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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 6. Juni 2018; 20:47
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Soziales/Jugend/Bildung:

> Un-ÜBA-legt! Auffangnetz für Jugendliche in Gefahr

Eine Protestkundgebung der Gewerkschaftsjugend machte Ende Mai mobil: Die
Kürzung der Ausbildungsbeihilfe für ältere ÜBA-Lehrlinge stellt nur den
Beginn von Einsparungen dar. Das Prinzip der überbetrieblichen
Lehrausbildung, als Auffangnetz für Jugendliche mit Anlaufschwierigkeiten,
wird zu Gunsten eines Anreizsystems hin zu immer weniger betrieblichen
Lehrstellen auf Spiel gesetzt.

Was ist die ÜBA?

Die Ausbildung von Lehrlingen hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert:
Lehrbetriebe lassen aus, das Bildungssystem sortiert Jugendliche mit Lern-
und Sprachrucksäcken oftmals aus und die Arbeitswelt bietet diesen jungen
Menschen abseits von Hilfsarbeiterjobs keine beruflichen Perspektiven. Seit
2008 gibt es als Auffangnetz die überbetriebliche Lehrausbildung in der
heutigen Form. Damals wurde dieses Ausbildungsformat unter dem Schlagwort
"Ausbildungsgarantie" vom damaligen Sozialminister Hundstorfer initiiert.
Von der Zahl der Auszubildenden her ist die ÜBA ein Erfolgsmodell: 2017
nahmen knapp 10.000 Jugendliche diese Ausbildungsmöglichkeit in Anspruch,
sie zählen als Lehrlinge nach dem ASVG. In der Zeit vor der ÜBA gab es für
diese Jugendliche die sogenannten "JASG-Lehrgänge", die von Trägern
durchgeführt und von den regionalen AMS-Stellen gefördert wurden (z.B.
Niederösterreich). Diese waren aber als kürzere Lehrgänge ohne
Ausbildungsabschluss konzipiert.

Die ÜBAs kümmern sich um Jugendliche, die keine Lehrstelle gefunden haben
und bieten die Möglichkeit, in 30 ausgewählten Lehrberufen abseits der
klassischen Lehrbetriebe eine Lehrausbildung zu absolvieren (§ 38d,
Arbeitsmarktservicegesetz). Das AMS übernimmt die Koordination mit den
Trägerorganisationen. Die Berufsschule besuchen die
AusbildungsteilnehmerInnen genauso wie andere Lehrlinge, nur der Praxisteil
wird in einer Ausbildungseinrichtung in Kooperation mit einer betrieblichen
Lehrwerkstatt ermöglicht (ÜBA1-Form ist das Lehrgangsmodell) oder die
gesamte Ausbildung findet im Rahmen eines gestückelten Ausbildungsvertrag
statt, wo Lehrlinge zwischen verschiedenen Praxisbetrieben während der
gesamten Lehrzeit wechseln (ÜBA2-Form Praxisbetriebe). In beiden ÜBA-Formen
ist das übergeordnete Ziel die Übernahme in eine reguläre Lehrausbildung bei
einem Lehrbetrieb zu schaffen (S. 94, BMASK). Betriebe bekommen dafür eine
extra Förderung, wenn sie ÜBA-Lehrlinge übernehmen. ÜBA-Lehrlinge bekommen
keine Lehrlingsentschädigung, sondern vom AMS eine Ausbildungsbeihilfe in
Höhe der Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes (DLU) für Jugendliche
vor Vollendung des 18. Lebensjahres (entspricht 325,80 netto im Monat). Ab
dem dritten Lehrjahr erhalten alle LehrgangsteilnehmerInnen eine
Ausbildungsbeihilfe in Höhe der DLU für erwachsene TeilnehmerInnen (das
entspricht 753 Euro). Seit Jahren ist es für ÜBA-Lehrlinge in
Praxisbetrieben schwer nachzuvollziehen, warum sie wesentlich weniger
verdienen als ihre regulären Lehrlingskollegen. Dieses Unverständnis wird
sich für ältere ÜBA-TeilnehmerInnen ab Herbst noch verstärken.

Welche Rolle erfüllt die ÜBA in der Ausbildungspflicht?

Die Garantielogik in der überbetrieblichen Ausbildung war zehn Jahre
Bestandteil der aktiven Arbeitsmarktpolitik für Jugendliche, allerdings gab
es kein Gesamtkonzept für die Ausbildungsjahre zwischen 15 und 18 Jahren.
Pro Schuljahr gingen mehr als achttausend Jugendliche dem Ausbildungs- und
weiterführenden Bildungssystem verloren. Das waren angesichts des hohen
Arbeitslosigkeitssrisiko durch den alleinigen Pflichtschulabschluss zu
viele.

