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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 5. April 2017; 20:24
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International/Wirtschaft:

> Trumponomics

Die neue Handelsdoktrin der USA. Eine Analyse der deutschen *Gruppen gegen
Kapital und Nation*
*

Bereits während des Wahlkampfs sorgte Donald Trump, inzwischen der neue
Präsident der USA, mit seinen Auslassungen zur US-Handelspolitik für
Aufsehen. Sowohl seine Gegnerschaft zum Trans-Pacific Partnership (TPP) (1)
als auch seine Pläne zur Neuverhandlung des North American Free Trade
Agreements (NAFTA) mit Kanada und Mexiko haben weltweit für Aufregung
gesorgt. Dazu kam seine Ankündigung, dass die USA aus der
Welthandelsorganisation (WTO) austrete, würde die Organisation seine
Handelspolitik (vor allem seine Pläne für Zölle gegenüber Mexiko) gefährden.
(2)

Sollte derlei während seiner Amtszeit zur Realität werden, wäre dies ein
Bruch mit der bisherigen US-Handelspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg.
Allerdings muss sich erst noch zeigen, ob seine Regierung diese Vorschläge
tatsächlich umsetzen wird. Bislang hat Trump keine umfassende
handelspolitische Strategie vorgelegt, die Nominierung seiner
Kabinettsmitglieder für Handelsfragen ist gerade erst abgeschlossen und zu
so wichtigen handelspolitischen Themen wie TTIP hat Trump noch keine
detaillierten Positionen vorgelegt. Im Folgenden soll nicht über die
konkrete Handelspolitik Trumps spekuliert werden. Vielmehr soll anhand des
bislang Gesagten geklärt werden, warum trotz des deutlichen
Richtungswechsels zur Handelspolitik seiner Vorgänger eine große
Gemeinsamkeit bleibt: das Ziel, die nationale Reichtumsproduktion zu
unterstützen. Zweitens wird erklärt, in welcher Hinsicht Trump tatsächlich
von der bisherigen US-Handelspolitik abweicht und welcher Standpunkt
dahinter steckt.

Der selbe Zweck wie eh und je

Für Trump ist klar: Schuld an den aktuellen wirtschaftlichen Problemen der
USA sind erstens ausländische Staaten und ihre Kapitale und zweitens die
bisherigen US-Regierungen. Dem Ausland wirft Trump "Aussenhandelsbetrug" (3)
vor: Staaten würden dafür sorgen, dass sich ihre Kapitale keinem fairen
Wettbewerb mit den USA und ihren Kapitalen stellen müssen. Zu den von Trump
angeprangerten unlauteren Mitteln gehören u.a. staatliche Subventionen,
Importquoten für US-Produkte in Japan und "Währungsmanipulation" in China.

All das sind staatliche Schutzmechanismen für das jeweilige heimische
Kapital, die von der WTO bekämpft werden und bereits Gegenstand von
Streitigkeiten zwischen den USA und anderen Staaten waren. Auch bisherige
US-Regierungen haben diese Schutzinstrumente mit negativen Auswirkungen auf
US-amerikanische Kapitale kritisiert. So haben die USA auch in der
Vergangenheit bereits mit Strafzöllen und anderen Importregelungen reagiert
und offensiv - in Worten und Taten - ihr Interesse am amerikanischen Erfolg
über das "gute Funktionieren der Weltwirtschaft" insgesamt gestellt. (4)
Jedoch wurde in der politischen Kalkulation bislang so entschieden, dass die
Politik anderer Staaten kritisiert und gemäß der eigenen Güterabwägung mit
Drohungen und Versprechen konfrontiert wurde (z.T. auch weil solche
Maßnahmen indirekt und an anderer Stelle auch mal dem US-Interesse dienen
können). Als Verhandlungsmasse wurden sie im ständigen Gegeneinander
genutzt, um im Gegenzug Zugeständnisse von anderen Staaten zu erhalten.
Trump wirft nun denjenigen "'Handelspartnern" eine unfaire Handelspolitik
vor, über deren Erfolg er unzufrieden ist, wenn er sie im Verhältnis zu
unzureichenden US-Erfolgen betrachtet (z.B. Arbeitsplatzabbau in den USA,
Handels- und Leistungsbilanzüberschüsse exportstarker Nationen): Das könne
nicht mit rechten Dingen zugegangen sein, die betrieben eigentlich keinen
richtigen Freihandel; richtiger Freihandel würde US-Kapitalen zur
Durchsetzung verhelfen. Also hätten sie "unfair" gehandelt. Trump denkt vom
Resultat mangelnder Konkurrenzerfolge her. So kommt er auf Konkurrenten, die
diesen Erfolg verhindert hätten - aber nicht, weil sie überlegen gewesen
wären, sondern weil sie unlautere Konkurrenzmethoden angewendet hätten.
Daran wird deutlich, dass der Erfolg der USA für Trump keine Frage der
Konkurrenz ist (möge der Bessere gewinnen), sondern ein nationales Recht.
(5) Die USA sind für US-Nationalist*innen eben von vornherein "besser",
ihnen steht der Erfolg darum als Recht zu, und wenn es mit rechten Dingen
zuginge, würde er sich auch einstellen.

