
machen konnte. Wohl nicht! Denn von Empfehlungen steht nichts im
Verwaltungsstrafrecht.

Rechtssicherheit scheint in der Krise irrelevant zu sein. Ein Rechtsstaat
ist aber nur so gut, wie er in der Lage ist, Rechtsgarantien auch in
Krisenzeiten zu gewährleisten. Aber was will man diesbezüglich verlangen,
wenn in einem Staat ein Jus-Abbrecher Regierungschef ist und ein Militär das
Innenministerium führt -- und die Justizministerin, die da sehr wohl was
dazu sagen könnte, weil sie eben vom Fach ist, leider der
Ja-und-Amen-Fraktion der Regierung angehört?

So gilt die Umkehrung eines rechtsstaatlichen Prinzips: Alles was nicht
explizit erlaubt ist, ist möglicherweise verboten. Wollen wir hoffen, daß
diese Grundhaltung nach Corona wieder aufgegeben wird.
-br-



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