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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 22. Mai 2019; 05:53
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Ibiza/Glosse:

> Die Verantwortungsträger

Ein paar Anmerkungen zur Causa Prima

Was soll man da noch sagen resp. schreiben? Ist nicht schon alles gesagt?
Nein, natürlich nicht, man traut sich ja schon gar nicht mehr in die Tasten
zu hauen, weil es sein könnte, daß der gerade begonnene Satz beim Setzen des
Punktes schon wieder falsch sein könnte. Gerade schrieb mein Alter Ego ein
satirisches Glösserl über die Verbindungen zwischen Silberstein und Kurz,
schon taucht ein TV-Duell von 2017 auf, in dem Strache Kurz vorwirft, er
würde Silberstein kennen und Kurz darauf Straches häufige Flüge nach Ibiza
erwähnt -- gehts no?

Überhaupt: Gefühlt ganz Österreich und halb Europa übt sich in Mutmassungen,
wer denn dieses Video produziert hat und wer es den Medien übermittelt hat.
Und natürlich warum und warum jetzt. Der ORF machte am Samstag nachmittag
eine über 3 Stunden dauerte Sondersendung ohne jegliche Unterbrechung. Das
gibts nicht einmal an Wahlabenden. Länger war wahrscheinlich nur die
Liveberichterstattung von der Mondlandung. Und alles nur weil zwei Besoffene
sich filmen haben lassen bei den Äußerungen über ihre Allmachtsphantasien.
Okay, das ist übertrieben, immerhin wurden die beiden später Vizekanzler und
Klubobmann einer Regierungspartei. Aber trotzdem: War die FPÖ denn vorher
eine seriöse Partei?


Benko und Glock

Gudenus erklärt in Ibiza per Luftpistole, was die Firma Glock so herstellt.
Weil Strache damit angibt, daß die FPÖ von Gaston Glock gesponsert würde.
Glock läßt über seinen Anwalt dementieren. Und doch sind Besuche von Hofer,
Strache und Hartinger bei exclusiven Festivitäten der Glocks dokumentiert --
bei dossier.at und das schon seit Monaten. Kathrin Glock sitzt indes dank
Hofer im Vorstand der Austro Control. Und bei Waffenexportgenehmigung sind
vier Ministerien involviert -- drei davon hielt bis vor Kurzem die FPÖ.

Der Immobilienkaiser Rene Benko wird erwähnt, die "Krone" ebenso. So, wie
Strache das sagt, Benko sponsore ÖVP und FPÖ, wars vielleicht nicht, anders
aber wird schon ein Schuh daraus: Tatsächlich kaufte Benko Krone-Anteile.
Und bekam auch zu Silvester 2017 sehr günstig eine Immobilie auf der
Mariahilferstraße. Weil der frischgebackene Bundeskanzler interveniert
hatte. Als die Mateschitz-Rechercheplattform "addendum" nachfragt, warum
denn dieses, wird ihnen von einem Kurz-Sprecher beschieden: "Der Zugang der
Bundesregierung ist, eine serviceorientierte Verwaltung anzubieten. Das gilt
insbesondere für Bürgerinnen und Bürger und natürlich auch für Unternehmen,
wenn es um die Rettung von heimischen Arbeitsplätzen geht." Auch bei anderen
Deals Benkos habe Kurz geholfen. Süffissante Schlußbemerkung der
Rechercheplattform: "Das Bundeskanzleramt teilte mit, dass Herr Benko kein
finanzieller Unterstützer der ÖVP sei. Danach hatte Addendum gar nicht
gefragt."

Man könnte also sagen, der Fehler von Gudenus war nicht die Anbahnung
dubioser Geschäfte, sondern daß sie sich erstens erwischen haben lassen bei
zweitens patschert versuchten Deals mit einer drittens nicht echten und vor
allem viertens russischen Oligarchen-Nichte.


Wovon man nicht mehr sprechen will

Interessanter ist aber, daß sich gerade in den letzten Wochen so einiges
zuspitzte -- nicht nur für die FPÖ. Wenn Gudenus und Strache von großen
Parteispenden reden, könnte einem natürlich gleich einfallen, daß erst
letzten Herbst bekannt geworden war, daß ausgerechnet die beiden
Regierungsparteien den vorgegebenen Rahmen dafür deutlich gesprengt hatten.
Wir wissen auch von den offiziellen Großspendern vor allem der ÖVP. Aber:
Die Veröffentlichung der Prüfung der Rechenschaftsberichte über
Parteispenden im Finanzjahr 2017 sind eigentlich überfällig. Was da wohl
drinnenstehen wird? Der Rechnungshof hat schon angekündigt, daß man bei der
FPÖ nochmal wegen dieser dubiosen Vereine nachfragen möchte -- wenn Schwarz
und Blau Glück haben, verzögert sich der Bericht so noch bis nach den
Herbstwahlen.