Darüber hinaus hätten es Trumps Vorgänger seiner Meinung nach versäumt, in
derlei internationalen Handelsgesprächen mit aller Macht auf US-Interessen
zu pochen und diese auch durchzusetzen. Sie seien an ihrer Aufgabe
gescheitert, die USA als starke und unnachgiebige Nation zu repräsentieren.
Hätten sie das getan, wären solche Zugeständnisse auch nicht notwendig
gewesen. Analog zum eben angesprochenen Recht der USA auf Erfolg macht Trump
an den Erfolgen anderer Staaten folgendes fest: Die hätten sich
durchgesetzt, was aber nur sein könne, weil US-Regierungen
durchsetzungsschwach gewesen seien, durch ihre Politik Amerika schwach
gemacht hätten und sie sich hätten ausnutzen lassen (was sich ja am Erfolg
der anderen Nationen zeige) - nicht für die anderen, sondern für Amerika
gehöre Politik gemacht.

Diese Kritik an den Vorgängerregierungen ist sachlich (wie alle WTO-Runden
und die Bedingungen von Freihandelsabkommen wie NAFTA oder die Verhandlungen
zu TPP und TTIP zeigen) Quatsch. Der 45. Präsident kündigt nun aber etliche
Güterabwägungen der vorherigen Regierungen auf - oder droht damit, um
Zugeständnisse durchzusetzen. So macht Trump deutlich, dass er
rücksichtsloser als seine Vorgänger auf US-Handelspartner zugehen wird. Er
ist der Meinung, dass die USA dank ihrer Stärke keine Kompromisse eingehen
bräuchten und internationale Verträge ganz in ihrem eigenem Interesse
abschließen können. Denn seiner Ansicht nach sei das bisher nicht so
geschehen, und so seien die aktuellen Probleme der US-Wirtschaft überhaupt
erst verursacht worden: "Amerika wurde die weltweit dominierende Wirtschaft,
indem es der weltweit dominierende Produzent wurde. Der geschaffene Reichtum
wurde weitgehend geteilt und schuf den größten Mittelstand, den die Welt je
gekannt hatte. Aber dann änderte Amerika seine Politik von der Förderung der
Entwicklung in Amerika hin zur Entwicklung in anderen Nationen. Wir
erlaubten es den fremden Ländern, ihre Waren zu subventionieren, ihre
Währungen zu entwerten, ihre Vereinbarungen zu verletzen und in jeder
erdenklichen Weise zu betrügen. Als Ergebnis flossen Billionen unserer
Dollars und Millionen unserer Arbeitsplätze nach Übersee. Ich habe Städte
und Gemeinden in diesem Land besucht, wo in den letzten 20 Jahren ein
Drittel oder sogar die Hälfte der Fertigungsjobs ausgelöscht wurde. Heute
importieren wir fast 800 Milliarden Dollar mehr an Waren als wir
exportieren. Dies ist nicht eine natürliche Katastrophe, es ist
politikgemachte Katastrophe. Es ist die Folge einer Führungsklasse, die dem
Globalismus statt dem Amerikanismus huldigt." (7)

