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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 5. Oktober 2016; 17:27
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Wien:

> Widerstand gegen Flughafenausbau

Seit über einem Jahrzehnt ist eine dritte Flugpiste in Wien-Schwechat in
Planung. Die Umsetzung kann jederzeit beginnen - dennoch schweigt ganz Wien.
Kaum jemand weiß Bescheid über die Ausbaupläne, der bisherige Widerstand der
Bürgerinitiativen blieb unbemerkt.

Die geplante dritte Flugpiste soll der massiven Steigerung des Flugverkehrs
dienen, Schwechat soll zum Drehkreuz werden. Rund 760 Hektar Fläche würde
das Projekt in Anspruch nehmen, darunter vorwiegend Ackerfläche . Betroffen
wären auch 20 Hektar Wald sowie Schutzgebiete von seltenen Tieren . Die
Flugbahn würde den Flugverkehr genau über die Ballungszentren des Grossraums
Wien leiten, wovon mindestens 350.000 Menschen betroffen wären.

Alles begann im Jahr 1998 mit einem "Masterplan" für den Flughafenausbau.
Wien brauche eine 3. Flugpiste, um dem Wachstum des Flugaufkommens gerecht
zu werden, hieß es. Inzwischen weiß man durch eine neue TU-Studie: Es
besteht kein Bedarf an der 3. Piste, es gibt ausreichend Kapazitätsreserven.
Der geplante Ausbau soll das Flugaufkommen vielmehr ankurbeln und Wien als
relevante Drehscheibe am europäischen Markt durchsetzen. Transferflüge
werden durch Anreize wie die hierzulande erlaubten Nacht-Starts und
Landungen angelockt. Auch will Wien als "Air Cargo" Flughafen mithalten -
immer mehr Güter werden weltweit per Flugzeug transportiert.

Am Flughafen Wien würde eine 3. Piste gemäß der Flughafenprognosen zum
erwarteten Flugwachstum den zwei- bis dreifachen Anstieg der CO2-Emissionen
gegenüber 2003 verursachen. Werden die anderen klimaschädlichen Auswirkungen
des Fliegens mit einberechnet (Rußpartikel, Stickoxide, Zirruswolken), so
kommt man gar auf etwa 10 Millionen Tonnen klimawirksame Emissionen pro Jahr
(B. Buschbeck, Neue Abschätzung). Zum Vergleich: Der gesamte österreichische
Straßenverkehr produziert derzeit etwa 22 Millionen Tonnen pro Jahr. Der
Flughafen Wien wäre damit gleich hinter der Voest der zweitgrößte Emittent
in Österreich.

Im Jahr 2013 zählten die sechs Flughäfen Österreichs (Wien, Linz, Graz,
Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt) zusammen rund 26,3 Millionen Passagiere. 84
% entfielen auf den Flughafen Wien-Schwechat. 90,7 % aller Flüge in
Schwechat sind laut VCÖ Kurzstreckenflüge. Diese haben wegen des hohen
Treibstoffbedarfs bei Start und Landung eine besonders schlechte Klimabilanz
und könnten problemlos durch Zugverkehr ersetzt werden.

Grünes Flugwachstum?

Flugverkehr ist der in der EU und weltweit am stärksten wachsende und
klimaschädlichste Verkehrssektor. Die UN-Luftfahrtorganisation ICAO erwartet
einen 3- bis 7-fachen Anstieg der Emissionen durch Luftfahrt bis 2050.
Dennoch behauptet die ICAO, das Wachstum alsbald «klimaneutral» gestalten zu
können: Die Idee ist, die Emissionen über C02-Kompensationsprojekte
(Offsets) anderswoauszugleichen. Dies können beispielsweise Baumplantagen
oder Wasserkraftwerke im Glob alen Süden sein -- die ihrerseits oft sehr
problematisch sind. Ein Ablasshandel soll somit ermöglichen, dass die
Flugindustrie weiter wachsen und sich gleichzeitig als grün präsentieren
kann . Die Entscheidung der ICAO soll in deren Versammlung fallen, noch bis
zum 7.Oktober in Montreal tagt.

Wien ist kein Einzelfall

«Nein zum Ausbau des Flugverkehrs - keine falschen Klimalosungen!» lautet
der Titel einer derzeit laufenden globalen Unterschriftenkampagne. Die
Flugindustrie müsste schrumpfen, statt wachsen. Die Steuerfreiheit von
Kerosin und Flughäfen endlich abzuschaffen und Zugverkehr auch preislich zu
fördern , wären erste wichtige Schritte in die richtige Richtung.

Hunderte von neuen Flughäfen oder Erweiterungen sind weltweit geplant.
Vielerorts setzt sich die lokale Bevölkerung gegen diese Projekte ein -- am
bekanntesten wurde in den letzten Jahren der Widerstand in
Notre-Dame-de-Landes (Nordwestfrankreich) oder auch in Heathrow (London).
Erstmals beginnt nun die globale Vernetzung der einzelnen Flughafenkämpfe
und es waren globale Aktionstage Ende September / Anfang Oktober
projektiert. In Wien lautete das Motto: "Stopp 3. Piste am großen Aktionstag
am 1. Oktober, der um 10:30 Uhr am Wiener Karlsplatz begann. Von dort
machten sich etwa 200 Menschen - viele davon schon vorher von einem
Klimacamp in Enzersdorf an der Fischa angereist - mit Rädern auf den 20
Kilometer langen Weg zum Flughafen.

(Mehrere Texte der NGO "System Change not Climate Change" von deren Homepage
und aus der Zeitschrift "Archipel" zusammengeschnitten und bearbeitet)

Nähere Infos:
http://systemchange-not-climatechange.at

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Die Politik

Im Wiener Rathaus beschuldigen sich Grüne und FPÖ wechselseitig, nichts
gegen den zunehmenden Flugverkehr über Wien zu tun. Der Verkehrssprecher der
Wiener FPÖ nennt in einer Aussendung die Wiener Grünen "Lobbyisten der
Flugverkehrsindustrie". Die Grünen kontern, daß sie nach wie vor für die
Bekämpfung des Fluglärms und gegen den Bau der dritten Piste seien. Im
Übrigen habe schon 2012 ein FPÖ-NÖ-Landtagsabgeordneter per Presseaussendung
gemeint, es wäre "höchst an der Zeit, den positiven Baubescheid für die 3.
Piste am Flughafen Schwechat nun in die Tat umzusetzen und endlich mit den
Bauarbeiten zu beginnen". Was das eigene Engagement gegen ansteigenden
Flugverkehr angeht, so verweisen die Grünen auf die SPÖ: "Leider sind wir
Grüne nicht für das Thema Fluglärm zuständig, welches zum Ressort von
Umweltstadträtin Sima gehört. Deshalb ist bei diesem Thema in den letzten
Jahren - zugegebenermaßen - zu wenig weiter gegangen" schrieb Gemenderat
Rüdiger Maresch schon vor einem Jahr in einer Aussendung. (akin)

Das Kapital

Die Flughafen Wien AG (FWAG) ist ein börsennotiertes Unternehmen. 38%
gehören der Tochterfirma eines australischen Pensionsfonds, 20% der Stadt
Wien, weitere 20 % dem Land Niederösterreich und 10% der flughafeneigenen
Mitarbeiterstiftung. (systemchange-not-climatechange.at)



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