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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 30. Januar 2019; 23:44
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Ö:

> Rechnungshof zu Smart Meter: Unsicher, unrentabel, unseriös

Der Bericht des Rechnungshofes zur Smart Meter-Einführung in Österreich
offenbart "ein Sittenbild der Verkommenheit", wie es der KURIER nennt
(11.1.2019). Wir bringen einige Auszüge aus dem unlängst veröffentlichten
Bericht, der diesen Befund in jeder Hinsicht bestätigt.
*

Die Energie-Control Austria (e-control) -- die für die Strom- und
Gaswirtschaft zuständige Regulierungsbehörde - erwies sich als völlig
unfähig und unwillens, einen neutralen und objektiven Bewertungsprozess der
Vor- und Nachteilen der Smart-Meter-Technologie zu organisieren.
Entsprechend unseriös und voreingenommen fielen die Ergebnisse dieser Studie
aus, die die Grundlage der Smart-Meter-Einfürungsverordnung darstellten:

Der Rechnungshof (RH) wörtlich:

"Die E-Control befasste sich schon früh mit dem Thema und trieb die
Einführung ab 2006 dynamisch voran. Sie agierte jedoch nicht als neutrale,
objektive Vermittlerin eines Innovationsprozesses." (Seite 14)

"Die Entscheidung des Wirtschaftsministers über die Einführung hing von der
Durchführung einer Kosten-Nutzen-Analyse ab. Das Wirtschaftsministerium
legte Zuständigkeit und Bedingungen einer qualitätsgesicherten Analyse nicht
fest. Die von der E-Control beauftragte Kosten-Nutzen-Analyse wies Mängel
auf und entsprach zum Teil nicht den gängigen methodischen Standards. Die
Vorgangsweise gewährleistete keine objektive und ergebnisoffene Bewertung,
sondern ließ Bestätigung zuvor bekannter und gefestigter Positionen des
Auftraggebers erwarten" (Seite 15)

"Die E-Control griff durch Änderungen gestaltend in den Berichtsentwurf des
Auftragnehmers ein. Der Endbericht bekräftigte ihre bereits seit 2008
vertretene Position noch deutlicher als der Entwurf. Die angenommenen
Energieeinspareffekte beeinflussten das Ergebnis maßgeblich; schon bei
geringer Unterschreitung drohte empfohlene Einführungsszenario
unwirtschaftlich zu werden." (Seite 15)

"Die Kosten-Nutzen-Analyse stützte sich v.a. auf die Annahme, dass
Konsumenten ihren Energieverbrauch um 3,5% (Strom), sobald Smart Meter
laufend genauere Informationen über das Verbrauchsverhalten lieferten. Die
Annahme leitete sich nicht von österreichischen Pilotprojekten ab, sondern
von Quellen aus den Niederlanden, Großbritannien und der Schweiz. Obwohl
diese Quellen für Strom ein Einsparpotenzial von nur 1% bis 3% auswiesen,
nahm der Auftragnehmer 3,5 % an." (Seite 56)

Zu bezahlen werden das die Kunden haben. Der RH:

"Laut Berichtsentwurf reichten die Messentgelte - bei jährlicher
Betrachtung - in den ersten sechs (Strom) bzw. sieben Jahren (Gas) der
Einführung nicht aus, um die Investitions- und Betriebskosten der Ausrollung
zu decken. . Dieses Ergebnis entsprach den Zusicherungen der E-Control, den
Konsumenten entstünden keine Mehrkosten, nur bedingt und fand sich im
veröffentlichten Endbericht nicht wieder. Laut Endbericht entstanden keine
Mehrkosten zulasten der Endverbraucher." (Seite 55)

Verfilzung mit Smart Meter-Lobby

Der RH weist auch auf mögliche Beweggründe für diese Manipulation der
Studienergebnisse an. Die e-control war mit Price Water House Coopers (PWC)
personell eng verfilzt. PWC macht selbst gute Geschäfte mit der Einführung
von Smart Meter und betreibt offenes Smart Meter-Lobbying. Und genau diesem
Unternehmen wurde von der e-control die entscheidenden Studie zur
Kosten-Nutzen-Analyse zugeschanzt. Der RH wörtlich:

