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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 16. März 2016; 20:43
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Antsemitismus-Debatte:

> Verwirrungen und Querfronten auch in Deutschland

Antideutsche Deutsche gegen israelischen Antisemitimus und andere
Seltsamkeiten

Die internationale BDS-Aktionswoche fand natürlich auch in Berlin statt. Im
Rahmen dieser Aktionswoche sollte auch ein Film gezeigt werden. Was dann
geschah, berichtet am 7.März der Blog *klassegegenklasse.org*:

Eine Kartoffelparty. Anders kann man den Menschenhaufen nicht beschreiben,
der sich am Freitag Nachmittag am Kottbusser Damm in Berlin versammelte.
Rund 50 weiße Deutsche protestieren in Berlin-Kreuzberg vor dem historischen
Kino Moviemento, weil dort "Even Though My Land Is Burning" von Dror Dayan
gezeigt werden soll. Der Dokumentarfilm des in Berlin lebenden israelischen
Regisseurs wurde zum ersten Mal in Deutschland aufgeführt.

Also eine antisemitische Protestveranstaltung? "Deutsche, schaut nur
deutsche Filme"? Neh, das ist Kreuzberg und alles ist komplizierter. Die
deutschen Demonstrant*innen werfen dem israelischen Filmemacher
Antisemitismus vor. Durch die Verhinderung des Films soll gegen
Antisemitismus gekämpft werden, so die Logik der Kundgebung, die das Kino
mit betont schlechter Technomusik beschallt. Zu sehen sind Israel- und
Regenbogenfarben.

Wenige Meter weiter stehen dreimal so viele Leute mit Palästina-Fahnen, die
in den Film wollen. Sie müssen aber erstmal schnell eine Gegenkundgebung
machen. Die Vorstellung beginnt mit Verspätung. Zwei Säle sind brechend
voll. [...]

Im Film geht es um den Tel Aviver Aktivisten Ben Ronen. Mit den meisten
Demos in seinem Land kann er nichts anfangen. Man sieht Bilder von Protesten
gegen Fleischkonsum. Für Erdgasförderung im Mittelmeer. Für "soziale
Gerechtigkeit". Doch für Ronen beginnt "soziale Gerechtigkeit" mit der
Forderung, dass Israel die besetzten palästinensischen Gebiete verlassen
soll. Dafür demonstriert er einmal die Woche zusammen mit
Palästinenser*innen in ihren Dörfern. [...]

https://www.klassegegenklasse.org/kartoffelparty-gegen-israelischen-film/


Petry in Tel Aviv

Die totale Begriffsverwirrung herrscht aber nicht nur in manchen sich als
links verstehenden Kreisen, sondern auch die extreme Rechte in Ö und D weiß
jetzt gar nicht mehr, auf welcher Seite sie im Israel-Palästina-Konflikt
stehen sollte. Nachdem sich HC Strache nicht nur selbst als "neuen Juden"
definiert, sondern auch schon -- mit eher mäßigem Erfolg -- versucht hatte,
Bündnispartner in der israelischen Rechten zu finden, probiert das
mittlerweile auch die AfD. So berichtete die *Jüdische Allgemeine* am
26.Jänner über eine -- vom Betreiber des Lokals kurzfristig abgesagte --
Veranstaltung der Parteivorsitzenden Petry in Tel Aviv:

Nach bisher vorliegenden Informationen sollte Petry in Israel einen Vortrag
halten. Als Organisator gilt der Österreicher Wilhelm T. Roth, der der
rechtspopulistischen FPÖ nahesteht und als CEO eines »Israel Europe Freedom
Center« auftritt. Er gilt auch als Betreiber einer hebräischen AfD-Seite bei
Facebook, auf der Petrys Vortrag beworben wurde. 286 Menschen hatten dort
ihr Kommen signalisiert, angeblich haben auch 83 teilgenommen, dabei fand
die Veranstaltung am geplanten Ort gar nicht statt.

