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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 20. September 2017; 16:38
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Fremdenrecht neu:

> Isolieren, Einsperren, Abschieben

Die neueste Gesetzesnovelle soll es leichter machen, abgelehnte
AsylwerberInnen abzuschieben. Der Widerstand gegen diese Entwicklungen
sollte sich auch erneuern.
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Es ist Wahlkampf. Seit einem Viertel Jahrhundert bedeutet das: von Halblinks
über Rechts bis Ganzrechts werden die Flüchtlinge als Quell allen Übels
vorgeführt. Waren es in den 1990er Jahren die Rumänen, später Afrikaner,
dann Tschetschenen sind es zuletzt Afghanen. Bisher betraf es immer nur die
"jungen Männer" weil hormongesteuert und Gefahr für "unsere" Arbeitsplätze.
Insofern ist der Angriff auf Sozialleistungen, die geflüchteten Familien
zustehen, eine neue Qualität, erklärt sich aber leicht aus dem eigentlichen
Ziel der Kampagne: Sozialleistungen für alle bedürftigen Familien zu kürzen,
auf ein Maß, das ein Überleben - von einem Leben in Würde ganz zu
schweigen - kaum noch ermöglicht. In mehreren Bundesländern wurde die
Mindestsicherung für Flüchtlinge bereits drastisch eingeschränkt und dieses
Werk ist wohl noch nicht vollendet.

Restriktive Gesetze

Das In-Kraft-Treten des Anti-Gesichtsverhüllungsgesetzes am 1. Oktober wird
wahlkampftechnisch von der ÖVP sicherlich weidlich ausgeschlachtet. Erst
nach der Wahl, am 1. November, werden die jüngsten Gesetzesverschärfungen im
Asyl- und Fremdenrechtsbereich in Kraft treten, für neue Restriktionen
sorgen. Worin bestehen diese Verschärfungen und welche Auswirkungen drohen
in der Praxis?

Einschränkung der Bewegungsfreiheit

Da sind einmal verschiedene Maßnahmen, die die Bewegungsfreiheit von
AsylwerberInnen einschränken. Schon bei der Zulassung zum Asylverfahren kann
"aus Gründen des öffentlichen Interesses, der öffentlichen Ordnung oder für
eine zügige Bearbeitung des Antrags" dem/der AsylwerberIn ein bestimmtes
Grundversorgungsquartier zugewiesen werden (Anordnung der Unterkunftnahme).

Betroffen sind davon vor allem Flüchtlinge, die ihren "Mitwirkungspflichten"
nicht nachgekommen sind oder einen neuen Asylantrag stellen obwohl sie
ausreisen müssten. Die Agenda Asyl kritisierte in einer Stellungnahme die
unklare Formulierung, die einen sehr weiten Anwendungsbereich ermöglicht.

Zweck dieser Regelungen scheint es zu sein, Flüchtlinge im Schnellverfahren
in gesonderten Quartieren in allen Bundesländern unterzubringen.

Darüber hinaus dürfen alle AsylwerberInnen nur noch in jenem Bundesland
wohnen, in das sie zur Grundversorgung zugewiesen werden
(Wohnsitzbeschränkung). Ob sie in diesem Bundesland tatsächlich
Grundversorgungsleistungen beziehen ist nicht von Bedeutung, die
Wohnsitzbeschränkung gilt beispielsweise auch, wenn einem Asylwerber
Grundversorgung entzogen wurde.

Dahinter scheint der Versuch zu stehen, insbesondere den Zuzug nach Wien zu
erschweren. Hier haben sich im Laufe der Zeit viele nicht abschiebbare
abgelehnte AsylwerberInnen niedergelassen und wurden aus humanitären und
sicherheitspolitischen Überlegungen in die Grundversorgung aufgenommen.

Druck zu "freiwilliger" Ausreise

Nach einem rechtskräftig negativen Bescheid und einer damit verbundenen
Rückkehrentscheidung können Flüchtlinge zukünftig in Ausreisezentren des BMI
(vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes) eingewiesen werden und
dürfen sich dann nur noch in dem politischen Bezirk aufhalten, in dem diese
Quartiere liegen. Die Strafen, mit denen ein Zuwiderhandeln drohen, können
saftig sein: bei erstmaliger Übertretung 100 bis 1.000 Euro, im
Wiederholungsfall mindestens 1.000 bis 5.000 - bei Uneinbringbarkeit drohen
Haftstrafen bis zu drei Wochen.

