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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 26. September 2018; 23:26
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Glosse/SPÖ:

> A Star is Born

Die SPÖ hat ihre nächste Vorsitzende aus der Retorte

Vielleicht ist Frau Rendi-Wagner wirklich die beste Besetzung als Nummer 1
bei der SPÖ. Die Zeit wird es weisen. Und man kann Robert Misik recht geben,
wenn er meint, es kann in diesen Zeiten niemandem egal sein, wie es mit der
größten Opppositionspartei weitergeht.

Das wars dann aber auch schon mit dem, was in den letzten Tagen von Seiten
der Sozialdemokratie gekommen ist, und dem ich nicht widerspreche. Aber
alles andere ist, mit einem Wort des bisherigen Chefs, Mumpitz.

Denn wie diese Bestellung Rendis abgelaufen ist, war um einiges blöder als
das Chaos um den Kern-Rücktritt. Da telefonieren sich ganz offensichtlich
recht hektisch ein paar der Granden zusammen und heben eine Person auf den
Schild, deren einzige Qualifikation es ist, von ihrem nunmehrigen Vorgänger
als toll angesehen worden zu sein. Argument: Jetzt haben wir eine Frau als
Vorsitzende! Jetzt wird alles anders, wie sind wir doch modern! Johanna
Dohnal würde sich im Grab umdrehen! Vor allem deswegen, weil der Verdacht ja
schon vorhanden ist, daß die Granden eine schwache Vorsitzende wollen, die
ihnen in den Ländern und Institutionen nichts dreinreden wird können. Und
schon wird auf Jubel geschaltet. Ja, es ist schon ein bissi blöd, wenn man
jetzt Termine in den Parteigremien organisieren muß, damit sich die
designierte Vorsitzende vorstellen kann, weil sie in der Partei halt niemand
wirklich kennt. Das war aber bei Christian Kern auch nicht anders. Und mit
dem ist das ja alles trotzdem ganz gut verlaufen, oder?

Jetzt kann man keine Miesepeter brauchen! "Pamela, der Superstar!" ist
verordnet. Wenn Misik dann in seiner Standard-Video-Kolumne meint, er wäre
entsetzt gewesen über das erste Interview von Michael Ludwig zur Bestellung
Rendi-Wagners, weil dieser sich nicht begeistert bis hin zum Jubelgeschrei
gezeigt hat, wird es sehr blöd. Wenn vorhandene Zweifel nicht einmal mehr
angedeutet werden dürfen, weil das die Parteiräson verlangt, dann ist die
ganze Sache schon sehr zweifelhaft.


Vranitzky-Gedenk-Ernennung

Aber das ist ja nichts Neues. Nach dem ebenso unkontrollierten Rücktritt
Faymanns hat man es ja auch schon so gemacht. Auch da wollte man dem damals
gerade erst aufgehenden Stern des Sebastian Kurz etwas entgegensetzen und
wünschte sich einen coolen Typen -- egal, ob der vom politischen Geschäft
irgendwas versteht oder in der Partei wirklich verankert ist. Es wurde ein
Manager, Christian Kern eben. Vielleicht war da irgendwo noch der Gedanke an
die Ära Vranitzky mit im Spiel: Ja, super, ein erfolgreicher, immer elegant
gekleideter Manager mit einem schönen Bariton statt eines blassen
Parteibürokraten mit Quackstimme wie Faymann!

Dann hat sich herausgestellt, der Typ schafft nichtmal hinhaltenden
Widerstand gegen die ÖVP wie einstens Faymann, sondern hat im Prinzip die
gleichen Vorstellungen in wirtschaftlichen Fragen wie der Koalitionspartner.
Aber egal, er verkauft sich ja viel besser und nur darauf kommt es an. Dann
kam der "Plan A" mit gezählten 41 Photos des Parteichefs -- Jubel, der ist
ja so photogen! Okay, faktisch hat er damit ohne jeden Beschluß das
Parteiprogramm umgeschrieben, aber das verzeihen wir ihm, er ist ja so cool.

Die Wahlen gingen verloren. Die Reaktion der SPÖ: Jetzt müssen wir ein
bisserl was aufzahlen, damit er uns erhalten bleibt, weil nur für ein
Nationalratsgehalt macht der uns den Chef doch nicht weiter. Trotzdem kam es
so, wie alle außerhalb der Partei erwartet hatten: Der große Manager hatte
keine Lust, Oppositionsarbeit zu machen. Zuerst inhaltlich nimmer, siehe
seine völlige Wischiwaschi-Position zum 12-Stunden-Tag, jetzt halt auch
organisatorisch nimmer.

Tja, was macht die SPÖ? Sie bestellt Kerns Protegé als dessen Nachfolgerin.
Weil die ist ja auch photogen.

So wenig wie es ein sinnvoller Weg für eine Partei ist, eine neue Nummer 1
quasi per Volkswahl zu bestimmen, wie das die Wiener Grünen machen, sowenig
ist es sinnvoll, einfach jemanden aus dem Hut zu zaubern, wo man glaubt, daß
diese Person gut im Fernsehen rüberkommt, ohne die Frage beantworten zu
können, wofür diese politisch überhaupt steht.


Sozial und demokratisch?

Und dann sieht man "Im Zentrum". Julia Herr (die wahrscheinlich wirklich
eine großartige Sturmspitze gegen Kurz und Strache gewesen wäre) sitzt da
und sagt das, was einfach nur richtig ist: Laßt die Partei in einer Urwahl
doch selbst entscheiden, wer Nummer 1 wird. Und alle schauen sie an, als
hätte sie gerade behauptet, es gäbe Schwäne auf dem Mond.

Es ist ein Trauerspiel mit der Sozialdemokratie. War es immer schon, nicht
nur in Österreich, aber hier und jetzt ist es halt wirklich sehr deutlich.
Aber was weiß man? Wie gesagt, vielleicht wird Rendi-Wagner wirklich der
Superstar und Engel der Unterschichtsangehörigen, wie sie jetzt verkauft
wird.

Das wäre dann aber ein unwahrscheinlicher Glücksfall und nicht das Verdienst
von weisen SP-Granden.
*Bernhard Redl*



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