Ein Gesamtkonzept wurde schließlich 2016 mit dem Ausbildungspflichtgesetz
beschlossen. Dabei wurden bestehende und bewährte Orientierungsschienen wie
das Jugendcoaching oder die Produktionsschulen in ein von
Koordinierungsstellen gesteuertes Zusammenspiel übergeführt. Seit Juli 2017
gilt für alle Jugendlichen, die die Pflichtschule im Schuljahr 2016/2017
bzw. danach abschließen die Ausbildungspflicht. Die Sanktionen treten mit 1.
Juli 2018 in Kraft und werden mittels Verwaltungsstrafen an Eltern
umgesetzt, wenn sie der Meldepflicht nicht nachkommen.

Die Ausbildungspflicht bis 18 Jahren gilt als erfüllt, wenn ein weiterer
Schulbesuch, eine Lehre oder ÜBA, eine Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen
Maßnahmen und sogar (auf Druck der ÖVP) eine Beschäftigung, die mit dem
Perspektiven- oder Betreuungsplan in Einklang steht, nachgegangen wird.
Angesichts der Zielgruppe der schulgefrusteten und mit Lern- und
Sprachrucksäcken reisenden Jugendlichen durchs Pflichtschulsystem lässt sich
leicht erkennen, dass oft weder ein weiterführender Schulbesuch noch eine
Lehre auf dem immer knapper werdenden Lehrstellenmarkt möglich erscheint.
Auch hat die überbetriebliche Lehrausbildung rein von den bisherigen Plätzen
die größten Kapazitäten und Flexibilität ermöglicht. Das Auffangnetz ÜBA ist
somit fixer Bestandteil und Baustein der Ausbildungspflicht bis 18 Jahre.
Ausbildungen in dieser Zielgruppe werden oft mit Zeitverzögerung begonnen,
daher sind die TeilnehmerInnen oft auch über 18 Jahre alt, wenn sie ihre
Ausbildung abschließen.

Was hat der AMS-Verwaltungsrat im Mai 2018 beschlossen?

Der Verwaltungsrat hat vor kurzem mit den Stimmen der
WirtschaftsvertreterInnen und der Regierung die Halbierung der Entschädigung
für ältere Lehrlinge in überbetrieblicher Ausbildung beschlossen. Ab
September bekommen über 18-Jährige, die eine ÜBA-Lehre absolvieren, nur mehr
325 Euro im Monat Ausbildungsbeihilfe. Betroffen von der Maßnahme, die laut
AMS 17 Millionen Euro an Einsparungen bringt, sind 3.600 Personen. Also
nicht viel Geld, für eine überschaubare und sich am Ausbildungsweg
befindende Zielgruppe. Nach dem Zurückfahren der Mittel für das
Integrationsjahr wird wieder bei der jungen Zielgruppe für Qualifikations-
und Ausbildungsmaßnahmen gespart. Gerade junge Erwachsene können sich mit
325 Euro finanziell nicht über Wasser halten und riskieren, durch die
Aufnahme zusätzlicher Hilfsjobs einen Ausbildungsabbruch. Die
Ausbildungspflicht, die ja nur bis 18 Jahren gilt, greift dann auch nicht
mehr. Der Zugang zur Mindestsicherung ist in den verschiedenen Bundesländern
für junge Menschen in Ausbildung unterschiedlich geregelt und an
Voraussetzungen geknüpft. Zudem sind es Kosten, die die Länder aufbringen,
während die ÜBA-Ausbildungsbeihilfe vom Bund über das AMS ausgeschüttet
wird.

Regierungspläne als Umsetzungsschablone

Schon im Regierungsprogramm im Dezember 2017 setzte die Regierung auf die
"Reduktion überbetrieblicher Ausbildungseinrichtungen auf das zwingend
notwendige Ausmaß und Verkürzung des Verbleibs in den Einrichtungen
(insbesondere in den dreijährigen Einrichtungen, möglichst nach einem Jahr
Wechsel in den ersten Arbeitsmarkt) durch verstärktes Vermitteln auf
betriebliche Lehrstellen (Mittelumschichtung von über- betrieblichen
Ausbildungseinrichtungen zur Ausbildung im Betrieb) und finanzielle
Unterstützung des Betriebes". Die ÜBAs sollen demnach keine "Konkurrenz" zu
den Lehrbetrieben und deren Förderungen darstellen. Auch die nächste Passage
stellt eine Bezugnahme zu den jetzt beschlossenen Änderungen her:
"Beihilfenbezug während überbetrieblicher Ausbildung bzw. vorgelagerter
Einrichtungen wie etwa Produktionsschule so ausgestalten, dass ein klarer
Anreiz zur Aufnahme einer betrieblichen Lehre besteht" (beide Stellen: S.
145, Regierungsprogramm). 325 Euro sind ein klarer Anreiz für
AusbildungsteilnehmerInnen ihre Ausbildung in einer ÜBA zu hinterfragen. Es
ist zu erwarten, dass Ausbildungsabbrüche sich verstärken mit negativen
Folgen für die Lehrlinge, aber auch für die Volkswirtschaft. Diese Art der
"Aktivierung" führt in die Perspektivenlosigkeit. Und das ist genau das
Gegenteil eines Auffangnetzes.

*Anna Schopf* auf reflektive.at

Quelle: http://www.reflektive.at/unuebalegt-auffangnetz-fuer-jugendliche-in-gefahr/


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