Türkisgrün: Im Schatten von Corona
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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 18. November 2020; 13:23
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Türkisgrün:

> Im Schatten von Corona

Langsam stellt sich die Frage, ob es nicht eines Lockdowns von
Bundesregierung und Parlament bedarf. Dort sollten jetzt einfach keine
Beschlüsse mehr gefaßt werden und keine Pläne gemacht werden dürfen, die
nichts mit Corona zu tun haben. Denn wenn eine öffentliche Debatte und ein
ebensolcher Protest auf der Straße nur unter derart irregulären Bedingungen
stattfinden kann, dann kann man nicht mehr von demokratischen Verhältnissen
reden.

Daß die ÖVP jetzt all das durchziehen möchte, was sie schon mit den Blaunen
geplant hat, ist verständlich. Von der Nachfolgerin einer
klerikalfaschistischen Partei, die immer noch Dollfuß als "Heldenkanzlers"
gedenkt, ist ja auch nichts anderes zu erwarten. Dafür wurde sie ja auch vom
reaktionäreren Teil der Bevölkerung gewählt. Von den Grünen allerdings hätte
man sich doch mehr erhofft als Apologetik und Beiwagerltum. Deswegen ist das
hier auch ein Sündenregister der Grünen:

FrühstarterInnen-Bonus: Ja, man sollte ihn einen Schnellschußmalus heissen.
Denn die lang befürchtete Abschaffung der Haklerregelung wird jetzt im
Eilzugstempo durchgezogen. Am Montag wird die Koalitionseinigung darüber
verkündet, am Freitag soll das schon per Initiativantrag durch den
Nationalrat. Begründet wird das Ganze von den Grünen damit, daß das fairer
sei gegenüber den Frauen. Wenn das argumentierbar ist, warum hat man es dann
so verdammt eilig, das ohne jede Diskussion durch das Parlament zu
peitschen?

Ethik für Religionsverweigerer: Ebenfalls dieses Wochenende kommt der
Beschluß über den Ethikunterricht ins Plenum. Dieses türkisblaunen Vorhaben
war ja wegen Ibiza ins Stocken geraten. Vor ein paar Wochen aber war im
Ausschuß das von der ÖVP und der katholischen Kirche geforderte Paket
abgesegnet worden, das nur dazu dient, die Abmeldungen vom
Religionsunterricht einzudämmen -- niemand mehr soll den Religionslehrern
entkommen können. Die Grünen argumentierten aber den Beschluß damit, daß
dies der erste Schritt zur Einführung eines Ethikunterrichts für alle sei.

Antiterrorgesetze: Die ÖVP glaubt jetzt das durchsetzen zu können, was sie
schon im Koalitionspakt fixiert hat, was sie aber verschieben mußte --
angesichts der heissen Debatte, die diese Koalition schon hart an den Rand
des Scheiterns gebracht hatte, bevor sie überhaupt noch installiert war: Die
"Schutzhaft" für Gefährder. Am Besten gleich lebenslang. Die Reaktion der
Grünen war interessant. Sie verbreiteten alle anderen von der ÖVP geplanten
neuen Antiterrorbestimmungen -- die an sich auch nicht ganz unbedenklich
sind -- aber unterschlugen die Idee der Schutzhaft, als stünde sie nicht am
Tapet. Dazu die Anmerkung, daß man "alles tun" müsse, um zukünftige
Anschläge zu vermeiden. Daß ein solches "Alles" für eine
Menschenrechtspartei doch ein bisserl zu viel sein könnte, ficht sie nicht
an. (Mittlerweile hat die Justizministerin der "Presse" ein Interview
gegeben, in dem sie betont, daß das doch nicht alles so einfach gehen
könnte. Es gibt also noch Hoffnung.)

Zu der Idee des Bildungsministers, Studierende zu exmatrikulieren, wenn sie
nicht schnell genug studieren, schweigen sich die Grünen bislang aus.

Und eines der Lieblingsprojekte der Kurz-Strache-Regierung, das degressive
Arbeitslosengeld, das Lanzeitarbeitslose dazu zwingen soll, auch noch den
ärgsten McJob anzunehmen, ist nach wie vor aktuell. Es wird nur noch nicht
umgesetzt, so die grüne Klubchefin, weil das angesichts der
Corona-Arbeitslosigkeit jetzt sinnlos wäre. Sprich: Nicht die Grünen
schützen uns vor massivem Sozialabbau, sondern Corona! Wobei man davon
ausgehen kann, daß nach dieser Krise, wo die ganzen Corona-Gelder wieder
zurück ins Budget kommen müssen, diese ALG-Reform noch um Einiges brutaler
ausfallen wird, als sie ohnehin geplant war.

Aber immerhin ist die FPÖ nicht mehr in der Regierung. Und Rudi Anschober
ist jetzt sogar beliebter als der Gesalbte. Das ist ja schließlich auch was
wert.

*Bernhard Redl*


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