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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 5. November 2020; 02:56
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Nachruf:

> Dora Schimanko
> 1932-2020

Dora wurde im August 1932 im antisemitischen Wien geboren. Ihre Eltern waren
wohlhabend, assimiliertes jüdisches Bildungsbürgertum, mit starken
sozialistischen und später kommunistischen Visionen. Ihr Vater war der beste
Freund ihres viel geliebten Großvaters, Prof. Dr. Walter Schiff.

Dora erlebte die Novemberpogrome als Kleinkind und konnte als 6-jährige mit
einem Kindertransport nach England flüchten.

Sie lebte dort, obwohl ihre Eltern ebenfalls nach England fliehen konnten,
überwiegend bei Pflegefamilien und im Internat.

Zusätzlich zu den unsichtbaren Traumatisierungen hatte sie durch viel zu
kleine Schuhe verkrüppelte Füße und dadurch jahrzehntelang Schmerzen.

In England war sie bei Young Austria aktiv.

Sie kehrte gegen ihren Willen 1946 mit ihrer Mutter nach Wien zurück. Sie
erhielten ihre Wohnung von den Amerikanischen Behörden nicht zurück, waren 2
Jahre obdachlos und sehr dankbar über die regelmäßigen Care-Pakete eines
Verwandten. Die russischen Behörden wiesen der Familie (durch ihr
kommunistisches Engagement) eine Wohnung zu, gemeinsam mit drei anderen
zurückgekehrten jüdischen Witwen.

Dora schaffte aufgrund der schlechten Deutschkenntnisse und den
antisemitischen Pädagoginnen die Matura nicht und konnte daher auch nicht
studieren. Sie wurde Gärtnerin und musste aufgrund der Fußschmerzen den
Beruf aufgeben.

Sie arbeitete dann bis zur Pensionierung als Fremdsprachenkorrespondentin
und Sekretärin.

Ihr politisches Engagement war bis zum Schluss der wichtige (wichtigste?)
Teil ihres Lebens.

Sie lernte Schurli (Georg Schimanko) bei der KPÖ kennen, sie heirateten 1958
und blieben symbiotisch verbunden bis zu Schurlis Tod im März 2019. 1960 kam
Karl auf die Welt, 1962 ich - Anna.

1968 nach der Niederschlagung des Prager Frühlings, traten beide tief
enttäuscht aus der KPÖ aus und engagierten sich intensiv in der FÖJ / BFS.

Meine Erinnerungen beginnen als Volksschulkind. Zu Hause lag immer die
Volksstimme, es wurde viel diskutiert und über die Nazis in
Führungspositionen geschimpft.

Dora und Schurli liebten die Komödianten und viele AvantgardekünstlerInnen.

Und genauso liebten sie Motorradfahren -- jedes Jahr ging es mit der "Kraxn"
und dem Zelt quer durch Europa.

Und sie engagierten sich im Club Links. Vorbereitungstreffen und
Veranstaltungen zu organisieren oder intensiv daran Teil zu nehmen, waren
aus ihrem Leben nicht wegzudenken. Ebensowenig die AKIN. Auf die wurde bis
zu ihrem Tod wöchentlich gewartet und dann auch gelesen.

Intensiv erinnern kann ich mich an das 20er Haus, die Arenabesetzung, die
Anti-Akw-Bewegung, Amerlinghaus, Ökodorf, Fristenlösung,
Umweltschutzgruppen, Frauen für den Frieden, Hainburg, Waldheim,
Augartenspitz, Ute Bock, Rassismusfreie Zonen, 1000ende Demos,
Akademikerball, hunderte Leserbriefe...

2006 erschien ihr Buch: "Warum so und nicht anders", indem sie ihre Familie
(Schiff) mütterlicherseits vorstellte. Ihr war sehr wichtig zu schreiben,
welche Kultur zerstört wurde - nicht nur wie sie zerstört wurde.

Damit begann ihre Zeit als Zeitzeugin. Unvergesslich bleiben ihre brilliante
Reden bei vielen Veranstaltungen und Demos. Als Zeitzeugin wurde sie immer
wieder gezwungen, sich ihrer Opferrolle und ihren Traumatas zu stellen.

Und damit wurde sie - auch für mich - zu einer "Heldin".

Die letzten Jahre waren durch schwere Krankheiten geprägt, die Einladungen
zu vielen Veranstaltungen ließen sie aber immer wieder weiter kämpfen.

Lasst uns in ihrem Sinne solidarisch den Kampf für Frieden, Freiheit und
Sozialismus weiterführen.

*Anna Femi*



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