Trump wirft der "politischen Klasse" vor, nicht das Wohl der eigenen Nation
im Sinn gehabt zu haben. (6) Damit liegt er falsch. Die Zwecksetzung der
Handelspolitik eines jeden westlichen Staates ist es, die eigene
Nationalökonomie zu stärken. Notwendig wird dann eine Politik, die dies
durchsetzt, auch gegen den Willen und zum Nachteil der anderen Staaten, die
dasselbe für ihre Ökonomie und ihren Standort wollen und damit an vielen
Stellen Gegensätzliches verfolgen. Dass US-Interessen an erster Stelle
stehen sollten, darin sind sich Trump als auch seine Lieblingsfeinde unter
seinen Vorgängern, Bill Clinton und Barack Obama, ausnahmsweise einig. So
freute sich Bill Clinton bei der Unterzeichnung von NAFTA 1993: "Amerika ist
dort wo es sein soll, wegbereitend, in der Führungsrolle" (8) und Barack
Obama machte 2016 mit folgenden Worten Werbung für TPP: "Amerika sollte die
Regeln machen". (9) Genauso liegen aber auch KritikerInnen falsch, die
behaupten, dass Trump gar nicht zum Wohle der Nation regieren wolle. So
twittert beispielsweise die demokratische US-Senatorin Elizabeth Warren:
"Amerikaner verdienen es zu wissen, dass der Präsident tut, was das Beste
für das Land ist -- nicht mit seinem Amt zu tun, was am besten für sich
selbst ist." (10) Der Standpunkt, von dem aus Trump seine Handelspolitik
plant und kalkuliert, ist ein und derselbe wie der aller bisherigen
US-Präsidenten. Sie alle verfolgen ein gemeinsames Ziel: Das nationale
Kapital muss wachsen. Nur darüber, wie dieses Ziel am besten erreicht wird,
herrscht Uneinigkeit. Ihre Uneinigkeit geht soweit, dass sie sich
gegenseitig des Vaterlandsverrats beschuldigen: Jede Seite meint, mit der
eigenen Strategie die Nation voran zu bringen und bestreitet, dass ihre
Kontrahenten dieselbe Zielsetzung haben.

Bilateralismus statt multinationaler Verträge

Während in den letzten Jahrzehnten die zentrale Strategie Washingtons auf
möglichst freien Handel - wenn auch zu US-amerikanischen Konditionen - durch
globale bzw. in den letzten Jahren zunehmend durch regionale Handelsverträge
setzte (11), kündigt der neue US-Präsident eine Kursänderung an: Um die
nationale Ökonomie zu stärken, plädiert Trump für mehr bilaterale Verträge
und mehr Protektionismus. In der Vergangenheit gab es - grob gesprochen -
zwei Strategien mit den wirtschaftlichen Problemen der USA umzugehen: Die
eine, demokratische, setzte auf die Durchsetzung von US-Interessen durch
Freihandel in möglichst großem Stil in Kombination mit einer Verbesserung
der heimischen Voraussetzungen und Bedingungen für das Wirtschaftswachstum
(Investitionen in die Infrastruktur, Einwanderung von nützlichen
Arbeitskräften, aber auch Bildungsoffensiven, Maßnahmen zum Erhalt der
Arbeiter*innenklasse wie die Krankenversicherung). Die andere,
republikanische Strategie setzte auf Verbesserung der Konkurrenzbedingungen
des US-Kapitals (weniger Steuern, weniger Gesetze) bei gleichzeitiger
"Korrektur" des globalen Freihandels durch bilaterale Verträge und Abkommen,
die zu großen, US-dominierten Freihandelsblöcken führen sollten. Beide
Strategien widersprechen einander nicht wirklich, haben sich aber in den
letzten Jahren häufig blockiert. Trump will nun die Kombination von beiden,
ohne Migration und ohne Verpflichtung auf das Ideal des Freihandels. Ob von
seiner groß angekündigten Investitionsoffensive viel übrig bleibt, wird sich
zeigen. Die neue Rücksichtslosigkeit in der Handelspolitik zeigt sich
jedenfalls schon jetzt. So stellte er nach seiner Wahl in einer ersten
Videobotschaft klar, was er am ersten Tag seiner Präsidentschaft vor hat:
"Das TPP zurücknehmen, eine potentielle Katastrophe für unser Land.
Stattdessen verhandeln wir faire, bilaterale Handelsverträge, die
Arbeitsplätze und die Industrie wieder in amerikanische Gebiete bringen".
(12) Dieses Versprechen hat er eingehalten und den Austritt der USA aus TPP
erklärt.

