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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 9. Oktober 2019; 19:50
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Glosse/Klimawandel:

> Die grüne Falle

Die Umweltbewegung verheddert sich gerade in ihren eigenen Erfolgen
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Erinnert sich noch jemand an den "Sauren Regen"? Ja? War damals nicht auch
die Apokalypse prophezeit worden? Nun, es ist nicht zuerst der Baum und dann
der Mensch gestorben, wie befürchtet. Aber war das damals vielleicht eine
selfdenying prophecy, sprich: Wurde das Baumsterben effektiv durch
Emmissionsbegrenzungen bekämpft, weil die Panik so enorm war?

"Zwentendorf" und "Hainburg", da war doch was? Waren das nicht die zentralen
Momente der Umweltbewegung in Österreich, tragend für die Vorgeschichte der
Grünen-Partei hierzulande? Damals war von der Strommafia die Rede, heute
fordern die Grünen Elektroheizungen und E-Mobilität. Und zwar mit der
Argumentation, das der meiste Strom in Österreich aus Wasserkraft käme --
aber waren die Grünen nicht immer um die Flußökologie bemüht? Ja, eben
"Hainburg" oder die bekämpften, aber sehr wohl gebauten Flußkraftwerke in
der Freudenau, in Fisching etc. sind dann jetzt wohl ökologische
Vorzeigeprojekte? Oder?

Und wie erklärt man, daß die Kommission der so großartigen Europäischen
Union den österreichischen Parteien jetzt mitteilt, daß Zwentendorf eine
notwendige Umweltschutzmaßnahme gewesen wäre? Oder den sehr wohl
importierten Atomstrom? Umweltschutz ist Europamacht plus Elektrifizierung?

So what? Peter Filzmaier, der derzeitige Politologe der Nation, hat neulich
Peter Pilz als "One-Trick-Pony" bezeichnet, weil er kein anderes Thema hätte
als die Korruption. Diese Charakterisierung trifft aber auch viele andere
Bewegungen und Parteien. Früher hat man diesbezüglich von
"Ein-Punkt-Bewegungen" gesprochen -- das klassische Problem also, daß NGOs
nicht einfach in politische Parteien überführbar sind, da sie keine
thematische Bandbreite aufweisen. Dieses Problem hängt auch bis heute den
Grünen nach -- deren One Trick verdankten sie zwar 1986 ihren Einzug in den
Nationalrat und 2019 ihre parlamentarische Wiederauferstehung, aber genau
deswegen werden sie über dieses Defizit in anderen Fragen noch weniger
nachdenken als bisher. Im Gegenteil hat sich die thematische Basis der
Grünen noch weiter verschmälert -- die Umweltproblematik wurde auf die
Klimaproblematik reduziert. Alle anderen Themen kommen da nur mehr als das
vor, was man früher einmal "Nebenwidersprüche" genannt hat -- da erklärt man
dann, Klimapolitik sei ja vor allem Sozialpolitik, weil das sich ändernde
Klima vor allem die Armen beträfe. Blöd nur, daß für die Betroffenen wohl
eher gilt: Zuerst kommt das Heizenkönnen und dann das Klimaretten!

Von dieser Erzählung des zentralen politischen Themas profitieren nicht nur
die Grünen Parteien weltweit, sondern sie wird auch von fast allen anderen
First-World-Parteien übernommen -- zum Einen, weil der politische
Konkurrenzdruck sie dazu zwingt, zum Anderen, weil sie mit den Interessen
der Konzerne und der Stromlobby inklusive der Atomindustrie kompatibel ist.
Unter "Nachhaltigkeit" versteht daher mittlerweile die EU-Kommission
überhaupt nur mehr "Klimafreundlichkeit" (1) -- mit Atomkraft oder
Bodenversiegelung oder Gold-Cyanid-Laugerei oder Bürgerkriegs-Coltan etc.
etc. hat man da offensichtlich keine Probleme. Sind das "Green Investments"?
(2)

Ja, die von der Hl. Greta geforderte Panik ist vielleicht nicht schlecht --
möglicherweise ist diese Apokalyptik nötig, damit wie einstens beim Sauren
Regen wirklich was getan wird.

Aber geht das nicht auch anders? "Der Klimawandel ist eines der drängendsten
Probleme unserer Zeit. Es handelt sich dabei nicht nur um eine Umweltkrise,
sondern auch um eine der globalen Gerechtigkeit und unseres
Wirtschaftssystems." So stehts im Positionspapier (3) von "System Change,
not Climate Change", einer österreichischen Plattform von recht
unterschiedlichen nationalen und internationalen NGOs, die durch das
Zusammenführen ihrer jeweiligen Ein-Punkt-Ansätze versuchen, eine komplexe
Kritik der herrschenden politischen Verhältnisse zu formulieren.

Die Klimawandeldebatte ist eine Chance, weltweit das hegemoniale Prinzip der
Ausbeutung vom Mensch und Natur zu bekämpfen.

Zu befürchten ist allerdings eher, daß die Umweltbewegung aus lauter
Gefallsucht ein weiteres Mal in eine Falle tappt.

*Bernhard Redl*


(1) Pressemitteilung zu Leitlinien für nachhaltiges Finanzwesen:
https://europa.eu/rapid/press-release_IP-19-3034_de.htm

(2) Presseaussendung der IG Windkraft:
https://www.igwindkraft.at/?mdoc_id=1041810

(3) https://systemchange-not-climatechange.at/de/positionspapier/



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