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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 15. November 2017; 17:27
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Debatten:
Zu B. Redl: "Der gute Politiker" (akin 22/2017)

> Geschockt

"Oder er ist ein Hitlerverehrer. Oder er hat seine Stiefkinder mißbraucht.
Ehrlich, ich wäre der erste, der eine Demo anmeldet, daß dieser Minister im
Amt bleiben kann, egal von welcher Partei er auch sein mag. Weil es mir egal
ist, was dieser Mensch sonst so treibt, solange sein politisches Engagement
segensreich ist."

Schwer geschockt hat mich obiger Text!

Ist es nicht naiv zu glauben, aus einem Neonazi, der aus Hitlers Ideologie,
die 60 Millionen Menschen unter grausamsten Umständen das Leben gekostet
hat, könne sich ein "segensreiches politisches Engagement" entwickeln?

Wer als junger Mensch, durch wen auch immer, im politischen oder relgiösen
Sinn INDOKTRINIERT wurde, könne sich eine solche Wandlung und Erleuchtung
vollziehen---ich glaube das nicht. Wer in solchen Kreisen aufwuchs, ist für
Redls hehre Ziele verloren.
*Helmut Hromadnik*

*

> Das "Gute" und das "Richtige"

Dass es, was "gute" Politiker betrifft, man leicht in bestimmte Denkfallen
tappen kann, habe ich grad erst bei einer Amnesty-Tagung wahrgenommen:bei
der die Geschäftsführerin von Amnesty Österreich beklagte,es gäbe nun keine
Partei mehr im Nationalrat,die sich für Menschenrechte einsetzt. Abgesehen
mal von der inhaltlichen Beliebigkeit Glawischnigs und ihrem extrem miesen
Verhalten gegenüber den Jungen Grünen habe ich dann schon unsre
Geschäftsführerin auf die NEOS angesprochen.

Sozialminister Hesoun, einer der bisher engagiertesten und kompetentesten
Sozialminister, war ein "Grapscher", der der Abgeordneten Waltraud Schütz
ins Rückendekollete gegrapscht hat.(rechtlich wurde er nie belangt, während
sie aus dem Nationalrat flog).

Also, wenn sich ein Politiker für die "richtigen" Dinge einsetzt, ist es
u.U. wohl tatsächlich nicht so schlau, wenn der dann nicht weiter tätig sein
kann - von den Inhalten her, die er vertritt, wird Pilz im Parlament sicher
fehlen, keine Frage. Und in diesem Sinne ist es wohl wirklich so,dass
Politiker, die sich inhaltlich für die "richtigen" Dinge einsetzen, besser
sind, als moralisch gute Menschen, die nie grapschen, die keine
Hitlersprüche von sich geben und auch sonst nie was Böses tun oder denken
oder sagen - aber inhaltlich von beliebig über unfähig bis untätig sind.

Und was schliesslich Strache betrifft: Norbert Hofer mit seiner Idee, aus
der Europäischen Menschenrechtskonvention auszusteigen, wäre als
Aussenminister ein Alptraum - aber Strache als Innenminister wäre inhaltlich
in der Tat keine Spur anders als seine "sozialdemokratischen" und
"christlichsozialen" Vorgänger!
*Gerhard Lehner*

*

> Antworten

.... auf Obiges

Von Zeit zu Zeit muß ich wohl was schreiben, was derart aufregt, um zu
sehen, ob das überhaupt noch wer liest. Neben diesen zwei Leserbriefen hab
ich auch sonst noch so einiges an Feedback bekommen -- teils positiv,
hauptsächlich aber negativ. Vielleicht habe ich in ein paar Formulierungen
überzogen, aber inhaltlich bleibe ich dabei: Politiker sind Angestellte des
Volkes, des angeblichen Souveräns. Sie sind für bestimmte Aufgaben bestellt
und haben bestimmte Pflichten in ihrem Job zu erledigen. Und so wenig es
andere Arbeitgeber interessiert, was seine Untergebenen sonst noch so
treiben, solange sie ihren Job gut machen, so wenig hat das Volk von
ausgemachten Saubermännern und -frauen, die in ihrem Job Scheiße bauen und
eben nicht die Interessen ihrer Wähler und Wählerinnen vertreten.

