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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 30. Oktober 2019; 13:57
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Moderne Zeiten / Kapitalismus:

> Big Brother 2019

Auch heuer wieder wurden die Big Brother Awards vergeben. Die Preisträger,
die sich darüber kaum freuen werden, sind diesmal:

- Die österreichische Post: Deren Sammelwut von Daten, um Parteiaffinitäten
festzustellen und diese Erkenntnisse dann gewinnbringend weiterzuverkaufen,
war ein Skandal. Mittlerweile muß das noch teilweise staatliche Unternehmen
deswegen eine Verwaltungsstrafe von 18 Millionen Euro gewärtigen. Die Post
will dagegen berufen, bekannt wurde das Urteil aber erst nach der Verteilung
der BBAs.

- Das Seebad Weiden am See bekommt den Preis für einen Handvenenscanner als
Eintrittskontrolle.

- Microsoft wird auch wieder einmal bedacht, diesmal für sein Abhören von
Skype-Telefonaten zur Verbesserung von Übersetzungsroutinen. Das ist zwar
nach hiesiger Gesetzeslage eindeutig verboten, schert aber den Weltkonzern
nicht.
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Mit Telefonüberwachung hat auch eine weitere Preisvergabe zu tun. Da wird
zwar eher eine Idee als ein konkreter Preisträger behandelt, aber man könnte
vielleicht die letzte Bundesregierung dafür namhaft machen. Aus der Laudatio
für "Digitales Vermummungsverbot durch SIM-Registrierung":

» Spätestens nach jedem Shit-Storm bricht sie wieder an, die leidige
Diskussion über die Klarnamenpflicht in Internetforen. Bei dieser Diskussion
wird jedoch bewußt unterschlagen das die Shit-Storms gerade in den
Netzwerken stattfinden, die nur mit einer echten Identität genutzt werden
dürfen, hauptsächlich also in Facebook, und nur deswegen diese extreme
erreichen weil jeweils die Massenmedien darüber berichten.

·Einen ähnlichen Automatismus findet man bei den großen Site-Betreibern, die
aufgrund der zahlreichen Hacker-Attacken ihre User Richtung
2-Faktor-Authentisierung puschen, vorspielend dass ein Account nur durch die
Preisgabe der Handynummer sicher sein. Dabei wird gerne vergessen das es
andere viel sicherere Methoden geben würde etwas abzusichern nur weil man
unbedingt zur Telefonnummer kommen möchte - hat sich doch die Handynummer in
den letzten Jahren zur wohl einzigen weltweiten User-ID entwickelt. Kaum
verwunderlich dass daher viele Dienste diese Nummer als Schlüssel nutzen um
über alle Grenzen hinweg die User identifizieren zu können. Dabei kommt
diesen Diensten gelegen das die Handynummer eine weltweit eindeutige ID
ist - jede Telefonnummer kann nur einmal vergeben werden.

·Was Begehrlichkeiten der Internetgiganten weckt geht natürlich auch nicht
an den in der Politik tätigen unbemerkt vorüber - und schon werken die
Spindoktoren wie sie dies für die Interessen der Politik nutzbar machen
können. Nicht verwunderlich dass so die SIM-Karten-Registrierungspflicht
erfunden wurde - damit ist anonymes Telefonieren nicht mehr möglich. Da ein
unreguliertes Internet schon immer ein Dorn in den Augen machtbewusster
Politiker war, die keine Sphäre des bürgerlichen Lebens außerhalb ihres
Einflussbereiches akzeptieren können. Durch die Verknüpfung von
2-Faktor-Authentisierung und SIM-Registrierungspflicht können beide Seiten
auf Kosten der User gewinnen. «
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Zuletzt sei noch der "JÖ Bonusclub" prämiert, wo es der Handelsriese REWE
schafft, elegant das Kartellrecht zu umschiffen. Auch hier sei ausführlich
aus der Laudatio zitiert:

» Anscheinend reicht es nicht mehr das Kaufverhalten einer Handelskette zu
sammeln um ein besseres Angebot für ihre Kunden machen zu können - denn
vergessen wir nicht, all dies passiert ja nur zur Produktoptimierung. Da
Rewe ja mehrere Handelsketten in Österreich betreibt, macht es sicherlich
aus Konzernsicht keinen Sinn für jede Tochter ein eigenes Bonusprogramm zu
betreiben, dass die Bonuskarten der verschiedenen Konzerntöchter daher
zusammengelegt werden sollen ist nachvollziehbar. Nur durch eine gemeinsame
Kundenkarte gerät der Konzern nicht in die Gefahr, jemand könne die
Datenweitergabe zwischen den Konzerntöchtern auf Grund von
Datenschutzgesetzen kritisieren.

Wenn man eine Mega-Karte plant, dann ist Klotzen angesagt, und so werden
möglichst viele Partner zusammengeschlossen - auch von außerhalb der
Konzerngrenzen - und mit dieser hinzugewonnenen gigantischen Kundenbasis
lassen sich noch mehr Transaktionen und Informationen über Kaufverhalten,
Ort und Zeitpunkt erhalten. Kein Wunder, dass Data Mining und Analytics so
wichtig wurden, dass dafür eine eigene Konzerntochter gegründet wurde.
Wen wundert es da schon, wenn der Verein für Konsumenteninformation (VKI)
vor "Jö" warnt, und Sorgen bezüglich des Datenschutz anmeldet. Wenn alle
Kundentransaktionen von Billa, Billa Reisen, Bipa, Merkur, ADEG, Penny
Markt, Libro, Pagro Diskont, OMV-Tankstellen, Interio, Bawag PSK, Zgonc
zusammen ausgewertet werden können bekommt man beim Profiling ganz andere
Szenarien - und für alle, die sich diesem Diktat nicht unterwerfen wollen,
wird es immer schwieriger einkaufen zu können, ohne einen Laden dieses Club
betreten zu müssen.

Irgendwer muss die Werbung und Verwaltung der Karte ja bezahlen, da diese
sicherlich nicht auf Kosten des Gewinns von Rewe ausgegeben wird, und so
bleiben wohl nur die Kunden und Lieferanten übrig, die die Mehrkosten tragen
müssen. So soll eine Kostenbeteiligung an der Einführung der 'Jö-Karte'
gefordert werden, und als Gegenleistung würden den Lieferanten die Daten aus
den Kartenumsätzen zur Lizenzierung angeboten.

Das Wettbewerbsrechts kennt die Marktbeherrschende Stellung und das
Kartellrecht versucht, Marktverzerrungen zu verhindern, wenn Unternehmen
immer mehr fusionieren und am Ende nur noch ein Monopol den freien Markt
dominiert. Hier handelt es sich zwar um keinen Unternehmenszusammenschluss,
aber für den Kunden entsteht indem er sich an den Club bindet sehr wohl ein
zumindest moralischer Druck bei einem der Partner einzukaufen, da er sich
ansonsten subjektiv schädigt.

Wenn das Ziel von "JÖ" ist, die Treffsicherheit von Angeboten zu erhöhen, so
sollte sich der Konsument vielleicht fragen, wer bei einer solchen Übermacht
langfristig getroffen wird. «
(bigbrotherawards.at/akin)



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