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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 12. Februar 2020; 22:45
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Arbeit:

> Eine Watschen am AMS

"Brutaler Angriff auf AMS-Mitarbeiterin in Favoriten". Mit dieser
Überschrift titelte die Zeitung "Heute" vom 31.01.2020 um auf eine
Übergriffigkeit aufmerksam zu machen. Berichtet wurde in einem für dieses
aus vielen Bildern bestehendem Blatt typischen Kurzartikels von einem
Übergriff eines jungen arbeitssuchenden Mannes ohne österreichischen
Reisepass auf eine AMS-Mitarbeiterin. Er hätte sich zu seinem Termin etwas
verspätet eingefunden, der Termin wäre ihm nicht mehr gewährt worden, er
solle sich am nächsten Tag wieder melden. Der arbeitssuchende junge Mann
wäre "ausgerastet" und hätte die Mitarbeiterin geschlagen. Ins Gesicht. Die
Polizei wurde eingeschaltet. Die Mitarbeiterin sagte aus, dass die
psychische Belastung für sie am schlimmsten zu ertragen wäre. In einem
Nebensatz wurde noch erwähnt, dass im Gesicht der Dame keinerlei Spuren zu
finden gewesen wären.

Jetzt ist es natürlich ein Schock, wenn jemandem ins Gesicht geschlagen
wird. Aber: wenn da nicht einmal ein blauer Fleck zu finden ist, und dies
selbst von einer Zeitung zweifelhaften Rufes festzuhalten war, dann kann von
"Brutalität" weniger die Rede sein. Auch die Arbeitsministerin meldete sich
zu Wort und zeigte sich entsetzt über den Anschlag.

Gewalt ist abzulehnen. Aber nicht nur physische Gewaltakte sind ein Problem,
die Handlungsweise des jungen Mannes hat ja auch eine Geschichte. Eine
Geschichte psychischer erfahrener Gewalt und im Zusammenhang mit dem AMS,
sicher auch eine Erfahrung institutioneller Gewalt. Man muss kein
Friedensforscher sein, um den Zusammenhang von körperlicher, kultureller und
institutioneller Gewalt zu sehen und um zu reflektieren, dass ein Aspekt mit
den anderen Aspekten zusammenhängt. Gefangen in der Maschinerie des AMS sind
schon einige Menschen verzweifelt, haben Gewaltphantasien entwickelt, die
sie zum Glück selten in die Tat umsetzen. Es ist aber nicht verwunderlich,
wenn einmal jemand zurückschlägt. Erniedrigungen, Einschüchterungen und
Demütigungen ausgesetzt gehen Arbeitssuchende als BittstellerInnen
degradiert oft genug in dieses Amt. Bei aller modernen Leitbildbeschreibung
verhalten sich AMS-MitarbeiterInnen doch manchmal als wären sie
StaatsbeamtInnen einer k.u.k.-Monarchie, Auserlesene, um über Schicksale zu
entscheiden. Ein paar Minuten zu spät zu einem diktiertem Termin zu
erscheinen kann eine Abkanzelung zur Folge haben. Aus dem Artikel ging nicht
hervor, ob existentielle, dringend benötigte Bescheide betroffen gewesen
wären, auch nicht der Grund der Verspätung. Danach wurde gar nicht gefragt.
Selbst ein Schüler, eine Schülerin darf eine Entschuldigung vorbringen, wenn
er/sie erst verspätet eintrifft, das AMS braucht offenbar keinen
Entschuldigungsgrund entgegennehmen, wenn jemand etwas verspätet erscheint.
Anders als in der Schule ist aber das AMS Herr über den Arbeitslosenbezug.

Behörden sind von ihrem Charakter her einschüchternd. Nicht umsonst gibt es
Einrichtungen wie die Volksanwaltschaft um Menschen gegenüber Beamten zu
ihrem Recht zu verhelfen. Wenn sich dann Beamte im Fernsehen zu verteidigen
haben, haben diese ihre Handlungsweise oft nicht so gemeint und spielen mit
Missverständnissen. Der junge Mann, den das Blatt "Heute" an den Pranger
gestellt hat, dürfte diesen Weg nicht gekannt haben, dürfte in seiner
Situation sich in einer Verzweiflung befunden haben (reine Spekulation),
jedenfalls hat der die Ohrfeige so ausgeteilt, dass sich keine Folgeschäden
eingestellt haben. Es liegt schon in der Natur der Sache, dass ein
Ertrinkender, dem der Strohhalm verwehrt wird, um sich schlagen wird.

Vielleicht sollten sich beide Seiten, arbeitsvermittelnde Angestellte und
arbeitssuchende Personen versuchen, sich anzunähern, sich würdig, die
Menschenwürde des Gegenübers respektierend verhalten und nie vergessen, dass
jeder Mensch unabhängig von Status und Bedürftigkeit über eine unabdingbar
zu achtende Menschenwürde verfügt.

*R.L.T. *


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