Dann hing noch das ungeklärte Verhältnis der FPÖ zu den Identitären im
Raum -- gerade auch, weil die Verbindungen zwischen Idi-Chef Sellner und dem
Christchurch-Attentäter doch enger gewesen sein dürften. Und im Raum stand,
daß Sellner bei seiner Hausdurchsuchung vorgewarnt worden sein könnte.

Oder das gar seltsame Paßwort "heilheil", das Herr Gudenus verwendet haben
soll. Oder das Interview, in dem notorische Verbotsgesetzbrecher Küssel
Geschichten über den jungen Strache ausplauderte und andeutete, das es da
noch so einiges andere zu erzählen gäbe. Und natürlich die Peinlichkeit der
10 Gebote Gottfried Waldhäusls. Lange konnte das also wohl nicht mehr gut
gehen mit dieser Koalition. Und jetzt wird über all das nimmer geredet.


Wollt ihr die totale ÖVP-Regierung?

Und dann diese "Pressekonferenz" am Samstag abend, die eine Verlautbarung
des Willens zur Macht war. Ganz abgesehen von Kurzens Silberstein-Schlenker
und dem explizitem Presse-Frageverbot sei hier nochmals die Essenz dieser
Erklärung wiedergegeben:

"... Ich bin in die Politik gegangen - und ich lebe für die Politik - nicht
um ein Amt inne zu haben, sondern um etwas daraus zu machen, um auch für
unser Land einen positiven Beitrag zu leisten. [...]
Nur wenn die Volkspartei, nur wenn wir nach der Wahl die Möglichkeit haben
auch wirklich eindeutig den Ton anzugeben, dann können wir die Veränderung,
die wir begonnen haben, auch zu Ende bringen und fortsetzen.
Und ich darf alle Menschen in Österreich einladen, die mit dem Kurs, den wir
die letzten Jahre eingeleitet haben, die mit diesem Kurs zufrieden sind,
dass sie uns bei den Wahlen unterstützen. Ich glaub fest daran, dass es in
unserem Land, wenn es regierbar sein soll, klare Verhältnisse und somit auch
einen klaren Wählerauftrag für eine Person geben sollte, die das Land führen
möchte."

Man glaubt es nicht. Succus: 'Ich bin super und finde es eine Zumutung, daß
ich die ganze Zeit auf so einen Koalitionspartner angewiesen war -- wenns
geht, hätte ich gerne die totale Macht. Weil Österreich ist meine Sandkiste
ganz allein, die hab ich mir ehrlich erobert und ich möchte, daß das jetzt
auch alle einsehen.'

Er will diese Macht weniger für seine Partei, sondern viel mehr für sich als
Person. Das soll ein demokratischer Politiker sein?

Schließlich kommt der Onkel Bundespräsident, der nicht die Ausrede hat,
keine Lebenserfahrung zu haben, und meint, daß das eh voll okay wäre. Er
wäre halt nur erschüttert über das Video und man müßte jetzt dem Ausland
klar machen, daß Österreich eigentlich eh ganz toll wäre mit Ausnahme von
ein paar Kaschperln.

Sogar als Kurz wirklich mit seinem Kickl-Abmontier-Coup erreichte, daß sich
alle FPÖler aus der Regierung zurückziehen und ihn auch im Parlament nicht
mehr unterstützen werden, hat Van der Bellen kein echtes Problem darin
gesehen.

Wundern muß einen das nicht. Muß man daran erinnern, daß es Van der Bellen
war, der im Februar 2003 kein Problem damit hatte, den politischen Ziehvater
des jetzigen Kanzlers das Beiwagerl zu machen? Nur dank der Wiener
Landesorganisation der Grünen ist es damals nicht dazu gekommen.

Aber das war ja damals wie heute nur die Verantwortung dem Land gegenüber:
Besser die ÖVP hat die totale Macht im Land als es gibt gar keine Regierung.

Auch die SPÖ hat jetzt lange gebraucht, um zu schnallen, daß Sebastian Kurz
genau auf dieses Verantwortungsgefühl spekulierte, daß auch bei der immer so
staatstragenden Sozialdemokratie vorherrscht. Ob die SPÖ dabei bleibt,
gemeinsam mit der FPÖ dieser faktischen Alleinregierung das Mißtrauen
auszusprechen, wird man in den nächsten Tagen sehen. Zu befürchten ist, daß
die Sozis sich immer noch mehr davor ekeln, bei der FPÖ anzustreifen als
sich von der ÖVP auf den Kopf scheissen zu lassen.

*Bernhard Redl*



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