Die ausreisepflichtigen Personen erhalten kein Taschengeld oder sonstige
Zuwendungen, sondern nur noch Unterkunft, Verpflegung und medizinische
Versorgung. In solchen "Ausreisezentren" soll Rückkehrberatung und
Rückkehrvorbereitungen angeboten werden. Das Innenministerium hat die
Standorte dreier Ausreisezentrum bekannt gegeben: Krumfelden in Kärnten,
Fieberbrunn in Tirol und Steinhaus am Semmering in der Steiermark.

Erreicht werden soll damit in Verbund mit anderen Maßnahmen (siehe unten)
die Zermürbung von abgelehnten AsylwerberInnen, die jeder Handlungs- und
Bewegungsfreiheit beraubt, ihre Ausreise selbst organisieren sollen.

Durch mehrere Bestimmungen wird die Verpflichtung, an einer Rückkehrberatung
teilzunehmen, verstärkt.

Ab 1.November droht eine Geldstrafe von 5.000 bis 15.000 Euro, wenn jemand
mit einer rechtskräftiger Rückkehrentscheidung nach Ablauf einer
Ausreisefrist nicht ausgereist ist. Wer nicht bezahlt, kann bis zu 6 Wochen
in Haft genommen werden. Ebenso ist zu bestrafen, wer trotz Einreiseverbot
wieder einreist.

Bisher kam es immer wieder vor, dass Flüchtlinge zwar weder internationalen
Schutz noch einen humanitären Aufenthaltsstatus zuerkannt bekamen, aber
nicht abgeschoben werden konnten, weil sie keine Reisedokumente besaßen und
die Botschaft des Herkunftslandes auch keine Heimreisezertifikate für eine
Abschiebung ausstellte. Hier wird jetzt in der jüngsten Gesetzesnovelle ein
Zwangsmittel eingeführt: Das BFA kann per Bescheid dem abgelehnten
Flüchtling den Auftrag erteilen, selbst bei der Botschaft ein Reisedokument
zu beantragen und die Ausreise vorzubereiten. Wer nicht mitwirkt, kann mit
Beugehaft (die im Verwaltungsvollstreckungsgesetz § 5 verankert ist)
bestraft werden. So wird - zumindest gegenüber der Botschaft - aus einer
Abschiebung eine "freiwillige Rückkehr".

Wenn die Botschaft keine Papiere ausstellt bzw. wenn sich ein "Fremder" der
Abschiebung entzieht oder widersetzt (das betrifft nicht nur abgelehnte
AsylwerberInnen) der Abschiebung, kann bis zu 18 Monate lang Schubhaft
verhängt werden. Auch für Fälle, in denen die Abschiebung weniger schwierig
ist, weil z.B. Dokumente vorliegen, wurde die Schubhaft verlängert (nunmehr
drei Monate für mündige Minderjährige und sechs Monate für Erwachsene).

Abschiebungen und Widerstand

Die seitens der Behörden manchmal geäußerten Vorbehalte gegen ehrenamtliches
Engagement für Flüchtlinge, bestätigten sich in den letzten Monaten wieder
einmal: Wenn die Leute Flüchtlinge näher kennen lernen und eine menschliche
Beziehung, ja Freundschaft entwickeln, wollen sie Abschiebungen nach
rechtskräftig negativen Asylbescheiden nicht mehr akzeptieren.

Seien es Dublin-Rückführungen nach Kroatien, Abschiebungen nach Afghanistan
oder auch ins vergleichsweise friedliche Armenien: der "gesunde
Menschenverstand" begehrt auf, vor allem dann, wenn Menschen nach
jahrelanger Verfahrensdauer abgeschoben werden sollen.

Durch die neuen gesetzlichen Regelungen sollen AsylwerberInnen leichter
isoliert, durch erheblichen Druck zur "freiwilligen" Ausreise gezwungen oder
schnell abgeschoben werden.

Widerstand gegen Abschiebungen seitens Freunden und FlüchtlingshelferInnen
war bisher fast immer ein vereinzelter, Erfahrungen und Strategien wurden
kaum ausgetauscht. Es wäre an der Zeit, dass sich aus den vereinzelten
Aktionen so etwas wie eine Bewegung entwickelt, die strategisch vorgeht, und
die Behörden unter Druck setzt. Gemeinsame Ziele könnten sein: Stopp aller
Abschiebungen in Krisenregionen, eine vermehrte Anwendung der gesetzlichen
Möglichkeiten für ein humanitäres Bleiberecht und ein Bekenntnis für das
Ende des heillosen Dublin-Systems.
*Herbert Langthaler*

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Die asylkoordination sucht dringend Menschen, die Flüchtlinge im Rahmen des
Projekts connecting people als PatInnen unterstützen wollen. Infos und
Anmeldungen unter http://www.connectingpeople.at



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