Von seiner Alternative, Handelspolitik in bilateralen Verträgen zu
betreiben, verspricht er sich, die wirtschaftliche Macht der USA besser
ausspielen und für eine im Verhandlungsergebnis bessere ökonomische
Schaden-Nutzen-Rechnung nutzen zu können. Mit dieser Einschätzung könnte er
sogar richtig liegen: Mit nur einem einzelnen Staat als Verhandlungspartner
hat die USA als politisch wie ökonomisch überlegene Macht wohl in der Tat
bessere Chancen, da kaum ein einzelner Staat der Weltmacht in der
internationalen Staatenkonkurrenz das Wasser reichen kann. Trump will also
sehr wohl weiterhin internationale Handelspolitik betreiben, jedoch nicht
länger in multi- oder plurilateralen Abkommen mit mehreren Ländern
gleichzeitig, da er befürchtet, dass die USA dann zu große Zugeständnisse
machen müssten und damit Einschnitte in die Interessen der USA erlauben
würden. Anders als seine Vorgänger, so verspricht er, würde er so dafür
sorgen, dass die USA nicht mehr auf Kosten der eigenen Interessen auf andere
zugehen müsse: " Die Ära der ökonomischen Kapitulation wird endlich vorbei
sein. Eine neue Ära des Wohlstands wird endlich beginnen. Amerika wird
erneut unabhängig werden. Unter einer Trump-Präsidentschaft wird der
amerikanische Arbeiter endlich einen Präsidenten haben, der sie beschützen
und für sie kämpfen wird." (13)

Für die Arbeiterklasse eher witzlos

Dieser "Schutz" der Arbeiter ist der zweite große Bestandteil seiner
bisherigen Handelsagenda. Sowohl Trump als auch Clinton sind mit dem gern
gehörten Versprechen angetreten, sich um das Wohl der Nation zu sorgen, sich
um die Bedürfnisse der amerikanischen Arbeiter*innen zu kümmern und ihnen
Arbeitsplätze zu verschaffen. Dabei wird verkannt, dass Lohnarbeit es in der
Regel nicht hergibt, dass mensch gut davon leben kann - sondern vielmehr
einen objektiven Schaden davonträgt. Denn um das Wohl der Nation mittels
einer erfolgreichen Nationalökonomie zu verwirklichen, muss das nationale
Kapital erfolgreich sein. Der Erfolg des Kapitals beruht aber darauf, dass
Lohnabeiter*innen ihr Leben lang in der abhängigen Position verbleiben,
welche sie jeden Tag aufs Neue zur Arbeit für andere zwingt, um so gerade
mal ihren Lebensunterhalt (und oft genug auch das nicht) sicherstellen zu
können. Dabei sollen die Lohnarbeiter*innen zu möglichst geringen Kosten so
intensiv wie möglich genutzt werden - und werden ggf. auch durch Maschinen
ersetzt, sollten diese in der Kosten-Nutzen-Kalkulation günstiger
abschneiden. An der miserablen Situation der Lohnarbeiter*innen ändert also
auch der so oft beschworene Erfolg der Nation nichts - auch wenn viele
Versprechen nach einem Arbeiterbeglückungsprogramm klingen, was sie aber
nicht sind. Ganz im Gegenteil: Der Erfolg der Nationalökonomie basiert auf
der Plackerei der Lohnarbeiter*innen. Wenn es nun durch die Öffnung der
Märkte mittels Freihandelsabkommen zu mehr Konkurrenz zwischen den Firmen
kommt, werden diese - um unter dieser verstärkten Konkurrenz überleben zu
können - ihr Personal noch mehr auf wachsende Leistung zu sinkenden Kosten
trimmen (wenn sie nicht den Produktionsstandort auch wegen geringerer
Lohnkosten ins Ausland verlegen). Mehr Konkurrenz heißt also mehr Lohndruck
und mehr abverlangte Leistung. Oft genug hilft der Staat noch nach: Von
staatlicher Seite wird das nationale Kapital in diesem Konkurrenzkampf
beispielsweise durch Arbeitsmarktreformen unterstützt, die dafür sorgen,
dass das nationale Lohnniveau "international konkurrenzfähig" wird, sprich
der Lohn gesenkt wird. So etwa, wenn der Staat passend zum gesteigerten
Lohndruck die Sozialleistungen senkt und damit die Arbeitskraft noch
billiger macht. Genau diese gesteigerte Konkurrenz ist für kapitalistische
Staaten ein wichtiger Weg zu mehr Wachstum, was sie mit einem Mehr an
nationalem Wohlstand gleichsetzen. Auf die Lage der Lohnarbeiter*innen hat
dies eher den gegenteiligen Effekt. Diese Dynamik gilt sowohl bei multi- als
auch bei bilateralen Freihandelsabkommen, in denen Staaten zu gegenseitigen
Zugeständnissen bereit sind - egal ob von Trump, Clinton oder Obama
politisch forciert. Auch durch den von Trump propagierten Protektionismus
sind eine verschärfte Konkurrenz und die für die Lohnarbeitenden
unangenehmen Folgen nicht einfach aus der Welt: Wenn Firmen mittels
Strafzöllen auf Importe gezwungen werden, ihre Produktionsstätten in den USA
zu behalten bzw. dorthin zurückzuverlegen, heißt das im Zweifelsfall, dass
sie aus politischen Gründen Abstriche an Profiten machen. Sie würden unter
den neuen politischen Bedingungen in den USA produzieren, was teurer wäre
als früher - aber immer noch billiger, als wenn sie im Ausland zwar billiger
produzierten, aber hohe Strafzölle zahlen müssten. Damit steigt der Druck an
anderer Ecke, effizienter zu produzieren, damit steigt auch der Lohndruck
und es wird den Arbeiter*innen mehr Leistung abverlangt. Nur so können
Unternehmen einerseits in den USA rentabel wirtschaften (und sich im
heimischen Markt behaupten), andererseits aber auch weiterhin im Ausland
beim Absatz der Produkte konkurrenzfähig sein. Nur wenn Trump tatsächlich
Deals für die USA abschließen sollte, in denen er ausschließlich
Zugeständnisse von anderen Staaten erhält, selbst aber keinerlei Kompromisse
eingehen müsste, ist ein steigender Konkurrenzdruck nicht vorprogrammiert.
Dazu müsste er aber eine ganze Reihe solcher Abkommen abschließen (US-Firmen
konkurrieren international ja mit Unternehmen aus vielen unterschiedlichen
Ländern). Ob die USA die dafür notwendige absolute Machtposition hat, ist zu
bezweifeln.

