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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 26. September 2018; 23:51
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Polizei/Debatte:

> ACAB?

*Leo Lukas* über den Umgang mit Polizisten -- ein unlustiger Aufsatz

1. Angesichts dessen, dass ich als "links-linker Chaot" verschrien bin,
haben schon erstaunlich viele Polizistinnen und Polizisten mir ihr Herz
ausgeschüttet: "Denkst du, unsereins darf in Uniform irgendwo entspannt
einen Kaffee trinken oder eine Käsekrainer einwerfen? So verwaist kann ein
Lokal oder Würstelstand gar nicht sein, dass sich nicht der letzte
herumhängende Trankler bemüßigt fühlt, dich schief anzupöbeln!"

2. Ein ehemaliger Schulkamerad, der die Polizeilaufbahn eingeschlagen hatte,
gestand mir vor vielen Jahren: "Zuerst war ich im Wachzimmer XX. Da haben
wir alle darunter gelitten, dass fast nie was passiert ist. Aber dann kam
ich zum Glück in die Wachstube YY. Mit den dortigen Kollegen gehen wir jeden
Tag in Lokale, wo immer ein Wickel ist - und wenn keiner ist, machen wir
einen."

3. Eine sehr kluge, herzensgute Polizistin, die sich seit einer halben
Ewigkeit kenne, hat mir erzählt, wie das bei manchen Demo-Einsätzen abläuft:
"Du wirst über viele hundert Kilometer verfrachtet, in Bussen ohne
irgendwelche Bequemlichkeiten wie zum Beispiel Klos. Trinkwasser kriegst du,
aber kaum Jause, am ehesten - wie zufällig - von den stets gutgelaunten
Leuten der freiheitlichen Polizeigewerkschaft AUF. Danach stehst du
stundenlang in einem Kordon, eingezwängt von einer Montur, die für
irgendjemand maßgeschneidert worden ist, aber sicher nicht für dich. Glaub
mir, du brauchst immense Willenskraft, um die aufgestauten Aggressionen
nicht gegen diejenigen zu wenden, auf die du schließlich losgelassen wirst."

4. In fast alle Spinde des Sportstudios, das ich regelmäßig besuche, hat
jemand "ACAB" geschmiert. Eine Abkürzung, die bedeutet: "All Cops Are
Bastards". Nach dem bisher Ausgeführten muss ich wohl nicht mehr betonen,
dass ich das für eine trottelhafte Verallgemeinerung halte.

5. Manchen meiner Leser und Leserinnen, vermute ich mal, wird nicht bewusst
sein, dass die Verächtlichmachung der "Kieberer", zumindest im
mitteleuropäischen Raum, darauf zurückgeht, dass die ersten hiesigen
Polizeieinheiten auf Wirtschaftskriminalität angesetzt worden waren.
Exponenten des damaligen Bürgertums, die sich in ihren, nicht selten legale
Grenzen überschreitenden Umtrieben eingeschränkt fühlten, taten ihr
Möglichstes, diese neue Institution madig zu machen (Verkehrsregelung etc.
kam erst später hinzu). Insofern ist es eine besonders bittere Wendung der
Geschichte, dass die Exekutivkräfte heutzutage, wie aktuell im Hambacher
Forst, meist an die Front geschickt werden, um den angeblich "freien Markt"
zu schützen.

6. Selbstverständlich träume ich von einer globalen Gesellschaft, in der
keinerlei Restriktionen mehr nötig sind. Bis dahin ist es aber noch ein
weiter Weg, dessen Ende ich wohl nicht mehr erleben werde. Weswegen ich mir
momentan einen Rechtsstaat ohne Polizei beim besten Willen nicht vorstellen
kann.

7. Die große Frage ist daher: mit welcher Polizei? Und mit welchen
Polizisten und Polizistinnen?

8. Außer Frage steht für mich, dass die Umstände, unter denen die Leute, die
sich für diesen Dienst an der Gesellschaft entschieden haben, arbeiten
müssen, ihrem so wichtigen Auftrag meistens nicht einmal annähernd
entsprechen. Viele Wachstuben sind in erbärmlichem Zustand. Wer jemals eine
Anzeige, z.B. wegen eines Fahrraddiebstahls, aufgeben wollte, wird mir
beipflichten, dass er oder sie irgendwann nicht mehr wusste, mit wem man
mehr Mitleid haben sollte: mit der mangelhaft geschulten Person, die mit
zwei spitzen Zeigefingern auf die Tastatur einhackte - oder mit dem
hoffnungslos veralteten, ja archaischen Computer, in dem die Daten
gespeichert werden sollten.

9. Eine Regierung, die tatsächlich das Wohl des Gemeinwesens befördern will,
würde - aus meiner bescheidenen, laienhaften Sicht - danach trachten,
möglichst gut ausgebildete und ausgestattete, und nicht zuletzt möglichst
adäquat gut entlohnte Polizist_innen zu bekommen. Aus möglichst
verschiedenen Gesellschaftsschichten sowie längst einheimisch gewordenen
Ethnien. Schließlich wissen wir aus der Vergangenheit, dass niemand besser
dafür geeignet ist, kleinere bis mittlere Konflikte zu schlichten als
sinngemäß "Dorfgendarmen", die in ihr alltägliches Umfeld eingebunden sind.

10. Stattdessen baut das Innenministerium, entgegen allen negativen
Berichten aus früheren Epochen und anderen Ländern, eine elitäre
Reiterstaffel auf, und der Innenminister schaltet zugleich
Rekrutierungs-Inserate in rechtsradikalen Medien. Die Anforderungen für eine
Aufnahme in den gemeinen Polizeidienst werden so weit abgesenkt, dass der
alte Witz, "Zwei Sterne am Revers bedeuten: Kennt jemanden, der lesen und
schreiben kann", schon wieder erschreckende Aktualität bekommt. Böse
Zungen - von denen ich mich selbstverständlich vollinhaltlich distanziere -
könnten behaupten, man wolle frustrierte Außenseiter damit gewinnen, dass
sie zwar schlecht, aber immerhin bezahlt würden, und vor allem hemmungslos
ihre sadistischen Gelüste ausleben dürften.

11. Mit Sturmgewehren.

*

[Anm.: Geschrieben bevor die berüchtigte Nicht-Anweisung Kickls an seine
Untergebenen bekannt wurde.]



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