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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 29. August 2018; 16:49
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Vom Essen in Oeffis:

> Teile und herrsche

"Alkoholtrinken verboten, Rauchen verboten, Dampfen verboten. Hunde ohne
Beißkorb und Leine verboten. Lärmen verboten, Musizieren verboten. Fahren
mit Fahrrädern, E-Bikes, Skateboards, Inlineskates sowie Scootern verboten -
und jetzt auch noch Essen verboten: Am besten nur still dasitzen und ins
Handy starren, damit sich ja niemand belästigt fühlt. Das klingt nicht nach
'meinem' Wien. Für mich bedeutet Stadt Lebendigkeit und Vielfalt. Ein
kommunikatives Miteinander von Menschen verschiedenen Alters, verschiedener
Meinung, verschiedener Herkunft. Urbanität lebt von Toleranz, Vielfalt und
Dichte. [...] Und wer keine Urbanität mag, soll lieber aufs Land ziehen."
Das schreibt Christian Rösner in der "Wiener Zeitung".

Das "profil" widmet dem Thema sogar sein Cover: "Immer weiter dringt die
Verbotskultur in den persönlichen Lebensvollzug vor: Rauchverbote in Parks,
Alkoholverbote auf Plätzen, Essverbote in U-Bahnen, Handyverbote in Öffis
und Benimmvorschriften in Bädern dominieren den Alltag" und: "Woher kommt
diese Regelwut? Und wo führt sie hin?" heißt es in der Ankündigung des
Hefts.

Das Eßverbot in der U-Bahn (siehe auch Christoph Baumgartens Analyse in
dieser Ausgabe
) hat vielleicht nicht das Faß zum Überlaufen gebracht, aber
immerhin ein Moment, um eine breitere Debatte auszulösen. Denn bislang
verliefen öffentliche Debatten eher um einzelne als irr angesehene Verbote
(siehe Burkaverbot für Clowns und Haidarsteller), ergaben gemeinsam aber
außerhalb anarchistischer Kreise kein Gesamtbild. Das scheint, zumindest für
den Augenblick, jetzt anders.

Eine solche Verbotsmanie läßt immer den Verdacht der Ablenkungspolitik
auftauchen: Lösungen, die keine sind, für Probleme, die entweder nicht
wirklich essentiell sind oder eben gar erst erfunden werden müssen. Das ist
ähnlich wie mit dem Aufbauschen der Flüchtlings- und Migrationsthematik zur
Problematik, das eben nicht nur hilfreich bei Wahlkämpfen ist, sondern auch
die tatsächlichen sozialen -- sprich: ökonomischen -- Schieflagen
gleichzeitig sowohl übertünchen als auch begründen soll. Die Verbotspolitik
ist ähnlich multifunktional. Auch hier geht es ums Divide et Impera -- oder:
Die Hölle, das sind die Anderen. Und zwar nicht die Herrschenden. Denn die
sorgen ja dafür, daß solch brennenden Probleme wie das Kebap in der U-Bahn
der Vergangenheit angehören.

Ein kleines Detail in eben jenem Eßverbot war zwar als Abschwächung vom
Rathaus gedacht und ist wohl weitgehend auch so verstanden worden, ist in
Wirklichkeit aber höchst verräterisch: Man wolle, so liessen Rathaus und
Wiener Linien verkünden, zuerst einmal nur abmahnen und nicht strafen. Man
sei sich nicht einmal sicher, ob man je Strafen verhängen werde. Nun, was
ist das dann für ein Verbot? Ganz einfach: Man setzt auf die
Blockwartmentalität mancher Wiener. Das Verbot soll mittels sozialer
Kontrolle durchgesetzt werden. Denn so haben die Möchtegernsheriff wieder
was, wo sie sich aufregen können und fühlen sich legitimiert, denn
schließlich haben sie ja als Begründung jetzt nicht mehr nur ihre schlechte
Laune, sondern ein amtliches Verbot, dem sie doch Geltung verschaffen
müssen.

Die Obrigkeit wird so nicht zum Feindbild und kann zuschauen, wie die
Untertanen sich gegenseitig fertigmachen. Ja, eben: Teile und herrsche!
*Bernhard Redl*



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