Kein reiner Protektionist

Auch wenn Trump sich für die Aushandlung anders gewichteter Abkommen stark
macht, ist er kein reiner Protektionist, wie oft behauptet wird. Sein Plan
ist schließlich nicht, einfach alle Freihandelsabkommen aufzukündigen.
Vielmehr möchte er nur jene Handelsabkommen nachverhandeln oder aufkündigen,
in denen seiner Meinung nach die USA schlecht abschneiden. In einem
Interview mit CNBC sagte er entsprechend im August 2016: "Aber wir werden
unbedingt weiter Handel treiben. Ich bin kein Isolationist. Und die glauben,
möglicherweise wäre ich einer. Ich bin das gar nicht. Ich bin ein
Freihändler. Ich will freien Handel, aber das muß ein fairer Handel sein. Es
müssen gute Abkommen für die Vereinigten Staaten sein". (14) Trump ist also
für Freihandel, so lange dies US-amerikanischen Interessen dient. Was er
dabei allerdings verkennt: Dies ist keine neue Prämisse. Kein Präsident vor
ihm hätte auch nur über ein Abkommen verhandelt, wenn er nicht gedacht
hätte, dass es US-Interessen dient. Um diese auch durchzusetzen, will er in
bilateralen Verhandlungen dafür sorgen, dass die USA stärker als bisher die
Spielregeln des Handels schreibt. Diese Regeln möchte Trump nun so
gestalten, dass es Freihandel gibt - aber nur so lange, wie er der USA
unmittelbar nützt; die anderen Staaten müssen sich tendenziell damit
abfinden, dass ihr Nutzen nicht der Maßstab von gemeinsamen Verträgen ist.
Ansonsten soll der Freihandel eingeschränkt werden: Wenn etwa zum Schutz
US-amerikanischer Kapitale protektionistische Maßnahmen wie z.B.
Einfuhrzölle notwendig sind, möchte er diese auch einsetzen können.

