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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 13. Juni 2019; 19:14
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Polizei/Debatte:

> Staatsgewalt ist ein Pleonasmus

Eine Antwort auf "Ich wünsche mir Empörung" in dieser Ausgabe

Aufschreien kann ich da nicht mehr. Das hab ich oft genug getan --
publizistisch, aber auch ganz real, wenn ich selber von der Polizei Hiebe
bekommen habe oder hilflos zuschauen mußte, wenn anderen sowas passierte.

Ich hab mit meiner Zitatensammlung nicht das jetzige Geschehen
runterschreiben wollen, sondern klarmachen, daß der Skandal nicht in diesem
Fall, sondern in der Normalität liegt. Dort wo die Diskussionen anfangen,
ist es nämlich schon viel zu spät. Da hat die Staatsgewalt einen ja schon
dort, wo sie einen haben möchte: In einer Einzelfalldebatte.

Denn das Problem ist systemisch bedingt. Da ist eine bewaffnete Truppe, die
vom Staat beauftragt wird, für das zu sorgen, was der Staat unter "Ordnung"
versteht, und dafür von diesem Staat faktisch mit Immunität ausgestattet
wird. Daß sich die Justiz um "Übergriffe" kümmert, passiert nur dann, wenn
es ein mediales Echo gibt. Ansonsten wird jedes Verfahren gegen Polizisten
vorzeitig eingestellt und die Kläger können froh sein, wenn sie nicht wegen
einer Retourkutsche, sprich Anzeige wegen "Widerstands", verurteilt werden.
Auch bei öffentlich thematisierten Fällen endet es fast immer mit der
Einstellung des Strafverfahrens und allerhöchstens mit einer
disziplinarrechtlichen Rüge. Nur wenn jemand zu Tode kommt (oder zumindest
fast) und die Ausrede "Notwehr" wegen erdrückender Beweislast und medialer
Begleitung einfach nimmer haltbar ist, gibts die Chance auf ein Urteil:
Bedingte Haft unter 12 Monaten (siehe die Fälle Omofuma, Bakary J., Krems).
Weil bei mehr müßte man den Beamten aus dem Dienst entlassen und das kann
man der Polizei ja nicht antun.

Polizisten handeln nicht als Individuen. Der Polizist ist der Staat selbst.
Der Staat aber ist die Macht und wer die Macht hat, hat das Recht. Das ist
gar nicht polemisch gemeint, sondern ganz nüchtern betrachtete Realität.

Der Staat hat bewaffnete Einheiten zu seinem Schutz -- gegenüber
Außenfeinden das Militär, gegenüber inneren die Polizei. Das macht nämlich
einen Staat erst aus: Seine Ordnungsmacht! Der Staat definiert nämlich nicht
seine Soldaten, sondern die Soldaten definieren ihn. Ein Fürst war immer nur
so mächtig, wie er sich Loyalität an Kriegern kaufen konnte. Der sich als
bürgerlich-demokratisch verstehende Staat ist da nicht anders -- auch er
kauft sich seine Macht durch Beamtengehälter inclusive Biennien und
Unangreifbarkeit seiner Krieger. Er verlangt von den Polizisten lediglich
Gehorsam ihm gegenüber. Gesetzestreue im Sinne von Menschenrechten gehört da
aber nicht dazu. Es ist ein schöner Schein, so zu tun, als wären Menschen-
und Bürgerrechte Konstituanten des Staates. Man will damit nur kaschieren,
daß es sich um Zugeständnisse des Staates handelt, die ihm abgepreßt worden
sind. Aber eine Konstituante der staatlichen Ordnung waren Menschenrechte
nie, nein, das war immer nur die bewaffnete Macht.

Wundert einen da, daß in der Polizei nicht nur ein unerträglicher
Corpsgeist, sondern auch ein absolutistisches Staatsverständnis vorherrscht?
Der Staat bin ich -- sagt der Polizist. Menschenrechte, Gewaltentrennung und
so weiter -- das ist nur was für subversives Gesindel, aber nicht für
anständige Bürger. Womit wir bei der Politik wären. Denn ausnahmslos alle
politischen Parteien, die nur irgendeine Bedeutung haben, sind
staatstragend. Ihre Protagonisten wissen, daß sie nur "Einzelfälle"
kritisieren dürfen, denn Kritik an der Verfaßtheit der Polizei an sich wäre
bereits Kritik am Staat an sich -- und das kann und will sich keine der
staatstragenden Partei leisten, weil sie dann nicht nur ihre Ansprüche auf
Regierungsposten in Frage stellen müßte, sondern auch ihr ganzes
Selbstverständnis als Teil der formalen Macht. (Von der Angst vor dem
durchschnittlichen österreichischen Spießer, der sie dann vielleicht nicht
mehr wählen wollte, reden wir da noch gar nicht.)

Das ist übertrieben? Unsere Polizei ist doch eine demokratische, da gibt es
überhaupt keine Traditionen zu archaischen Kriegerkasten?

Wirklich?

Dann zitiere ich noch ein letztes Mal, diesmal aus einer Presseaussendung
des Innenministeriums:

"'Die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger ist ein zentrales Anliegen jedes
Staates. Die Veranstaltung verdeutlicht die Bemühungen in der Gegenwart,
aber vor allem auch in der Vergangenheit, Sicherheit zu gewährleisten',
sagte Innenminister Herbert Kickl, der gemeinsam mit Generalsekretär Peter
Goldgruber an einer Führung durch die Meilensteine in der Polizeigeschichte
am 26. August 2018 am Gelände des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien
teilnahm. Historische Darsteller in teils antiken Uniformen verkörperten
Polizisten und Soldaten von der Antike bis zur Gegenwart. Fragen zum Alltag
von Menschen im Dienst der Sicherheit, angefangen von römischen Soldaten
über Landsknechte im 16. Jahrhundert bis zu Mitgliedern der bürgerlichen
Stadtwache im Spätmittelalter, wurden von den Darstellern vor Ort
beantwortet."

Im Prinzip heißt das nichts anderes, nur eben affirmativ formuliert.

Und alles nur im Sinne von Recht und Ordnung.

Darüber sollte man sich aufregen -- über das Prinzip einer unangreifbaren,
unhinterfragbaren Staatsgewalt. Wenn man sich nur dann aufregt, wenn die
Polizei es zuläßt, daß man sie beim Prügeln filmt, kann das nur die falschen
Konsequenzen haben. Nämlich, daß sie auch wieder mehr die Leute hauen, die
filmen.

*Bernhard Redl*


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