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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 14. September 2016; 12:50
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Wahlen:

> Keep it simple, stupid!

Unser Innenminister ist schon lustig. Sein Sager "Das ist ein technisch
äußerst komplexes Kuvert" ist im Netz ja bereits viral. Jetzt kommt er
darauf, daß man eigentlich ein stinknormales Kuvert, ähnlich denen, wie sie
der Papierfachhandel anbietet, auch hätte nehmen können. Warum hat man dann
eigentlich überhaupt diese "Hi-Tec"-Produkte verwendet? Hat da irgendwer
extra daran verdienen wollen?

Trotz aller Schlampereien bei den Wahlkommissionen, die im Zuge der
Verfassungsgerichtshofsentscheidung bekannt geworden sind, wurde doch auch
klar, daß die klassische Abstimmung im Lokal immer noch das sicherste
Wahlverfahren ist. Warum? Weil es transparent und einfach ist. Die
Einführung des Briefwahlsystems hat das alles ein wenig kompliziert, aber
auch dieses hätte man einfacher gestalten können. Unabhängig von "Uhugate"
sind auch bislang schon viele Stimmen für ungültig erklärt worden, weil das
Außenkuvert falsch ausgefüllt, nicht unterschrieben oder sonst irgendwie
formal fehlerhaft war.

Die ganze Geschichte erinnert an die berüchtigten Wahlmaschinen, die
bekanntermaßen auch "technisch äußerst komplex" sind und kaum durch eine
Wahlkommission zu kontrollieren. Auch diese Maschinen sind vor allem eines:
Ein großes Geschäft für die Hersteller. Und viele Staaten, die diese
Maschinen eingeführt haben, haben sich eine Vereinfachung und Verbilligung
des Wahlsystems erhofft, weil man damit den menschlichen Faktor verringern
könnte. Nur wurde es eben weder einfacher noch billiger und schon gar nicht
sicherer.

Da ist auch der große Wunsch nach Modernisierung. Da braucht es gar keine
Verschwörungstheorien bezüglich Manipulationsmöglichkeiten durch die
Obrigkeit, die Entscheidungsträger scheinen manchmal getrieben von Hypes --
in unsere digitalen Welt könne man doch nicht mit simplen Kuverts wie vor
hundert Jahren wählen. Wenn schon keine elektronischen Wahlmaschinen, dann
doch wenigstens Kuverts, die was hermachen. Schließlich leben wir im
21.Jahrhundert!

Doch einfache Wahlsysteme sind nicht von gestern, sondern sehr modern. Denn
in der digitalen Welt hat man gelernt, daß hochkomplexe Systeme
fehleranfällig sind und man gerade in der Software-Entwicklung doch zum
KISS-Prinzip zurückkehren sollte. Dieses Akronym kennt mehrere Auflösungen
wie "Keep it simple, stupid!" oder "Keep it simple and smart" oder "Keep it
short and simple". Allen Interpretationen ist aber gemein, daß es darum
gehen muß, Systeme -- egal, ob es jetzt um Software oder Bürokratie geht --
möglichst einfach zu gestalten, um sie überschaubar, funktional und
transparent zu halten. Natürlich stehen dem die kulturell sehr wirksamen
Modelle der hypertrophen IT-Systeme á la Microsoft gegenüber. Nur: Muß man
sich von diesen kommerzgetriebenen Hypes beeinflussen lassen?

Umgekehrt: Sachen möglichst umständlich zu machen ist eine uralte Tradition
in Österreich. Die Macht des bürokratischen Apparats beruht -- noch aus
k.u.k.-Zeiten -- nicht zuletzt darauf, auf komplexe Probleme noch viel
kompliziertere Antworten zu finden, die nur noch die Experten verstehen.
Volksnah, transparent oder gar modern ist anders.

"Es ist alles sehr kompliziert" -- dieser Satz wird hämisch Fred Sinowatz
unterstellt. Der Satz ist aber schon richtig. Unsere Welt ist kompliziert
und einfache Antworten sind oft fehl am Platz. Das Einfache hat daher einen
gewissen Hautgout. Aber deswegen muß das Umständliche nicht unbedingt besser
sein.
*Bernhard Redl*



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