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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 14. Juni 2017; 19:56
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Demokratie und Wahlen/Glosse:

> Linke Perspektiven

Wird es bei diesen Wahlen ausnahmsweise mal anders?

Würden die Wiener Grünen alleine kandidieren, bräuchte ich nicht groß
nachzudenken, wen ich wähle. Einmal abgesehen davon, daß die Bundespartei
die Spitzenkandidatin für Wien vorab diktiert hat und die Basis sich das
gefallen ließ, ist die Wiener Liste für die Nationalratskandidatur sehr in
Ordnung. Auch wenn keiner und keine von denen an wählbarer Stelle so
wirklich hundertprozentig meine Vorstellungen erfüllt -- das ist unter
Linken so üblich und eine gute Tradition, damit hätte ich kein Problem. Es
reicht, daß mit diesen Leuten kein Staat zu machen ist, wie sich das
Kern-Kurz-Strache-Konglomerat so vorstellt.

Allerdings gibt es da noch die Bundespartei -- und wenn deren neue Chefin
deklariert, unter welchen Bedingungen man mit einer ÖVP nicht koalieren
wolle, ist klar, daß die Grünen so ziemlich jeder Partei außer der FPÖ den
Mehrheitsmacher machen wollen, wenn deren Parteichef nur ganz lieb schaut.

Man blickt sich also nach anderen Möglichkeiten um für den Herbst. Da gäbe
es wie immer die KPÖ. Als alter Anarcho finde ich die natürlich sehr
praktisch -- ich kann eine praktisch ungültige Stimme abgeben, die aber ein
rotes Mascherl hat. Befürchten muß ich dabei nicht, daß irgendwer von der
KPÖ im Nationalrat orthodox-etatistischen Unsinn verbreitet und dem
Arbeitsfetisch huldigt, weil so eine Kandidatur eh chancenlos ist.

Aber natürlich schlagen da zwei Seelen ach in meiner Brust. Weil: Irgendwie
wäre es schon nett, wenn da ein oder zwei linke Störenfriede im Nationalrat
wären, die man nicht so leicht ignorieren kann. An den politischen
Verhältnissen etwas konkret ändern könnten diese kurz- bis mittelfristig
sowieso nichts. Das wäre Aufgabe einer Bewegung von unten, die die
gesellschaftlichen Paradigmen ändert, sodaß welche Regierung auch immer sich
genötigt sähe, einen "Teil des Weges gemeinsam zu gehen". Wenn eine solche
Bewegung aber auch eine Unterstützung im Parlament fände, wäre das schon
fein.

Einen Ansatz dazu liefert die Initiative "Echtrot". Die traf sich am Samstag
in der "Gussi" -- also auf KP-eigenem Boden, aber unter nur bedingter
Unterstützung der KPÖ. Im Gegensatz zu früheren Debatten um gemeinsame linke
Kandidaturen, in denen immer wieder einzelne Gruppierungen meinten,
hegemoniale Interessen durchbringen zu wollen, war dieses Treffen trotz
natürlich unterschiedlicher Vorstellungen von einer sehr solidarischen
Debatte geprägt. Mein Eindruck: Der Haufen hätte Potential, grosso modo war
man bereit, die doch sehr unerschiedlichen linken Strömungen unter einem
Dach zu vereinen -- Pragmatismus im guten Sinne herrschte im Saal. Nur: Die
KPÖ bestand darauf, daß sie diese Liste nicht unterstützen würde, wenn sie
nicht unter dem Label der eigenen Partei kandidieren würde. Der Vorsitzende
Mirko Messner verstieg sich sogar zu der Aussage, die KPÖ hätte die
"Pflicht" zu kandidieren.

Nunja, ich denke mir, die KPÖ sollte klipp und klar sagen, daß es ihr nur um
Wahlkampffolklore geht und sie keine Nationalratsabgeordneten einer linken
Liste möchte, weder der eigenen Partei noch andere -- denn genau das ist der
Effekt. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, daß eine linke Liste die
Mandatshürden überspringen kann, so ist völlig sicher, daß unter den
derzeitigen Bedingungen eine Kandidatur einer solchen Liste neben der KPÖ
gar keine Chancen hat.

Man kann sagen, daß Parlament ist eh witzlos, weil die Entscheidungen
woanders gefällt werden. Man kann sagen, daß nur der Druck
außerparlamentarischer Bewegungen wirklich etwas weiterbringt. So wirklich
widersprechen möchte ich da gar nicht. Aber wenn man eine neue Kraft im
Parlament etablieren möchte, dann muß man auch ein wenig über den eigenen
Schatten springen. Die Menschen, die ich da außer der KPÖ in der Gussi
erlebt habe, scheinen dazu bereit. Wenn die KPÖ da auch noch solidarisch
wäre, könnte das was werden. Auch wenn das vielleicht nicht vom Erfolg eines
Mandats gekrönt wird. Es wäre zumindest einmal ein guter Versuch einer
Linken, die gelernt hat, solidarisch zusammenzuarbeiten. Und das wäre schon
verdammt viel.
*Bernhard Redl*

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Anmerkung der Redaktion: Wir bekamen bezüglich der Beiträge für eine linke
Kandidatur in der letzten Ausgabe ein Protestbrieferl einer Abonnentin, die
akin solle doch keine Gegenkandidatur zu den Grünen unterstützen.
Nun, erstens tun wir das gar nicht, zweitens handelt es sich dabei nicht um
eine Gegenkandidatur zu den Grünen, sondern einfach um Ideen für eine
Kandidatur ohne Bezug zu den Grünen und drittens würden wir uns sehr freuen,
wenn wir auch bei dieser Wahl eine Erklärung von Grünen abdrucken könnten,
warum Linke sie wählen sollten.

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