Angesichts der momentanen weltweiten Wachstumskrise des Kapitals werden
"alte" handelspolitische Instrumente von vielen Seiten wieder aus den
Schubladen gezogen, schließlich gilt es, das nationale Wirtschaftswachstum
anzustoßen - und da ist der Politik zuweilen jedes zur Verfügung stehende
Mittel recht, selbst wenn das international zum Konflikt führen könnte.
Dementsprechend kommen bestehende Verträge auf den Prüfstand und es wird die
Frage neu gestellt, wie hoch der nationale Nutzen von Freihandelsabkommen
für den Staat eigentlich ist. Profitiert die eigene Ökonomie nicht von einem
gegenseitigen Arrangement, taugt ein Handelsvertrag offensichtlich nicht als
Mittel in der internationalen Staatenkonkurrenz. Diese Abwägung wird
keineswegs nur in den USA und bei Trump vorgenommen: Bei den Verhandlungen
zu TTIP kamen bereits von vielen Seiten, in Deutschland vor allem von der
SPD, solche Überlegungen zum Tragen. Der damalige deutsche
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel etwa will TTIP "nicht um jeden Preis" und
ist auch nicht bereit, "sich den Amerikanern zu unterwerfen". (15) Für Trump
scheint in dieser Kalkulation ein Mehr an vereinbarter Kapitalfreiheit nicht
per se das Mittel für mehr Wachstum der US-Wirtschaft zu sein: Sein Slogan
lautet vielmehr: "Buy American, hire American!" - je amerikanischer das
Kapital, desto besser. Ob die Nationalität bzw. der Standort des Kapitals
alleine tatsächlich das Erfolgskriterium für die US-amerikanische Ökonomie
insgesamt sind, das wird sich noch zeigen. Trump will diesen Weg einschlagen
und setzt verstärkt auf die unmittelbare Förderung des nationalen Kapitals
sowie den Versuch, Produktionsstandorte ausländischer Kapitale in die USA zu
holen. Vor direkten Drohungen gegenüber heimischen Firmen wie dem
Klimaanlagenhersteller Carrier schreckt er dabei nicht zurück. (16) Dabei
setzt Trump auf die Abhängigkeit des nationalen Kapitals vom eigenen Staat,
die durchaus eine Grundlage hat: Jedes international agierende Kapital ist
auf seinen Staat als Garantiemacht in seinen auswärtigen Geschäften
angewiesen. (17) Ein Unternehmen kann dem heimischen Markt also nicht ohne
Weiteres den Rücken kehren und darf es sich dementsprechend nicht mit der
eigenen Regierung verscherzen. So lässt es sich dann auch leichter für
nationale Zwecke einspannen. Aktuell warnt Trump beispielsweise US-Firmen
wie Ford oder General Motors davor, ihre Fabriken in das Billiglohnland
Mexiko zu verlegen und von dort fertige Autos in die USA zu reimportieren.
Der US-Präsident wirft ihnen vor, den Vereinigten Staaten nicht treu zu
sein. Sie hätten bislang nur ihre eigenen Interessen verfolgt, aber nun
werde er dafür sorgen, dass sie sich wieder amerikanisch verhielten, also
auch wieder ihre Nation im Blick hätten. Trump mischt sich damit unmittelbar
in die Privatwirtschaft ein. (18) Weiterhin droht er gleich ganzen Staaten
wie etwa Mexiko, welches zur Sicherung der eigenen Nationalökonomie stark
auf Investitionen aus dem Ausland angewiesen ist - denn es produzieren nicht
nur US-Firmen Autos für den US-Markt in Mexiko, sondern auch deutsche
Unternehmen wie VW und Audi. Trump hätte nun gerne, dass all diese
Unternehmen, egal ob aus den USA stammend oder nicht, ihre Autos in den USA
herstellen und überzieht dementsprechend auch ausländische Firmen mit
solchen Forderungen. (19) Trumps Drohung ist somit auch global zu verstehen:
Er zeigt am Beispiel Mexiko sehr deutlich, dass in seinem Verständnis sowohl
US-Firmen als auch andere Staaten und ihre Kapitale sich dem Willen der USA
und ihren Interessen zu unterwerfen haben.