Die AfD-Bundesgeschäftsstelle konnte oder wollte bis Redaktionsschluss
Petrys Reise nicht bestätigen. Aus anderen Kreisen wurde immerhin bestätigt,
dass die Informationen über eine Reise ihrer Vorsitzenden nicht ganz falsch
seien. Doch Petry wolle sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht dazu äußern.

Hintergrund für den ungewöhnlichen Umstand, dass eine öffentlich
angekündigte Veranstaltung plötzlich verschwiegen wird, könnte das immer
noch ungeklärte Verhältnis der Partei zu Israel sein. In einem Thesenpapier,
das AfD-Vize Alexander Gauland im September 2013 formuliert hatte,
steht: »Zu den offenen Fragen in diesem Zusammenhang gehört auch unser
Verhältnis zu Israel.«

[...] Gleichwohl soll Gauland jüngst bei einer AfD-Kundgebung in Cottbus
eine dort geschwenkte Israelflagge ausdrücklich begrüßt haben. Und in den
vergangenen Tagen hatte die AfD »jüdische Mitbürger Paderborns« zu einer
Kundgebung aufgerufen. Die Jüdische Kultusgemeinde Paderborn wehrt sich aber
gegen die Partei, die man für »ultra-rechts« hält.

Schon im Sommer 2014, als es zu heftigen antiisraelischen Protesten kam,
hatte die AfD Nordrhein-Westfalen zu »Solidarität mit den deutschen
Juden!« aufgerufen, aber explizit eine Solidarität mit Israel abgelehnt. Das
hatte zu Unmut bei Teilen der Basis geführt. So gibt es AfD-Mitglieder, die
zugleich in Gliederungen der Deutsch-Israelischen Gesellschaft aktiv sind.

http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/24528


"JEWGIDA"

Noch schräger geht es aber bei der PEGIDA zu. Der Berliner Zweig BÄRGIDA sah
sich schon Anfang letzten Jahres mit einer JEWGIDA in seinen Reihen
konfrontiert, berichtet *Netz-gegen-Nazis.de*:

Zu den "Bärgida"-Demonstrationen gesellte sich ab Februar 2015 ein kleines
Grüppchen von Menschen mit dem Plakat einer Israelfahne, in deren Mitte aber
nicht nur ein Davidstern zu sehen ist, sondern auch der Schriftzug
"JewGida". Hauptinitiator ist ein nach eigenen Angaben amerikanischer Jude
namens Samuel oder Sam, der immer Kippa und gern das "JewGida"-Schild trägt.
Von den Organisatoren von "Bärgida" darauf angesprochen -- so schreibt es
"Mario" von "Bärgida" auf dem Blog "Politically incorrect" -- sagten die
"JewGida"-Aktivist_innen:
"Hauptsächlich sind wir gegen Antisemitismus und gegen eine fortschreitende
Islamisierung." Weiter heißt es: "Sie wollen versuchen, auch mit dem
Zentralrat zu sprechen, denn viele Juden stehen klar hinter Pegida, trauen
es sich aber nicht zu äußern." [...]

http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/neues-aus-dem-monitoring-was-machen-die-israelischen-fahnen-hier-pegida-fans-%C3%BCber-jewgida

Auch wenn es sich dabei nur um eine extreme Minderheit handeln dürfte,
sollen solche JEWGIDA-Plakate samt Israel-Fahnen mittlerweile schon im
ganzen Bundesgebiet bei den diversen lokalen PEGIDA-Veranstaltungen
aufgetaucht sein. Die Basis der Bewegung ist da ziemlich uneins. Wenn man
die diversen rechten Diskussionen auf Facebook nachliest, wird schnell klar,
daß in der PEGIDA von vielen Aktivisten die Zusammenarbeit mit Juden weniger
geschätzt wird -- um es höflich auszudrücken. Und da findet man sogar
Verschwörungstheorien, daß die PEGIDA überhaupt von Anfang an von Israel aus
gesteuert worden wäre.

Dagegen erscheinen die durchgeknallten österreichischen Debatten fast noch
verständlich und nachvollziehbar.
-br-






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