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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 5. Oktober 2016; 17:21
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Beispiele für die Wiener Wohnpolitik:

> Taborstraße 18: Rot-blau beschließt Abriss

Der Ausdruck "Kuckucksei" ist wohl leicht untertrieben für das, was
Noch-Bezirksvorsteher Karlheinz Hora (SPÖ) seiner frisch gewählten
Nachfolgerin Uschi Lichtenegger von den Grünen hinterlässt. Die von ihm mit
angestrebte Erweiterung des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in der
Wiener Leopoldstadt bedeutet, dass mindestens ein Haus in der Taborstraße 18
"entmietet" und abgerissen werden muss. Davon erfuhren die BewohnerInnen
dieses Hauses gestern zufällig durch einen Nebensatz in einem
"Standard"-Artikel. Sogar die BezirksrätInnen der letzten Sitzung der alten
Bezirksvertretung, die am 27.9. tagte, bekamen die Infos erst kurz vor ihrer
Entscheidung. Der SPÖ-Antrag, mit dem Planungsstadträtin Maria Vassilakou
unter Druck gesetzt werden soll, war überfallsartig eingebracht worden. Er
wurde schließlich mit der Mehrheit von SPÖ und FPÖ angenommen.

Ein Architekturjuwel ist nun Abrissobjekt

"Hilfe, mein Haus wird zum Abriss freigegeben!" Durch einen Nebensatz eines
Standard-Artikels erfuhren die rund 100 BewohnerInnen des Objektes in der
Taborstraße 18/Schmelzgasse 2, was ihnen bevor steht. Das Haus ist
tatsächlich ein Architetkturjuwel. Es wurde vom Architekten des Parlaments,
Theophil Hansen, von 1847-1849 als Hotel National errichtet und steht heute
in einer Schutzzone. Zudem bietet es rund 100 Menschen günstigen Wohnraum,
die im Falle des Abrisses sicher aus dem zweiten Bezirk verdrängt werden
würden.

Die Barmherzigen Brüder erweitern

Vor zehn Jahren haben die Barmherzigen Brüder das Objekt in der Taborstraße
gekauft. Jetzt wollen sie das Krankenhaus um 20.000 Quadratmeter erweitern,
weiters soll eine öffentliche Parkgarage entstehen. Daher wird vermutet,
dass neben der Taborstraße 18 noch ein weiteres Haus von den Abrissplänen
betroffen sein könnte. Gerüchte über die Erweiterung des Krankenhauses gibt
es zwar schon länger. Aber die MieterInnen wurden auch auf Nachfrage niemals
über konkrete Pläne informiert. "Vor einigen Monaten gab es eine Begehung
aller Wohnungen, vor etwa einem halben Jahr wurden im Keller diverse
Messungen und Arbeiten durchgeführt", berichtet ein Bewohner.

Preisgünstige kleine und mittelgroße Wohnungen

Im Haus mit etwa 4000qm Wohnfläche werden 136 Türnummern gezählt, hinter
denen sich preisgünstige Wohnungen befinden, von sehr klein bis mittelgroß,
einige mit Klo und Dusche am Gang. Seitdem die Barmherzigen Brüder
Eigentümer sind, wird das Haus systematisch verwahrlost, nur das
Allernotwendigste wird repariert. Ein Vorgehen, das bereits aus der
Hetzgasse 8 im dritten Bezirk bekannt ist. Die Situation der Verwahrlosung
wird bewusst herbei geführt, weil nur so der Abriss eines Gebäudes in einer
Schutzzone erfolgen kann.

Wie es nun in der Leopoldstadt weiter geht? Der scheidende Bezirksvorsteher
Hora (SPÖ) hat die rot-blaue Mehrheit im Bezirk zu einem kleinen
Machtspielchen benutzt. Leidtragende sind die BewohnerInnen, und wohl auch
die Barmherzigen Brüder. Die ließen nämlich der Zeitung "Die Presse" wissen,
dass sie kein Interesse daran haben, dass die Situation derart eskaliert.

Hetzgasse 8: Vom Symbol für Spekulation zum guten Beispiel für Realpolitik?

Fortschrittliche Realpolitik ist möglich, auch in Wien. Das Beispiel der
Hetzgasse 8 im dritten Bezirk, die ein Symbol für den Kampf gegen
Gentrifizierung geworden ist, zeigt möglicherweise: Gegen die Verdrängung
der Bevölkerung aus der Innenstadt lässt sich tatsächlich etwas unternehmen.
Der Wiener Gemeinderat hat letzte Woche mit den Stimmen von SPÖ und Grünen
für das Weißgerber- und das Radetzkyviertel eine Schutzzone verhängt. Das
Gebäude in der Hetzgasse 8 wird also vorerst nicht abgerissen - ein
Beschluss, der auch auf andere Gründerzeithäuser in Wien ausstrahlen könnte.
Entscheidend ist nun, wie mit dieser Entscheidung im Rücken erreicht werden
kann, dass preisgünstiger Wohnraum erhalten und nicht luxussaniert wird.
*Sebastian Reinfeldt* auf Semiosis.at/gek.

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Volltexte:
http://www.semiosis.at/2016/09/28/leopoldstadt-rot-blau-beschliesst-abriss/
http://www.semiosis.at/2016/09/30/hetzgasse-8-vom-symbol-fuer-spekulation-zum-guten-beispiel-fuer-realpolitik/

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> Zwei Wiener Initiativen zur Thematik

http://mietenwahnsinn.rechtaufstadt.at
"Die Initiative 'Mietenwahnsinn stoppen!' will einen kritischen Blick auf
aktuelle städtische Transformationsprozesse in Wien werfen und gegen ihre
negativen Auswirkungen ankämpfen. Wir wollen mit der hegemonialen
Selbstdarstellung der Stadt brechen und nicht nur auf die soziale
Ungleichheit im Wohnungsbau hinweisen, sondern auch positive Utopien
jenseits der paternalistischen SP-Grünen Stadtpolitik entwickeln, die auf
Aktivierung und Selbstermächtigung setzen, anstatt auf eine intransparente,
klientelistische Vertretungspolitik."
https://www.facebook.com/mietenwahnsinn/

*
http://www.stadtlos.at/
"Die neoliberale Stadtpolitik bzw. Planung fördert nicht nur
Kommodifizierung von städtischen Ressourcen, Segregation und die
Marginalisierung von Gruppen (zum Beispiel Kinder und Jugendliche), sondern
drängt das keynsianische Wohlfahrtsstaatsprinzip immer weiter zurück und
dereguliert soziale Umverteilungsprozesse zu Gunsten der Marktlogik. Gegen
diese neoliberale Stadtpolitik, deren Inhalt die Positionierung,
Attraktivierung und Vermarktung städtischer Ressourcen ist, haben sich
unterschiedliche Protestbewegungen globalumspannend formiert und fordern das
Recht auf Stadt für alle ein und versuchen gegen die neoliberale Hegemonie
zu kämpfen."
"Wir sind ein 20-köpfiges basisdemokratisch organisiertes und
konsensorientiertes Kollektiv an Raumplanungsstudierenden und sehen uns
selbst als eine Art gegenhegemoniales Konzept zur verschulten universitären
Lehre."
https://www.facebook.com/Stadtlos-1638209719770065/



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