Die bislang verhandelten Freihandelsabkommen prangert Trump als einen
Verzicht auf die angeblich unverzichtbaren nationalen Mittel in der
Staatenkonkurrenz an (z.B. Exportbeschränkungen und Importzölle um die
eigenen Kapitale vor der ausländischen Konkurrenz zu schützen).
Freihandelsabkommen wie NAFTA hätten die Wirtschaft der USA anderen Staaten
preisgegeben und von ihnen abhängig gemacht. (20) Deswegen sieht Trump -
anders als die Obama-Regierung - in TPP auch kein Mittel, um die USA wieder
zum erfolgreichen Produktionsstandort zu machen. Für ihn werden in diesen
und weiteren Handelsabkommen (z.B. NAFTA, potenziell auch WTO) US-Interessen
untergraben - und zwar egal, wie objektiv rücksichtslos die USA bei all
diesen Verhandlungen in den letzten Jahrzehnten die Spielregeln diktiert
hat. Was Trump dabei übersieht: Mit oder ohne Abkommen sind die USA
ökonomisch von anderen Staaten abhängig, so wie auch andere Staaten von den
USA abhängig sind (wenn auch in unterschiedlichem Maße). Schließlich
bedeuten Handelsabkommen eigentlich eine gegenseitige Ausnutzung, das heißt
für jede Seite muss etwas Vorteilhaftes in Aussicht stehen. Trump will nun
aber, dass allein die USA an der Welt verdient und dass das amerikanische
Kapital dafür alle Möglichkeiten bekommt, ohne anderen Staaten dieselben
Möglichkeiten - zumindest nicht in der Allgemeinheit - zu eröffnen. Wie eine
Handelspolitik aussehen soll, die nun ausschließlich nach US-Interessen
gestaltet ist und keinerlei Zugeständnisse von US-Seite enthält - und wie
realistisch sie in Verhandlungen durchsetzbar ist, scheint für Trump aktuell
weniger relevant. Ihm geht es darum, nochmal rücksichtsloser den eigenen
Nutzen, und wenn's sein muss, auch zum Schaden der anderen Nationen
durchzusetzen: Die eigene Macht soll an möglichst wenig relativiert werden.
Jede ökonomische Nutzen-Schaden-Rechnung - wie sie eben bei Verhandlungen zu
Freihandelsabkommen ständig und von allen Seiten aufgemacht werden - wird
für Trump zur viel generellen Frage danach, wer sich von wem überhaupt
Bedingungen gefallen lassen muss, wer wem ein Entgegenkommen und
Zugeständnisse abringen kann. Für Trump ist deswegen bei den Verhandlungen
vor allem entscheidend, dass die anderen Länder die Führungsmacht der USA
und zwar ohne Abstriche anerkennen. Aus der Sicht Trumps hat sich die USA in
dieser Frage bislang nicht rücksichtslos genug gegenüber dem Rest der Welt
verhalten. Für ihn gilt unumstößlich, dass die Interessen der USA - und zwar
ausschließlich der USA - bei allen internationalen Verhandlungen an erster
Stelle stehen müssen. Dieser Prämisse haben sich seiner Meinung nach nicht
nur alle anderen Staaten, sondern auch die US-amerikanischen
Lohnarbeiter*innen und ihre Bedürfnisse, bedingungslos unterzuordnen.
(gekürzt, Übersetzungen der englischen Zitate: akin)


