Debatte: Eine Antwort ("Corona-Leugner")
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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 21. Oktober 2020; 23:15
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> Eine Antwort

Zur Debatte über "Corona-Leugner" in akin 17 und 18/2020


So, lieber Bernhard, eine Antwort kriegst Du noch -- soll ja kein
Zwiegespräch werden! Also wenn ein Artikel mit -br- gezeichnet wurde, dann
respektiere ich das, weil ich annehme, dass es dafür auch Gründe gibt.

Jetzt aber gleich zum Inhaltlichen: meinen Beitrag habe ich geschrieben,
weil ich der Meinung war -- und noch immer bin, dass Deine Verortung von
Corona-Leugnern durch den Main-Stream nicht sauber war. Ich habe einige
Merkmale von Corona-Leugnern vorgeschlagen, auf die Du leider mit keiner
Silbe eingehst. Stattdessen gibt's von Dir eine abschätzige und gleichzeitig
entlarvende Feststellung über die Kritik von SPÖ und Neos, die Corona "in
seiner Gefährlichkeit irgendwo zwischen der Spanischen Grippe und der Pest"
verorten würden.

Auch wenn Du's nicht glauben wirst - das macht faktisch niemand! Das
Mortalitätsrisiko von Covid19 wird aber in faktisch allen Studien als
deutlich höher als bei einer durchschnittlichen Grippe-Epidemie
eingeschätzt, liegt aber durchaus im Bereich der Spanischen Grippe (1). Wenn
Du da Einspruch einlegen willst, dann belege es bitte!

Eine der Tücken dieses Virus liegt darin, dass die Infektiosität schon dann
vorhanden sein kann, wenn man noch gar keine Symptome bemerkt - was die
Ausbreitung begünstigt. Du schreibst, dass es sehr wohl seriöse Kritiker
gäbe, "die die Maßnahmen generell als kontraproduktiv sehen und völlig
unangemessen". Wie darf ich das verstehen? Alle Maßnahmen unangemessen? Oder
welche im besonderen - generell? Die Abstandsregel? Das Händewaschen? Die
Maske? Und vor allem: wer ist für Dich ein seriöser Kritiker, der von
unsereins mit Verschwörungstheoretikern und wirklichen Nazis über einen Kamm
geschert wird, wie Du behauptest?

Der Univ.Prof. Andreas Sönnichsen von der MedUni Wien vielleicht? Vor
wenigen Tagen hat er etwa vor einer völlig überzogenen Angst vor Corona
gewarnt und den Mund-Nasen-Schutz bezweifelt (2) . Beides ist bedenkenswert,
keine Frage. Im April dieses Jahres hat er aber den Mund-Nasen-Schutz als
gelinderes Mittel geradezu eingefordert :

"Die Mundschutzpflicht hätte man sofort einführen können. Mit dieser banalen
Maßnahme, senkt man das Infektionsrisiko um mindestens 30 Prozent. Abstand
halten alleine reicht nicht. Auch Schutzbrillen für Kassiererinnen im
Supermarkt wären wichtig" (Die Presse, 2.4.2020)

Natürlich gilt auch für den Universitätsprofessor, dass man gscheiter werden
darf. Was mich aber stört, sind die sonstigen Aussagen des Univ.Prof.
Sönnichsen im April: Vorsorgeuntersuchungen wie die Koloskopie fand er
damals gar nicht so wichtig -- auch die Besuche beim Arzt nicht:

"Vielleicht hat Corona einen positiven Effekt, weil wir lernen, dass es
sogar gescheiter sein kann, nicht zum Arzt zu gehen".

Na super! Gut, das sind jetzt einige Aussagen des Univ.Prof. Sönnichsen, die
mir nicht gefallen oder ziemlich anders klingen als noch vor wenigen
Monaten. Es gibt auch andere Ärzte, die meiner Ansicht nach völlig falsch
liegen - und damit meine ich nicht nur den Peer Eifler aus Bad Aussee, der
gegen eine Gebühr Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht ausgestellt
hat, obwohl er die "Befreiten" nie gesehen, geschweige denn untersucht hat.

Die von der Politik gesetzten Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus
würden einer eigenständigen Erörterung bedürfen. Nur so viel hier: auch wenn
einzelne Polizisten oder wildgewordene Security-Typen den pandemischen
Anlass nutzen, Grenzen überschreiten bzw. prügeln -- wir haben keinen
Polizeistaat! Oder siehst Du Österreich auf der gleichen Stufe wie Belarus?

Wenn jemand in einem öffentlichen Verkehrsmittel bewusst keine Maske trägt
und dafür keinen medizinischen Grund hat, dann ist er oder sie wohl in der
Regel ein egoistisches Arschloch, dem die anderen und deren Ängste oder auch
Sicherheitsbedürfnisse egal sind. Ein durchgeknallter Nazi oder
Verschwörungstheoretiker ist er/sie damit noch nicht. Deine Wehleidigkeit in
dieser Hinsicht befremdet mich sehr!

Mehrmals in Deinem Beitrag jammerst Du darüber, dass die seriösen Kritiker
(Wer bitte?) über einen Kamm geschert werden mit Verschwörungstheoretikern
und wirklichen Nazis. Du bemitleidest Dich dann sogar damit, dass Du Dir den
"ganzen Unfug mit QAnon und Kinderfresserei" anhören musst. Erstens: das ist
nicht bloß Unfug, das ist tatsächlich ein giftiges Gebräu aus
Verschwörungserzählungen, Antisemitismus und rechtsextremen Versatzstücken
mit Donald Trump als Erlöser. Zweitens: Das muss man sich nicht anhören,
weil das auch gar nichts mit "seriöser Kritik" zu tun hat. Drittens: Wer bei
Demos mitmacht, die von Rechtsextremen und Neonazis organisiert werden bzw.
bei denen Rechtsextreme, Neonazis, Verschwörungsheinis (Liste ist
erweiterungsfähig) als RednerInnen auftreten, der verhilft nicht seriöser
Kritik an Corona-Maßnahmen zum Durchbruch, sondern den genannten Gruppen zu
Akzeptanz. So einfach ist das manchmal wirklich!

P.S.: Deine Ausführungen über fehlende linke (Protest- oder
Widerstands-)Narrative müssen wir ein andermal besprechen!

*Karl Öllinger*


(1)
https://de.wikipedia.org/wiki/Basisreproduktionszahl#Nettoreproduktionszahl_am_Beispiel_der_COVID-19-Pandemie_in_Deutschland

(2)
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20201007_OTS0081/mediziner-angst-vor-corona-voellig-ueberzogen




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