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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 3. Juli 2019; 21:54
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Wien:

> Grünes Betongold

Zur beruflichen Veränderung Christoph Chorherrs

Als bekannt wurde, dass der erst kürzlich zurückgetretene grüne Gemeinderat
Christoph Chorrherr eine Kooperation mit dem Baukonzern SORAVIA Group
eingeht, wurde des öfteren eine Parallele zu Eva Glawischnigs Wechsel zur
NOVOMATIC Gruppe gezogen. Es gibt da jedoch einen ganz gravierenden
Unterschied: Chorherr hat als Politiker die Baulobby nie bekämpft - ganz im
Gegenteil!

Der umtriebige Universitätsdozent und Leutnant der Miliz hat seit 2001 in
enger Zusammenarbeit mit der Wiener SPÖ zahlreiche Bauprojekte in die Wege
geleitet - darunter immer wieder auch höchst umstrittene. Sein
Naheverhältnis zu finanzkräftigen Immobilien-Investoren und das geschickte
Ziehen von Fäden im Hintergrund hat ihm bei grünen MitstreiterInnen den
nicht gerade schmeichelhaften Spitznamen "Don Betoni" eingetragen.

Bei der Durchsetzung von ihm favoritisierter Projekte ging er nämlich alles
andere als zimperlich vor - auch gegen seine eigenen ParteifreundInnen. So
versuchte er 2015 für die Firma JP Immobilien in einem dicht verbauten
Gebiet im 5. Bezirk ein 35 Meter-Hochhaus neben einem kleinen Park
durchzuboxen - gegen die Bürgerinititative "Grünquadrat" und auch gegen die
grüne Bezirksgruppe.

Der ehemalige grüne Bezirksrat Thomas Draschan erinnert sich an eine
denkwürdige Bürgerversammlung im Amthaus: Chorherr erschien mit
zweistündiger Verspätung und wiederholte fast wörtlich die Rede der
SP-Bezirksvorsteherin, mit der im Vorfeld offensichtlich schon alles
abgesprochen war: "Das Hochhaus muss unbedingt gebaut werden um die
Maastricht-Vorgaben zu erfüllen!" Sein autoritärer, völlig empathiebefreiter
Auftritt, ohne Input von Seiten der vielen Hochhauskritiker anzunehmen, war
für mich sehr verstörend.

Das Hochhaus wurde schließlich verhindert - ebenso wie schon davor jenes bei
der U-Bahnstation Kettenbrückengasse. Dort wollte die BAI trotz massiver
Einwände des Fachbeirates für Stadtplanung und Stadtgestaltung einen
Büroturm errichten. Gemeinsam mit der lokalen Bürgerintiative engagierten
sich die Mariahilfer Grünen gegen das Projekt. Zur Bürgerversammlung
erschien dann die ehemalige Studentin und zeitweilige Freundin Chorherrs,
der er ein Mandat als grüne Gemeinderätin verschafft hatte. Ihr schlagendes
Argument für den Hochhaus-Bau: "Aber die Anbindung an die U-Bahn ist doch
optimal!"

Der Mariahilfer Bezirksgruppe wurde bald darauf die Rechnung für ihr
unbotmäßiges Verhalten präsentiert: Bei der Kandidatenwahl erschien Chorherr
mit grimmiger Miene an der Spitze einer Gruppe frisch rekrutierter
Parteimitglieder, die er vorher gebrieft hatte, wer zu wählen sei - und wer
nicht. Fast die gesamte Bezirksgruppe wurde so abgewählt und durch
willfährige Mitläufer - größtenteils aus anderen Bezirken - ersetzt.

Diese und ähnliche Manipulationen kosteten die Wiener Grünen bei der
folgenden Wahl zwar Stimmen, aber eine Koalition mit der ebenfalls
geschwächten SPÖ ging sich trotzdem aus. Maria Vassilakou wurde
Vizebürgermeisterin - und Chorherr stellvertretender Vorsitzender des
Gemeinderatsausschusses für Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung. Im Schatten
Vassilakous fungierte er er aber als heimlicher Planungsstadtrat. Diese
Position nützte er immer wieder dazu um Großbauprojekte zu forcieren, die
allen grünen Grundsätzen Hohn sprechen.

Darüber murrten zwar viele Grüne intern - aber aufzumucken wagte die von
allzu kritischen Geistern gesäuberte Parteibasis dann aber doch nicht. Erst
bei Michael Tojners Heumarkt-Hochhaus und dem drohenden Verlust des
Prädikats "Weltkulturerbe" war die Eselsgeduld vieler grüner AktivistInnen
überstrapaziert: In einer Urabstimmung sprach sich die Mehrheit gegen das
Projekt aus. Aber umsonst: Die grünen Gemeinderäte stimmten - entgegen
vorherigen Zusicherungen - dennoch dafür.

Im Zuge des Heumarkt-Skandals wurde dann auch ruchbar, dass Chorherr von
Firmen mit Beteiligung des Investors Tojner Spenden von mehreren
hundertausend Euro für seinen Privatverein kassiert hatte. Aber nicht nur
von diesem: Die Liste der Großspender liest sich wie das Who is Who des
Wiener Baufilzes, von René Benko bis Erwin Soravia. Auch hunderttausende
Euro an Steuergeld waren an den Verein geflossen - mitbeschlossen vom
Gemeinderat Chorherr, nicht ordnungsgemäß abgerechnet vom Obmann Chorherr.

Der Hochhaus-Klotz beim Stadtpark ist zwar noch gar nicht gebaut - dennoch
wurde er zum Grabstein für die politischen Karrieren von Maria Vassilakou
und ihres Rasputins Christoph Chorherr - dieser trat heuer im Februar von
sämtlichen Ämtern zurück. Vorher hatte er aber noch die Weichen für den Bau
des mit 167 Metern höchsten Wohnturms Österreichs (und des dritthöchsten
Europas) bei der Reichsbrücke gestellt: Anstelle der ursprünglich
zugelassenen Bauhöhe von 26 Metern ermöglichte eine Umwidmung die Errichtung
eines 49-stöckigen Luxus-Hochhauses: "Danube Flats". Nutznießer des 253
Millionen Euro-Projekts: Die Bauträger S+B-Gruppe und - die SORAVIA Group.

Die designierte grüne Vizebürgermeisterin Birgit Hebein wurde um eine
Stellungnahme ersucht. Nach einer Schrecksekunde von sechs Tagen kam
folgende Antwort: "Die Grünen werden keinen Kommentar zur persönlichen
Zukunft des ehemaligen Abgeordneten Chorherr abgeben. Danke für Ihr
Verständnis."

*Richard Weihs*

(Text ursprünglich für den "Augustin" geschrieben)



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