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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 8. November 2017; 20:20
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Glosse:

> Willkommen im Schlachthaus

Die österreichischen Wählerinnen und Wähler haben sich trotz eines
ordentlichen Wirtschaftswachstums, eines sich erholenden Arbeitsmarktes und
einer Lebensqualität, die in wenigen Staaten der Erde höher ist, für einen
radikalen Wechsel entschieden. Halt, nein, das ist schon wieder dieselbe
Propaganda, mit der die ÖVP unter Sebastian Kurz die Wahlen gewinnen konnte.
"Wechsel", "Veränderung" - Wechsel und Veränderung mit einer Partei, die
seit 30 Jahren ununterbrochen regiert? Die Leute haben es gefressen. Ein
Wechsel wird durchaus kommen, denn ÖVP, FPÖ und Neos haben zusammen die
Zweidrittelmehrheit und können aus Österreich jetzt machen, was sie wollen,
doch wird es eher eine Rolle rückwärts sein, eine konservative Revolution,
denn das ist das paradoxe Wesen rechter Revolten: Man will, das alles anders
wird, weil man sich vor Veränderungen fürchtet. Das Andere, das man
anstrebt, ist ein mystisches Gestern, eine erträumte Vergangenheit, in der
man selber noch jünger war und alles seine Ordnung gehabt zu haben schien.
Die Veränderungen, die man fürchtet, haben Gesichter, und zwar dunklere,
schwarze gar, und die Veränderung, die man wünscht, ist das Auslöschen der
dunklen Gesichter. Ob durch Abschiebung oder extremere Methoden interessiert
die Angsthasen nicht. "Weg mit denen!" wird gerufen.

ÖVP, FPÖ und Neos werden nicht nur dank ihrer bequemen Mehrheit ungestört
regieren können, sondern auch wegen der starken Sehnsucht nach ethnischer
und kultureller Säuberung im Lande. Wo die Massen verinnerlicht haben, dass
an allem "die Fremden" schuld sind und, so verkündet es die rechte
Propaganda und so glauben es viele, die "Linken", die die "Fremden" erst ins
Land gelassen hätten, werden diese auch an den sozialpolitischen
Schweinereien, die da kommen, die Schuld zugeschoben kriegen.
Rentenkürzungen, geschlossene Krankenhäuser, hungernde
Sozialhilfebezieherinnen, explodierende Obdachlosigkeit, Zwangsarbeit und
Knast, irgendwann auch Krieg - sind an allem die "Fremden" schuld. "Tut uns
leid", wird Kurz sagen, "aber ich muss euch weh tun, um den Fremden noch
viel mehr weh tun zu können". Diejenigen, denen man weh tun wird, werden
nicken und sagen: "Schlagt uns, aber bitte schlagt die Fremden, die mit den
dunklen Gesichtern, noch härter!".

Es wäre schön, handelte dieser Blogeintrag nur von Österreich. Leider
passiert das, was hierzulande geschieht, auf der ganzen Welt. Überall wählen
die Bevölkerungen einen Scheißdreck zusammen, als wäre auf irgendeiner
Vollversammlung aller Bewohner des Planeten beschlossen worden, Scheiße sei
von nun an Gold und Gold Scheiße. Hat das eine materielle Basis? Natürlich.
Es ist die Kombination aus einem ungeheuren technischen Wandel, der immer
rascher althergebrachte Fähigkeiten entwertet, und dem globalen Charakter
des Kapitalismus. Selbst in chinesischen Fabriken, wo tausende Menschen
dicht an dicht in riesigen Hallen sitzen und Smartphones zusammenschrauben,
weiß man oder ahnt es wenigstens, dass das bald Maschinen erledigen werden.
Und sogar Berufe in westlichen kapitalistischen Zentren, die als sicher
galten, sind es nicht mehr. Software und Robotik werden in Bereiche
vordringen und dort Menschen überflüssig machen, von denen man es sich heute
noch gar nicht vorstellen kann. Und als zwar ständig verdrängtes, aber immer
lauter werdendes Hintergrundgeräusch hören alle das Toben der Stürme und das
Krachen der abbrechenden Eisberge, die davon künden, wie rasch große Teile
dieser Welt unbewohnbar werden, da sich das Klima schneller ändert, als es
selbst pessimistische Wissenschaftler vorhergesagt haben.

In diesen Vorkrisen der ganz großen Krise, die gerade entsteht, haben
Staaten wie auch die gesamte Menschheit innerhalb des kapitalistischen
Systems nicht viele Möglichkeiten. Eine Möglichkeit wäre, die entstandenen
und noch wachsenden Oligopole so zu besteuern, dass damit das Überleben der
ökonomisch überflüssig gewordenen Menschen, die ihre Arbeitskraft nicht mehr
verkaufen können, finanziert wird. Neue globale Verträge müssten neben
Handelserleichterungen Maßnahmen beinhalten, mit denen ein Ausgleich
zwischen den Gewinnern und Verlierern des rasanten Wandels geschaffen werden
kann. Und man bräuchte Pläne, wie man das Überleben jener Hunderter
Millionen gewährleistet, die sich wegen des Klimawandels bald nicht mehr
ernähren werden können. Eine Zeit lang probierte man, in diese Richtung
immerhin zu denken und erste Verträge auszuarbeiten. Doch gibt es eine für
entscheidende Kapitalfraktionen viel bequemere "Lösung": Autoritäres
Regieren bei gleichzeitigem Aufhetzen der Bevölkerungen gegen Sündenböcke.
Arbeitslosigkeit wird "bekämpft", indem man Armut kriminalisiert und die vom
Kapitalismus ausgeschiedenen verrecken lässt, nachdem man erfolgreich die
Mär von der Eigenverantwortung in möglichst viele Köpfe gepflanzt hat. Da
das nicht mit großen Massen geht, wird man zunächst Minderheiten
drangsalieren und Vertretern der Mehrheitsbevölkerung die Chance geben, als
vom Staat bezahlte Schläger, vielleicht auch Mörder ihr Einkommen zu haben.
Auf jeden Fall wird man Minderheiten ethnischer, sexueller, politischer oder
gesundheitlicher Natur für alles Schlechte, das da kommt, verantwortlich
machen. Freiheiten, wie sie im Experiment des liberalen bürgerlichen Staates
als selbstverständlich missverstanden wurden, werden wieder einkassiert
werden. Massiv gefördert werden hingegen Wahnvorstellungen aller Art, seien
diese religiös, esoterisch oder rassistisch, denn nur Bevölkerungen im
Massenwahn werden ein System aufrechtzuerhalten bereit sein, das in sich
wahnhaft und widersprüchlich ist. Die ideologische Konditionierung ist
bereits weit fortgeschritten und die Menschenschlachthäuser, die in anderen
Teilen der Welt bereits arbeiten, könnten auch "bei uns" bald wiedereröffnet
werden.
(Bernhard Torsch auf seinem Blog)

https://lindwurm.wordpress.com




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