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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 20. März 2019; 18:45
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Zum Attentat in Christchurch

> Vorsicht bei der Berichterstattung! Do not feed the troll!

Der Spiegel-Kolumnist Sascha Lobo hat zum Thema, wie man denn mit der
Inszenierung des Attentäters medial umgehen soll, so seine eigene
Einschätzung: "Ein neuer Typus Terrorist ist entstanden und entsteht noch.
Ein Troll-Terrorist, der den Massenmord als Instrument einer hypermedialen
Inszenierung betrachtet."

Lobo sieht den Attentäter als jemanden an, der mit den Medien spielt, wie er
es in der Netzkultur gelernt hat. Der Spiegel-Autor rät daher zu Vorsicht:
"Das Manifest muss in Kenntnis dieser kulturellen Prägung des Verfassers
gelesen werden, und daraus folgen verschiedene Regeln für die Analyse des
Textes: Jeder Satz kann ironisch gemeint sein, nur zur Provokation
geschrieben oder um Verwirrung zu stiften, denn öffentliche Verwirrung
gehört zu den wichtigsten Zielen des Trolls. Trotzdem scheinen für Insider
und andere Sachkundige die tatsächlichen Inhalte durch, denn die gibt es
natürlich trotzdem, es handelt sich um ein echtes Manifest. Weil das
Dokument relativ lang ist und vermutlich unter Zeitdruck geschrieben wurde,
taugt als Annäherung an die tatsächliche Haltung des Verfassers am besten
die Konsistenzprüfung: Findet sich eine Aussage häufiger, auch in
verschiedenen Kontexten und aus verschiedenen Blickwinkeln, ist sie mit
größerer Wahrscheinlichkeit ernst gemeint. Und schließlich kann man das
Dokument vor allem dort als stimmig betrachten, wo es im Einklang mit der
terroristischen Tat steht."

Lobo sieht "drei Mindestvoraussetzungen, um sich der Tat medial zu nähern":
"Erstens, sie als das zu beschreiben, was sie ist: der
antimuslimisch-rassistische Massenmord eines rechtsextremen Terroristen.
Zweitens zu begreifen, dass hier ein netzspezifisches Terror-Phänomen mit
netzspezifischen Regeln entsteht. Und drittens zu erkennen, welche zwei
Hauptziele die Tat samt Manifest verfolgt." Diese Hauptziele verortet Lobo
einerseits darin, "die Aufmerksamkeit möglicher Nachahmungstäter in aller
Welt zu bekommen und sie zu weiteren Massenmorden zu bewegen" und nennt das
"Content-Marketing für rechtsextremen Terror".

Das andere Hauptziel des Attentäters sei "die redaktionellen Medien für die
Verstärkung der eigenen Botschaft zu instrumentalisieren". Denn: "Die
Botschaften des Manifestes vollständig für bare Münze zu nehmen und
unkommentiert weiterzutransportieren, ist der sicherste Weg, um auf den
Attentäter hereinzufallen und damit Teil seiner Marketingkampagne für
weitere Massenmorde zu werden."

Der Trick dabei, so Lobo, sei, daß das Manifest wie eine "Pressemappe"
verfaßt sei: "Bestimmte Formulierungen sind nur für Journalisten
geschrieben, sie sind eine zu Worten geronnene PR-Strategie, die auf
maximale Verbreitung abzielt." Auch die Aufschriften seiner Waffen wurden
medial großzügig verbreitet -- was durchaus im Sinne des Attentäters war.
Lobo: "Der Täter hat bei seiner Tat, im Manifest und in der
Social-Media-Inszenierung versucht, so viele Anknüpfungspunkte wie möglich
für die Kernzielgruppe bereitzustellen, also für junge weiße Männer mit
europäischen Wurzeln, die für rechtsextremen Terror rekrutiert werden
sollen."


Der ganze Text Lobos ist auf Spiegel-Online nachzulesen:
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/christchurch-wie-der-troll-terrorist-sein-attentat-im-netz-bewarb-a-1258272.html



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