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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 2. Mai 2018; 16:45
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Schwarzblau/Soziales:

> Warum die Abschaffung der Notstandshilfe uns alle betrifft

Rede von *Birgit Hebein* anlässlich der Grünen Protestaktion gegen den
Sozialabbau vor der Bundeskanzleramt am 25. April.
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Was passiert hinter den Mauern dieses Hauses? Was bewegt den Hausherren
dort?

Sebastian Kurz hat der Bevölkerung so etwas wie einen Aufbruch versprochen.
Nichts Konkretes, aber einen Aufbruch, immerhin.

Die versprochenen Ziele waren so allgemein wie möglich. Sie sind nicht mehr
als Slogans: "Mehr Netto vom Brutto, weniger Bürokratie, weniger Druck am
Arbeitsmarkt, mehr Geld für Familien, mehr Sicherheit".

Jetzt hat er die Macht, diese Slogans mit Inhalt zu füllen und umzusetzen.
Und was liefert er?

Der jetzige Hausherr will die maximale Tagesarbeitszeit auf zwölf Stunden
und die maximale Wochenarbeitszeit auf 60 Stunden erhöhen. Was heißt das
konkret? Es bedeutet, dass Menschen zwar vielleicht über das Jahr gerechnet
nicht mehr arbeiten werden als heute, dass aber Überstundenzuschläge, die
derzeit ab der 8. Arbeitsstunde am Tag oder der 40. Arbeitsstunde in der
Woche anfallen, nicht mehr ausbezahlt werden müssen. Die Menschen verlieren
also Geld.

Noch mehr: Er will angeblich Familien fördern, und zwar mit einem
Familienbonus. Diesen Familienbonus bekommen aber nicht alle Menschen,
sondern nur Menschen, die mehr als das mittlere Einkommen in Österreich
verdienen. Wer weniger verdient, kann noch so sehr Familie sein. Es gibt
keine Förderung. So weit zum Slogan "Mehr Geld für die Familien".

Weiters will der jetzige Hausherr die Mindestsicherung verschärfen und
kürzen. Obwohl er selbst als Spitzenverdiener 14 Mal im Jahr 21.900 Euro pro
Monat vom Staat bezieht. erklärt er uns, dass ein Leben mit der
Mindestsicherung von 863 Euro im Monat in Österreich nicht nur ein gutes
Leben ermöglicht, sondern auch vom Staat noch viel zu großzügig bemessen
ist.

Und nun will er die Notstandshilfe abschaffen. Sehr familienfördernd! Wer
zukünftig arbeitslos ist, soll nur mehr ein paar Wochen - derzeit je nach
Alter zwischen 20 und 52 Wochen - sein Arbeitslosengeld erhalten. Dann wird
er oder sie ausgesteuert, wie es früher so schön wie hart geheißen hat. Es
bleibt ja, so Kurz, die Mindestsicherung! Die Mindestsicherung, die er
gerade senken will!

Abschaffung der Notstandshilfe bedeutet auch, dass niemand Geld bekommt, der
sich mehr als 4.300 Euro auf einem Sparbuch zusammengespart hat, der einen
Partner oder eine Partnerin hat, die ihn unterstützen könnte, der oder die
eine Lebensversicherung, eine Pensionsvorsorge oder einen Bausparvertrag
abgeschlossen hat. Noch schärfer: wer Eigentum angespart hat, kann in
Zukunft im Notstand Schritt für Schritt enteignet werden, weil sich der
Mindestsicherungsträger als Gläubiger ins Grundbuch eintragen lässt. Der
Notstand wird, man glaubt es kaum, zur Melkkuh für den Staat, der Kurz sein
üppiges Gehalt bezahlt.

Das also will der jetzige Hausherr wirklich! Sein Angriff auf die
Notstandshilfe zielt auf alle Menschen in diesem Land, die ihren Job
verlieren können. Jedes Jahr werden in Österreich 1 Million Menschen
arbeitslos. Etwa 345.000 fallen in die Notstandshilfe. Sie und ihre
Familienangehörigen - zusammen etwa 720.000 Menschen oder fast zehn Prozent
der Bevölkerung - sind nun in seinem Visier.

Die Schaffung der Notstandshilfe, liebe Freundinnen und Freunde, wurde
faktisch im Juli 1946 geschaffen, und zwar als unmittelbare Reaktion auf den
Nationalsozialismus. Nie wieder, sagten sich die GründerInnen der Zweiten
Republik, sollten Menschen durch Armut in den Extremismus und psychisches
Elend getrieben werden, wie es die Wienerin Marie Jahoda so anschaulich in
ihrer berühmten Studie "Die Arbeitslosen von Marienthal" beschrieben hat.
Die Schaffung der Notstandshilfe war also eine Lehre aus den katastrophalen
Erfahrungen angesichts des Entstehens des Nationalsozialismus. Nun sind es
Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache, die sie wieder abschaffen
wollen.

Wir haben keine Angst vor ihnen, aber wir sehen mit klaren Augen ihr neues
Menschenbild: Nur wer "leistet" wird bezahlt, nur wer "brav ist", wird
gefördert. Umgesetzt wird dieses Menschenbild zu neuen Bruchlinien in der
Gesellschaft führen - mehr als es ohnehin gibt.

Aber den sozialen Frieden in diesem Land werden wir sie nicht zerstören
lassen. Wir sind in der Lage zusammenzukommen, als Grüne, als
SozialdemokratInnen, als GewerkschafterInnen, als ChristInnen,
BuddhistInnen, als ArbeiterInnen, als Angestellte, als
Ein-Personen-Unternehmen, als Menschen, die mehr als 50% ihres Einkommens
für Wohnen ausgeben müssen und wir stehen auch Alkoholkranken am Praterstern
zur Seite.

Wir sind in der Lage zusammenzukommen und auszurufen: Wir lassen uns unsere
Zukunft nicht von Schwarzblau zerstören!
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Quelle:
http://birgithebein.at/2018/04/warum-die-abschaffung-der-notstandshilfe-jeden-und-jede-treffen-kann/



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