Nein, ich möchte jetzt nicht mit der Nazikeule kommen, aber die Idee des
moralisch hervorragenden Politikers ist sehr wohl vor allem von Hitler und
Co. verbreitet worden. Denn schon Bert Brecht meinte aus dem Exil, daß es
dem Volk nichts nutze, wenn es vom Kanzler höre, daß er nicht trinke und
nicht rauche und sich Tag und Nacht um das Wohl des Volkes sorge. Wenn es
hingegen so wäre, daß der Kanzler betrunken im Reichssaal läge und ein paar
Ungebildete, dem Rauch ihrer Zigarren nachsehend, die Gesetze so ändern
würde, daß es keine Armut mehr gäbe, wäre dies wohl dienlicher. (Verdammt,
der Brecht steht zu Hause und ist nicht googlebar, daher nur dieses
indirekte Zitat.)

Und ja, ich fürchte mich nicht vor einem Innenminister Strache. Soll der
schlimmer sein als Sobotka? Kaum vorstellbar. Ich erinnere an die Regierung
Kreisky -- da saßen vier "Ehemalige" in seinem ersten Kabinett. Zumindest
einer davon, Otto Rösch, war nie so wirklich bei einer antifaschistischen
Gesinnung angekommen. Bekannt war auch, daß er noch nach '45 für die
"Rattenlinie" tätig gewesen sein dürfte. Dieser wirklich nicht sehr
sympathische Mensch war in den Regierungen Kreiskys 13 Jahre lang Minister,
zuerst im Polizei- und dann im Heeresressort. Neo- und Altnaziaktivitäten
soll er gedeckt haben. Aber obwohl dies auch eine Zeit der Terrorhysterie
war und es im Gegensatz zu heute diesbezüglich ernsthafte Vorfälle
hierzulande gegeben hat (z.B. OPEC-Geiselnahme), waren die Forderungen
Röschs nach weiteren Polizeibefugnissen endenwollend -- im Gegensatz zu
sobotkaschen Machtphantasien. Generell war die kreiskysche Regierungszeit
nach so ziemlich allen Historikern und Kommentatoren segensreich für
Österreich -- und das mit Hilfe von ehemaligen und
Vielleicht-noch-immer-Nazis. Der Unterschied zu damals: Der Sozi Kreisky
bestimmte -- unter Mithilfe des damaligen Zeitgeistes, der halt nach
Modernisierung und Liberalisierung rief --, wo es politisch langzugehen
hatte. Faschisten aller Couleurs -- inclusive jener der Farbe Schwarz --
hatten inhaltlich nichts mitzureden. Wenn Strache Innenminister wird, dann
ist das nur deswegen ein Problem, weil ein schwarzer Möchtegern-Volkstribun
über ihm Kanzler sein dürfte.

"Gesinnung" ist in Österreich sowieso etwas, was an der Zugehörigkeit zu
Parteien und anderen Organisationen festgemacht wird. In der Linken hat man
manchmal den Eindruck, daß man mit dem Großkapital verpflichteten
Arschlöchern weniger Probleme hat als mit Leuten, die deutschnationalen
Organisationen angehören. Ja, ich brauche auch keine farbtragenden
Burschenschafter in der Regierung -- aber deswegen, weil sie eben (wie die
CVler) bourgeoisen Seilschaften angehören, die mit dem "einfachen Volk", das
leider so deppert ist, sie zu wählen, genau gar keine Gemeinsamkeit haben.
Ob sie daheim im Hobbykeller ein Hitlerbild hängen haben oder nicht, ist mir
da aber scheißegal.

Moral und soziale Verantwortung sind sehr wohl von einem Politiker zu
verlangen -- aber eben nur in seinem politischen Handeln. Der Rest ist mir
wurscht. Mögen muß ich ihn ja nicht.
*Bernhard Redl*



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