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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 14. Juni 2017; 20:26
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Kommentierte Presseschau:

> Visumspflicht für alle

Von wegen Reisefreiheit: Wenn das kommt, was da von der EU-Kommission
ausbaldowert wurde, wird es keine Nicht-EU-Staaten mehr geben, als deren
Bürger man ohne Visum in die EU einreisen kann. "'Wir müssen wissen, wer
über unsere Grenzen kommt', sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Man wolle nach US-amerikanischem Vorbild (Esta) ein Reise-Informations-
und -Genehmigungssystem aufbauen: 'Etias' (Travel Information and
Authorisation System)." So berichtet die "Wiener Zeitung". Während für den
Waren- und Kapitalverkehr international so gut wie überhaupt keine Grenzen
mehr existieren, sind Menschen mit Nicht-EU-Paß auch weiterhin prinzipiell
verdächtig. "In Brüssel wurde ein Vorschlag vorgelegt, wie die Einrichtung
von Etias aussehen sollte: Konkret geht es darum, wie man Menschen, die aus
Ländern stammen, die nicht visumspflichtig sind, trotzdem an der EU-Grenze
erfassen kann -- indem deren Daten im Vorfeld der Einreise elektronisch mit
verschiedenen Datenbanken von Europol abgeglichen werden. Ähnlich wie bei
dem US-amerikanischen Vorbild Esta, soll man sich bei Etias im Vorfeld der
Reise auf einer Homepage mit seinen Passdaten registrieren, eine Gebühr von
fünf Euro zahlen und innerhalb von wenigen Tagen eine elektronische
Rückmeldung bekommen, die bei der Einreise zu touristischen Zwecken zumeist
positiv verläuft."

Diese Genehmigung wird man allerdings bei den als visumsfreien geltenden
Staaten natürlich nicht "Visum" nennen, weil das irgendwie pfui klingt: "Bei
der Etias-Genehmigung handelt es sich nicht um ein Visum, sondern um eine
einfachere und besucherfreundlichere Regelung. Staatsangehörige von Ländern,
für die eine Visaliberalisierung gilt, werden nach wie vor ohne Visum reisen
können, müssen vor ihrer Einreise in den Schengen-Raum jedoch eine einfache
Reisegenehmigung einholen." So betet es die WZ nach. Was der genaue
Unterschied zwischen einen Visum und einer "Reisegenehmigung" sein soll,
wird da allerdings nicht erklärt. Denn Visa-Bestimmungen waren immer schon
recht unterschiedlich: Da gab es alles vom Sichtvermerk, den man ohne
Aufhebens oder weitere Prüfung an der Grenze bekam, bis hin zur
Spezial-Genehmigung, die nicht ohne siebenmaligen Botschaftsbesuch und
Vorweis des Volksschulzeugnisses aller vier Großeltern zu bekommen war. Das
Visum, das man vor 1989 brauchte, um als Österreicher nach Ungarn zu kommen,
war auf alle Fälle weniger aufwendig als diese "Reisegenehmigung".

http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/europa/europaeische_union/856692_Einreisen-nur-mit-Registrierung.html

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> Iiiii, Gewerkschafter

Apropos Wiener Zeitung. Also, ich schimpfe ja auch gerne auf die Grünen.
Aber der Kommentar in der WZ zur Erstellung der grünen Landesliste für die
Nationalratswahlen ist ziemlich jenseits. Besonders die Wahl von Sigi Maurer
und Markus Koza ist dem Kommentator Bernd Vasari ein Dorn im Auge. Er
schreibt unter dem Titel "Grüne Genossen": "Mit der Wahl von Maurer und Koza
haben sich jene Kandidaten bei den Wiener Grünen durchgesetzt, mit denen die
Partei am wenigsten ihr eigenes Profil schärfen wird. Maurer steht für eine
Hochschulpolitik, die sich kaum von jener der roten Studentenorganisation
VSStÖ unterscheidet. Auch Koza nimmt als Gewerkschafter Positionen ein, die
genauso gut Platz in der SPÖ hätten."

Sicher wäre es erfreulich, wenn Leute wie Maurer und Koza bei der SPÖ was zu
sagen hätten -- nur sind sie genau deswegen nicht bei der SPÖ, weil in
dieser eben schon lange kein Platz mehr für solche Leute ist, zumindest kein
wählbarer Platz auf einer Kandidatenliste.

Wen will der Kommentator auf der Liste? Unpolitische Öko-Bobos mit
ÖVP-Anschlußfähigkeit? Davon gibts bei den Grünen genug, zur Schärfung eines
"eigenen Profils" tragen die aber nicht gerade viel bei.

