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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 26. September 2018; 23:36
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Soziales/Schwarzblau/Presseschau:

> Wie Entsolidarisierung funktioniert

Der AMS-Chef spricht Klartext

Die Regierung streicht Mittel für das "Arbeitsmarktservice" -- was in
Wirklichkeit noch immer ein Arbeitsamt ist und sich auch so benimmt. Mit dem
AMS, speziell mit dessen Angestellten sollen wir jetzt also solidarisch
sein. Das fällt aber vielen Menschen schwer. Ausgerechnet mit denen?

Ja, natürlich, die Betreuer sind an die Vorgaben ihrer Vorgesetzten gebunden
und die Vorgesetzten an die Vorgaben aus der Politik. Aber war das nichtmal
eine Errungenschaft der Arbeiterbewegung und kann man da nicht eine andere
politische Kultur erwarten?

Nein, denn längst haben die Technokraten das Sagen. Und weil sich der
Arbeitsmarkt ein wenig entspannt hat, muß das Arbeitsamt einfach ein bisserl
mehr Druck ausüben -- quasi zum Ausgleich: "Ganz sicher braucht es in der
aktuellen Konjunktur eine andere Arbeitsmarktpolitik als 2011 bis 2016, als
es zu wenige Stellen gab. Wir fahren aktuell auch zwei große Projekte. Eines
betrifft die Zumutbarkeit. Es gibt einen deutlichen Anstieg bei den Sperren
von Arbeitslosengeld. Das hat nicht nur damit etwas zu tun, dass wir
strenger sind, sondern auch damit, dass es mehr Jobangebote gibt und
Menschen entsprechend öfter verpflichtet werden, sich zu bewerben." Das
meinte in einem Interview im August AMS-Chef Johannes Kopf. Das diese
Stellen, die es mehr gibt, vielleicht auch weniger zumutbar sind, ist
natürlich dabei kein Thema.

Und das mit der Zumutbarkeit darf man generell nicht so eng sehen: "Der
zweite Schwerpunkt liegt auf überregionaler Vermittlung. Wir screenen
Arbeitssuchende: Wer eignet sich für überregionale Vermittlung von Ost nach
West? Eine Vermittlung über so weite Distanzen ist nur zumutbar, wenn eine
Unterkunft angeboten wird." Sowas wie Familienleben und Freundeskreis kommt
in der Gedankenwelt des AMS-Chefs gar nicht mehr vor -- Hauptsache, die
Hackler haben ein Dach über dem Kopf.

Um das will sich Johannes Kopf aber kümmern: "Wir sind aktuell auch mit
Industriebetrieben im Gespräch, damit diese sich Gedanken machen und öfter
Unterkünfte bereitstellen oder Geld für die Miete zuschießen. Diese Projekte
sind ganz neu. Der Fachkräftemangel ist so deutlich, dass die Betriebe
draufkommen, dass sie sich Gedanken über Unterkünfte machen müssen." Nein,
solche Projekte sind gar nicht neu! Die sind uralt. Das ist 19. Jahrhundert,
als Arbeiter wußten, daß sie bei einem Jobverlust auch gleich ihre Wohnung
mitverlieren -- noch dazu eine Wohnung, wo der Zins vom Arbeitgeber bestimmt
werden konnte. Klag da mal deinen Vermieter auf Einhaltung des Mietrechts,
viel Spaß! (Nebenbei: Auf dem heutigen Wohnungsmarkt ist ohne Lohnzettel
kaum mehr eine neue Wohnung zu bekommen.)

Diese Ausländer!

Trotzdem gibt es einfach ein zu geringes Arbeitsplatzangebot. Warum? Kopf:
"Es sind mehr Menschen am Arbeitsmarkt. Das sind zu einem großen Teil
nichtösterreichische Staatsbürger: Der Anstieg der Beschäftigten ist zu
einem Drittel inländisch, zu zwei Dritteln ausländisch. Vor allem Deutsche,
Ungarn und Rumänien kommen. Dabei handelt es sich nicht nur um klassische
Zuwanderer, sondern auch um Pendler. Ein Grund, warum Wien und
Niederösterreich besonders stark vom Zuzug betroffen sind, ist ja, da das
Pendeln möglich ist. Man kann die niedrigen Lebenserhaltungskosten aus der
Heimat mit den höheren Einkommen hier in Österreich verbinden. Man arbeitet
also unter der Woche in Österreich, hat aber in Polen Haus und Familie." Ja
und diese Aussage kombiniere man mit der Methode, wegen des geringsten
Anlasses das Arbeitslosengeld zu streichen -- divide et impera! Haßt nicht
das Kapital oder den Staat, die sich einen Dreck um euch Arbeitslose
scheren, haßt doch gefälligst die Ausländer und wählt FPÖ. Wenn dann noch
demnächst die Notstandshilfe wegreformiert wird, wird sich diese so
induzierte Haltung noch mehr verschärfen -- und das, obwohl diese "Reform"
hauptsächlich von der FPÖ eingefordert wird.

Und dann kommt von Kopf noch das: "Die Afghanen sind im Durchschnitt
deutlich schlechter qualifiziert als die Syrer. Trotzdem klappt die
Integration der Afghanen besser als erwartet. Woran liegt das? ... Die
niedrigqualifizierte Integration gelingt schneller." Ja, und damit sind sie
halt die Konkurrenz der ungelernten Hackler. Das sind aber genau die, die in
der Mehrheit FPÖ wählen. Und zwar eben nicht hauptsächlich aus Rassismus,
sondern weil sie sehen, daß das Arbeitsplätze sind, die sie eigentlich
hätten bekommen können. Müßten diese Menschen sich keine Sorgen um ihre
Existenz machen, wären sie vielleicht netter zu ihren ausländischen
Mitmenschen und würden auch weniger zur FPÖ rennen.

Nun, von einem Technokraten -- noch dazu von der ÖVP -- wie Herrn Kopf ist
ja nichts anderes zu erwarten. Der wird sicher nicht in einem Interview der
Regierung Vorhaltungen machen, daß er so streng zu den Arbeitslosen sein
muß. Von seinem "roten" Co-Chef Herbert Buchinger ist mittlerweile auch
nichts mehr zu erwarten -- der dürfte selbst froh sein, wenn er unter diesen
Regierung nicht arbeitslos wird. Aber hat jemand je eine Demo der
Beschäftigten des AMS gesehen, daß sie nicht mehr Arbeitslose fertigmachen
und in die Arme der FPÖ treiben wollen? Also ich nicht. Hat sich
irgendjemand Wichtiger vom ÖGB darüber mal laut beschwert? Sehr laut wohl
nicht. Aber jetzt fordert die Gewerkschaft Solidarität für die in der
"aktiven Arbeitsmarktpolitik" Beschäftigten ein. Auch wenn diese Menschen
nicht die "Betreuer" sind, die die "Kunden" dieses "Services" drangsaliert
haben, sie stehen halt auch für das AMS. Und da ist die Solidarität gerade
von jenen, um die es angeblich geht, die niedrigqualifizierten Arbeiter und
vor allem Arbeitslosen, endenwollend. Wundern darf man sich da nicht.
-br-


Zitate nach: https://derstandard.at/2000085927679/



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