"Zwischen dem Geschäftsführer der E-Control und dem mit der Durchführung des
Auftrags befassten Vertreter des Auftragnehmers bestanden langjährige
berufliche Beziehungen: Der Geschäftsführer der E-Control war bis 2001
selbst leitender Mitarbeiter des im Jahr 2009 beauftragten Unternehmens, der
Vertreter des Auftragnehmers wiederum war in den Jahren 2001 bis 2003
Mitarbeiter der E-Control (Seite 49). Der RH wies kritisch darauf hin, dass
zwischen dem Geschäftsführer der E-Control als Auftraggeber der
Kosten-Nutzen-Analyse und dem Vertreter des Auftragnehmers langjährige
berufliche Beziehungen bestanden, beide Seiten schon ab Anfang 2008
gefestigte und in der Sache übereinstimmende Positionen öffentlich
vertraten, wobei der Geschäftsführer der E-Control wiederholt erklärte, die
rasche und flächendeckende Einführung von Smart Metern vorantreiben zu
wollen - der Geschäftsführer der E-Control überdies verabsäumte, eine
externe, unabhängige Qualitätskontrolle einzurichten, um die Objektivität
der beauftragten Analyse sicherzustellen." (Seite 49)

Intransparenz

Es gab noch eine zweite "Kosten-Nutzen-Analyse", die vom
Wirtschaftsministerium in Auftrag gegeben wurde. Auch dieser sogenannte
"Beraterbericht" befürwortete die Einführung von Smart Metern. Auch
hinsichtlich dieses "Beraterberichts" kommt der Rechnungshof zu einem
eindeutigen Urteil:

"Nach Ansicht des RH stellten der Beraterbericht und die von der E-Control
beauftragte Kosten-Nutzen-Analyse keine fundierten, objektiv
nachvollziehbaren Entscheidungsgrundlagen für die Einführung eines
Infrastrukturprojekts im Umfang der Smart Meter-Einführung dar. Er
kritisierte, dass der damals zuständige Wirtschaftsminister seine
Entscheidung, die Durchführung dieses energiepolitischen Großprojekts
verpflichtend anzuordnen, u.a. auf einen Bericht stützte, der weder der
zuständigen Fachsektion seines Ressorts noch der Öffentlichkeit zugänglich
war. Der RH beurteilte diese Vorgangsweise als intransparent und vertrat die
Ansicht, dass die maßgeblichen Erwägungen und Entscheidungsgrundlagen über
ein aus Netztarifen finanziertes Vorhaben öffentlich nachvollziehbar sein
sollten." (Seite 62)

Gesetzeswidrigkeit

Im Klartext: Jene zwei "Kosten-Nutzen-Analysen", mit der die Verordnung zur
flächendeckenden, zwangsweisen Einführung von Smart Metern begründet wurde,
sind entweder direkt von der Smart-Meter-Lobby verfasst und voll von
unseriösen, verfälschenden Annahmen (Studie von PriceWaterHouseCoopers im
Auftrag der e-control) oder verfehlen das Thema und sind offensichtlich so
dünn in der Beweiskraft, dass sie selbst den leitenden Beamter der
Energiesektion und erst Recht der Öffentlichkeit vorenthalten wurden
(Beraterstudie des Wirtschaftsministeriums). Die Smart Meter-Verordnung ist
daher gesetzeswidrig. Der RH deutet das wenig verblümt an:

"Der Verfassungsgerichtshof stellte in mehreren Entscheidungen fest, dass
die Missachtung von Verfahrensvorschriften für die Erlassung von
Verordnungen die Gesetzwidrigkeit der jeweiligen Verordnung nach sich zieht.
Neben der Durchführung des Verfahrens müssen auch die
Entscheidungsgrundlagen gewissen Qualitätskriterien entsprechen, d.h. in
ausreichendem Maß erkennbar und objektiv nachvollziehbar sein." (Seite 63)

Kein gesetzeskonformes Opting-out

Der Rechnungshof kritisiert, dass das gesetzlich verbrieften Recht auf ein
Opting-out durch den sog. "Digitalen Standardzähler" (DSZ) ausgebremst
wurde. Denn auch dieser DSZ ist hardwaremäßig völlig identisch mit einem
Smart Meter, bloß einige Funktionen sind dabei softwaremäßig deaktiviert.
Der RH wörtlich:

"Der RH hielt fest, dass sich am gesetzlich definierten Wesen eines Geräts
nichts ändern konnte, wenn einige seiner Funktionen mittels Eingriffs in die
Software deaktiviert werden, zumal dieser Eingriff jederzeit rückgängig
gemacht werden kann. Der RH wies darauf hin, dass lediglich die Speicherung,
nicht aber die Messung der Viertelstundenwerte deaktiviert werden sollte.
Die maximale viertelstündliche Durchschnittsleistung war weiterhin zu
erfassen. Allein dies zeigte nach Ansicht des RH deutlich, dass die für die
gesetzliche Definition relevante zeitnahe Messung nicht nur als jederzeit
aktivierbare Möglichkeit, sondern als tatsächliche Gegebenheit vorlag."
(Seite 83)