Anmerkungen:
1) Trump hat gleich am ersten Arbeitstag seiner Präsidentschaft für den
Austritt der USA aus TPP gesorgt. Bevor Trump TPP aufkündigte, war es
bereits fertig verhandelt und unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert.
2) https://www.ft.com/content/d97b97ba-51d8-11e6-9664-e0bdc13c3bef
3) Donald Trump: Disappearing middle class needs better deal on trade,
http://usat.ly/1pq0P6D
4)An diesem Problem laborieren die US-Regierungen seit den 1970er Jahren
herum: Einerseits sind die USA der politische Hauptgarant des weltweiten
Kapitalismus, und er würde ohne ihre politischen und militärischen Garantien
und ohne ihre wirtschaftliche Potenz nicht so funktionieren, wie er das tut.
Dennoch wollten sich die USA deswegen nicht auf den Standpunkt eines
ideellen Weltgesamtkapitalisten verpflichten lassen, sondern den Anspruch,
auch Hauptprofiteur der Weltwirtschaftsordnung zu sein, einlösen.
5) Trumps Logik zeigt sich gut an seinem Vorwurf, China habe seine Währung
nach unten hin "manipuliert": China hat innerhalb des letztens Jahres seinen
Devisenschatz um etwa eine Billion US-Dollar gesenkt, um seine eigene
Währung zurückzukaufen. China hat also für mehr Nachfrage nach seiner
Währung gesorgt, um deren Wertverfall im Zuge schrumpfender Wachstumsraten
entgegen zu wirken. Faktisch hat es also ungefähr das Gegenteil von dem
gemacht, was Trump China vorwirft. Trump macht einfach am
US-Handelsbilanzdefizit und chinesischem Überschuss fest, dass China unfair
gehandelt haben müsse. Amerikas Misserfolg gehöre sich einfach nicht.
6) Trump sieht dabei ganz von der aktuellen wirtschaftlichen Situation der
USA im Verhältnis zu anderen ökonomischen Entwicklungen wie etwa der
Automatisierung ab.
7)
http://www.politico.com/story/2016/06/full-transcript-trump-job-plan-speech-224891
8) http://millercenter.org/president/speeches/speech-3927
9)
https://www.washingtonpost.com/opinions/president-obama-the-tpp-would-let-america-not-china-lead-the-way-on-global-trade/2016/05/02/680540e4-0fd0-11e6-93ae-50921721165d_story.html?utm_term=.e5e4a9022f2c
10)
www.huffingtonpost.com/entry/elizabeth-warren-trump-conflicts_us_58728387e4b099cdb0fd8845
11) Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das GATT (General Agreement on Trade
and Tariffs) gegründet, welches 1995 in die WTO (Welthandelsorganisation)
überging. Das GATT fing mit ca. 20 Mitgliedern an, sind heute 164 Staaten
Mitglied der WTO. In den 1990er Jahren wurden zunehmend zusätzliche
Freihandelsabkommen zwischen zwei oder mehreren Staaten (bzw.
Staatenbündnissen wie z.B. die EU oder ASEAN) geschlossen. In den 2000ern
kamen hierzu zunehmend große Projekte (im Sinne von: viel Wirtschaftskraft
umfassend), wie TPP oder TTIP.
12) Donald Trump zu TPP, 22.11.2016, erste politische Rede nach der Wahl
(zitiert aus der Videobotschaft),
www.telegraph.co.uk/news/2016/11/21/donald-trump-will-withdraw-us-tpp-day-one-gives-major-policy/
13) Trump speech,
www.politico.com/story/2016/06/full-transcript-trump-job-plan-speech-224891
14)
www.telegraph.co.uk/business/2016/11/22/difference-ttip-tpp-does-donald-drump-want-scrapped/
15)
www.spiegel.de/politik/deutschland/ttip-sigmar-gabriels-kuehles-kalkuel-a-1110136.html
16) Carrier ist ein Klimaanlagenhersteller aus Indiana, der geplant hatte,
Arbeitsplätze nach Mexiko zu verlagern.
17) Kommt es bei Tätigkeiten im Ausland zu Streitigkeiten, kann sich das
auswärtig tätige Kapital an seinen Heimatstaat wenden, um seine Interessen
auf politischer Ebene auch im Ausland in Anschlag zu bringen, z.B. durch
diplomatische Bemühungen seines Heimstaates.
18) Eigentlich ist ein derartiges Einmischen der Politik in die
Privatwirtschaft in den USA insbesondere bei Konservativen ein No go, dass
als "Big Government" beschimpft wird. Es ist aber ein gutes Beispiel dafür,
dass nicht das Kapital die Fäden zieht und Politiker eh nur Marionetten im
Interesse großer Unternehmen seien. Vielmehr diktiert hier der Staat, nach
welchen Regeln seine Unternehmen zu wirtschaften haben. Aktuell hat Ford als
Reaktion auf Trumps Drohungen bereits angekündigt, doch nicht in Mexiko
herzustellen - inwieweit wirklich wegen Trumps Drohung oder wegen anderer
Überlegungen, ist unklar.
19)
www.economist.com/news/business/21713899-instead-it-emphasised-new-investment-and-jobs-michigan-ford-motors-courts-donald-trump
20) In seiner "Jobs plan speech" erklärt er entsprechend sein Ziel, die
wirtschaftliche Unabhängigkeit der USA wieder herzustellen, die Rede ist
überschrieben mit: "Declaring America's Economic Independence",
www.politico.com/story/2016/06/full-transcript-trump-job-plan-speech-224891



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