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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 6. April 2016; 16:29
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Glosse:

> Traiskirchen und Knittelfeld

Wie notwendig es ist, bei der Verwendung des Politgehaltes keine
Unklarheiten aufkommen zu lassen, das zeigt die Diskussion um das
Doppelgehalt des SPÖ-Bürgermeisters von Traiskirchen, Andreas Babler.

Bis zum Osterwochenende 2016 war er für viele Menschen in- und außerhalb der
SPÖ ein Hoffnungsträger. Er stand für eine soziale Alternative zum
Rechtskurs der Partei unter Faymann und schien auch als Person das
Kontrastprogramm zur Parteispitze zu sein. Ob er das aber auch in Zukunft
sein kann, das wird die Entwicklung der nächsten Monate zeigen.

Babler hat nichts Ungesetzliches getan. Aber er hat zusätzlich zu seinem
Bürgermeistergehalt von 7383 Euro brutto als Gemeindeangestellter 3928 Euro
brutto bezogen, insgesamt etwa 11.300 Euro brutto. Von einer genauen
Aufstellung über die Verwendung dieser Mittel für soziale Zwecke ist nichts
bekannt, obwohl davon auszugehen ist, dass es Spenden gegeben hat.

Ob aus freien Stücken - oder als die Veröffentlichung dieser Summen durch
die FP im Raum stand, Babler hat auf sein Zweitgehalt verzichtet. Damit
handelt er anders als andere SPÖ-Spitzenpolitiker. Beispielsweise ließ sich
der Bürgermeister von Knittelfeld in der Steiermark, Gerald Schmid,
zusätzlich zu seinem Bürgermeisterjob noch von der Gemeinde als
Projektmanager und -controller anstellen: Die oppositionelle KPÖ kritisierte
das, auch eine SPÖ-Gemeinderätin ging mit ihrer Kritik an diesem Doppelbezug
an die Öffentlichkeit. Gerald Schmid kassiert weiterhin zwei Bezüge.

Babler bleibt im Rahmen der Gesetze. Er hat aber etwas getan, was der Sache
des Aufbaus einer sozialen Alternative in Österreich nicht nur nicht nützt,
sondern sie noch schwieriger macht. Er ist in dieser einen Frage nicht mehr
unterscheidbar von vielen anderen PolitikerInnen seiner Partei gewesen. Er
dürfte einsehen, was dies bedeutet. Jedenfalls betont er in einem
aufschlussreichen Interview mit der Tageszeitung standard, (28.3. 2016): "Es
ist zwar alles gesetzlich und formal in Ordnung und auch transparent, aber
moralisch für mich nicht vertretbar." Diese Einsicht kommt sehr spät. Im
Standard meint ein Kommentar sogar, dass die Glaubwürdigkeit des
Bürgermeisters von Traiskirchen nun dahin wäre.

Auf alle Fälle ist er nun einer Kampagne ausgesetzt, die von der FP bis zu
den Anhängern von Bundeskanzler Faymann reicht.

Parteimaximum

Ob das wirklich so ist, das wird die Zukunft weisen. Die Diskussion um
Babler weist aber auf ein tieferliegendes Problem hin: Wie können
fortschrittliche Politikerinnen und Politiker, die innerhalb des Systems gut
bezahlte Funktionen einnehmen, der Gefahr der materiellen Integration in das
System entgehen?

Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Wer zum Teil des politischen Getriebes
geworden ist, akzeptiert die damit verbundenen materiellen Annehmlichkeiten
sehr schnell und ist auch sehr bald so weit, seine Situation nicht mehr mit
der Lage der Mehrheit der Bevölkerung zu vergleichen, sondern nach "oben" -
zu den noch besser verdienenden Managern - zu schielen.

Dieses Dilemma ist objektiv vorhanden. Deshalb sollte man darüber
nachdenken, dass einige der erfolgreichen neuen Linksparteien in Europa die
Idee des "Parteimaximums" aufgegriffen haben. In den ersten Jahren nach der
Oktoberrevolution durfte kein noch so verantwortungsvoller Parteifunktionär
in der jungen Sowjetunion mehr verdienen als ein Facharbeiter. Erst unter
Stalin wurde diese Vorschrift zuerst umgangen und schließlich aufgehoben.

Parteien wie die Sozialistische Partei der Niederlande (SP), die
katalanische CUP oder die irische Socialist Party haben solche Bestimmungen
und halten sie durch. Sie ist auch im Statut der KPÖ bundesweit enthalten.

Reden ist sehr leicht, viel schwieriger ist es, in der täglichen Arbeit
konsequent und glaubwürdig zu bleiben. Vielleicht ist die Auseinandersetzung
um Andreas Babler der Anstoß dazu, bei allen Diskussionen um eine
Neuformierung der fortschrittlichen Bewegung in Österreich über diesen
Aspekt viel intensiver nachzudenken als bisher.

Eine Verbindung der gesellschaftlichen Linken mit großen Teilen der
Bevölkerung ist nämlich nur möglich, wenn es in dieser Frage keine
Unklarheiten gibt.

*Franz Stephan Parteder* (gek.)


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