Welche Themen für Vasari relevant sind, findet man dann weiter unter in
seinem Text: "Dass Zinggl nicht mehr gewählt wurde, sorgt in der Parteibasis
ebenso für Kopfschütteln. 'Der prominenteste Heumarktgegner auf Bundesebene
musste abgestraft werden', heißt es. Sein Nachfolger, Markus Koza, sei
hingegen ein Heumarkt-Befürworter." Solcher Art sind also die Themen, die
bundesweit relevant sind? In einem Land, wo manche Menschen betteln gehen
müssen, die Polizei schneller schießt als ihr Schatten und
Kollektivvertragsverhandlungen nur mehr unter dem Diktat der
Standortsicherheit stattfinden, ist die wichtigste Frage also der
Ensembleschutz in der verzopften Wiener Innenstadt, weil das ein paar
ästhetisch herausgeforderte Gutverdiener verschrecken könnte.

http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wien/stadtpolitik/897840_Gruene-Genossen.html

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> Grantiger Höchstrichter

Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), Gerhart Holzinger, hält es
für "sehr problematisch", wenn "immer, wenn etwas passiert im In- oder
Ausland", neue Gesetze angekündigt oder beschlossen werden. Den Menschen den
Eindruck zu vermitteln, mit einem Gesetz wären die Probleme zu lösen, "ist
auf Dauer für den Rechtsstaat äußerst belastend", stellte Holzinger im
Interview mit der APA fest. Er warnte vor der "Attitüde", auf jeden
Terrorakt oder spektakulären Kriminalfall mit verschärften Gesetzen zu
reagieren - ohne zu prüfen, ob die bestehenden Regelungen ausreichen. Man
müsse sich im Klaren sein, dass der Staat "absolute Sicherheit nicht
gewährleisten kann". So berichtet es ORF-online.

Jetzt warten wir nur noch auf den neuen Vorschlag des Innenministers,
Höchstrichtern zu verbieten, Interviews zu geben. Sowas gefährdet nämlich
ganz unbedingt die nationale Sicherheit.

http://orf.at/stories/2395028/

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> Justiz-Alltag

Ich kann es immer nur empfehlen: Man lese regelmäßig die Presseaussendungen
der Wiener Polizei und die Gerichtschroniken der Spießerblätter. Da findet
man das Elend in diesem Land und die wirklichen Probleme. Diese Woche im
"Kurier" zum Beispiel: "Zu 15 Monaten unbedingter Haft ist am Dienstag am
Landesgericht für Strafsachen ein 38-jähriger Wiener verurteilt worden, weil
er am 31. Dezember 2016 eine Zelle in einer Polizeiinspektion (PI)
angezündet hatte. Der Mann war nach einem Konflikt mit seiner Freundin, bei
der die Polizei auf den Plan gerufen wurde, im Arrest gelandet, da er
äußerst aggressiv war und sich nicht beruhigen ließ."

Einem Psychiater hatte der Mann erklärt, er hätte aus Selbstmordabsichten
die Matratze in der Zelle angezündet; vor Gericht meinte er dann, er hätte
nur leichtsinnig mit einem Feuerzeug gespielt. Die doch recht hohe Strafe
ist damit begründet, daß der Mann bereits 11 Vorstrafen auf seinem Konto
hatte. "Seit Jahren ist er alkohol- und drogensüchtig", schreibt der Kurier.

Jetzt stellt sich die Frage: Inwiefern ist eine solche neuerliche
Gefängnisstrafe mit spezial- oder generalpräventiven Gründen noch
argumentierbar? Da ist ein Mensch, der sein Leben verpfuscht hat in unserer
Ellbogengesellschaft. Vielleicht ist er nicht unbedingt der netteste
Mitbürger. Aber er wird im Häfen sicher nicht netter werden. Um
Resozialisierung kann es also nicht gehen. Helfen will ihm keiner. Die
Lösung: Wegsperren und hoffen, daß er nach seiner Haftstrafe draußen wieder
irgendeinen strafrechtlich relevanten Blödsinn macht, damit man ihn erneut
wegsperren kann. Das ist unser Sozial- und Rechtsstaat. Und in Sonntagsreden
wird dann wieder gejammert über den mangelnden sozialen Zusammenhalt in
diesem Land.

https://kurier.at/chronik/wien/zelle-in-wiener-polizeiinspektion-angezuendet-15-monate-haft/269.598.263

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Die Medien-Zitate beziehen sich, wenn nicht anders angegeben auf die
Online-Ausgaben. Zeitungsleser: -br-



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