"Nach Meinung des RH konnten weder die diesbezüglichen Bestimmungen in der
Novelle 2017 der IME-VO noch die in den Jahren davor bestehenden
Rechtsansichten des Wirtschaftsministeriums sowie die "Sonstigen
Marktregeln" der E-Control eine gesetzeskonforme Berücksichtigung von
Opt-out-Wünschen von Endverbrauchern gewährleisten." (Seite 83)

Ebenfalls kritisiert der RH das mangelnde Interesse an Datenschutz:

"Nach Ansicht des RH bestand ein Spannungsverhältnis zwischen den
Interessen,
- durch die Erfassung individueller Energieverbrauchsdaten eine
Tarifvielfalt und - dadurch eine Marktbelebung zu initiieren,
- dabei den Aufwand für Netzbetreiber möglichst niedrig zu halten,
- den Maß- und Eichvorschriften Genüge zu tun, aber auch
- die Anforderungen des Datenschutzes ausreichend zu berücksichtigen.
In diesem Spannungsfeld fanden vor allem die Interessen des Datenschutzes -
ob wohl ein Grundrecht im Verfassungsrang - vergleichsweise wenig
Berücksichtigung." (Seite 86)

Ignoranz gegenüber Sicherheitsbedenken

Ebenfalls völlig fahrlässig agierten Regierung und e-control in Hinblick auf
die enorme Unsicherheit und Verwundbarkeit der Energienetze, die durch die
Einführung von Smart Metern entstehen (z.B. Hackerangriffe, die zur
Manipulation von außen bis hin zum völlig Black-out führen könnten). Der RH
wörtlich:

"Laut dem Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften erhöhe die stärkere Verzahnung von
Informationstechnologie und Stromnetz die Komplexität des kritischen
Infrastruktursystems Strom und seine Verwundbarkeit durch Störungen. Es
entstünden neue Angriffsflächen, da das Stromnetz auch über IKT-Systeme
angreifbar sei. Ein Schadensereignis könne sich in einem stark vernetzten
System rasch zu einer komplexen Schadenslage entwickeln und
Kaskadeneffekte - eine Kette von Ereignissen bis hin zu einem Totalausfall
auslösen. Der RH kritisierte, dass das Wirtschaftsministerium und die
E-Control die Rechtsgrundlagen schufen, ohne vorab - unter Beiziehung der
Expertise aus dem Bereich der Forschung und Technologiefolgenabschätzung die
Sicherheitsrisiken intelligenter Messsysteme zu untersuchen." (Seite 97)

Keine Untersuchung von Gesundheitsrisiken

Obwohl der RH hinsichtlich von Gesundheitsgefahren (Elektrosmog) sehr
zurückhaltend formuliert, kritisiert er doch, dass sich Regierung und
e-control um die oftmals geäußerten Gesundheitsbedenken in keiner Weise
kümmerten:

"Österreich verfügte über keine verbindliche Rechtsgrundlage zum Schutz der
Bevölkerung vor den Einwirkungen durch elektromagnetische Felder.
Wirtschaftsministerium und E-Control setzten sich mit befürchteten
gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Smart Meter nicht näher
auseinander. Sie gaben keine eigenen Untersuchungen in Auftrag und machten
einschlägige Untersuchungsergebnisse nicht zugänglich." (Seite 17).

Kürzere Lebensdauer

Der Rechnungshof bestätigt auch die Kritik, dass Smart Meter eine viel
kürzere Lebensdauer haben - was sowohl die Kosten als auch die
Umweltbelastung (Elektromüll) in die Höhe schraubt.

"Nach Einschätzung der Netz NÖ würden die laufenden Betriebsaufwendungen
annähernd gleich bleiben, die Investitionskosten sich jedoch auf längere
Sicht etwa vervierfachen, vor allem wegen der geringeren Lebensdauer und der
höheren Investitionskosten der intelligenten Zähler." (Seite 18)

Quelle: Bericht des Rechnungshofes - Einführung intelligenter Messgeräte
(Smart Meter), 2019
https://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/downloads/2019/berichte/Smart_Meter.pdf

(Solidarwerkstatt/gek.)



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