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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 16. März 2016; 20:40
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Antisemitismus-Debatte

> Dokumentation der wichtigsten Aussendungen in Auszügen

Die Aussendungen vom 7.März 2016:

> Offener Brief an Bürgermeister Dr. Michael Häupl, die Stadt Wien sowie die
> Verantwortlichen im Amerlinghaus

[...] Wir fordern das Amerlinghaus auf, sich von BDS-Austria öffentlich zu
distanzieren und ihnen ihre Räumlichkeiten nicht mehr zur Verfügung zu
stellen.

Zudem fordern wir Bürgermeister Dr. Michael Häupl und die Stadt Wien auf,
sämtliche Subventionen für das Amerlinghaus zu streichen, sollte BDS-Austria
dort weiterhin ihre Treffen abhalten.

[...] Der BDS-Zusammenschluss wurde 2005 unter Einschluss der "National and
Islamic Forces in Palestine", zu denen antisemitische Terrororganisationen
wie "Hamas" oder "Islamischer Jihad" zählen, gegründet. Von daher überrascht
es wenig, dass der BDS-Austria Sprecher Oliver Hashemizadeh die Hamas
zustimmend zu einer "Widerstandsbewegung" verklärt. Neben dieser Apologie
des islamistischen Antisemitismus zeichnet sich BDS-Austria außerdem durch
eine Verharmlosung des Rassismus aus: Wer Israel als "Apartheidstaat"
denunziert, setzt einen demokratischen Rechtsstaat mit der
institutionalisierten und systematischen, ethnischen Unterdrückung im
Südafrika der "Rassentrennung" gleich.

Der BDS-Zusammenschluss ist international eine sehr stark studentische
Bewegung, da ein Teil des Boykottes auch den Boykott des akademischen
Austausches mit israelischen Universitäten betrifft. Es häufen sich vor
allem an US-amerikanischen Universitäten Vorfälle antisemitischen Gewalt:
Lehrveranstaltungen von jüdischen Professor_innen werden regelmäßig gestört,
als Jüdinnen* und Juden* ausgemachte Studierende werden am Campus belästigt
und Israelfahnen verbrannt.

Auch vor dem Hauptgebäude der Universität Wien verteilen Aktivist_innen von
BDS-Austria regelmäßig antisemitische Propaganda. Schon die unmittelbare
BDS-Austria-Vorläuferorganisation "Sedunia" machte diesbezüglich von sich
reden: Im November 2003 griffen Personen dieser pro-islamistischen Gruppe
eine Kundgebung im Andenken an die Opfer des nazistischen Novemberpogroms in
Wien an. In ihrem Bekennerbrief schrieb "Sedunia" damals: "Wieder wollte
sich der Zionismus hinter dem Judentum verstecken, glaubte sich vor einer
Synagoge an einem 9. November verkleiden zu können, sich mit dem Judentum
gleichsetzen zu können. Die arabische und islamische Antwort war klar und
eindeutig: Ihr Mörder!"

Wenig verwunderlich ist auch, dass das BDS-Austria auf Unterstützung aus dem
Lager rechtsextremer Hooligans bauen kann: Im letzten Jahr fand eine
öffentliche Veranstaltung mit dem Namen "Tag des Bodens'" ihren
widerwärtigen Höhepunkt. Zu diesem antiisraelischen Spektakel, welches u.a.
Dar al-Janub - die Nachfolgerorganisation der o.g. "Sedunia" - die
Palästinensische Jugend Österreichs, die Palästinensischen Frauen
Österreichs und das Koordinationsforum zur Unterstützung Palästinas
veranstalteten, gesellten sich gegen Ende der Veranstaltung bosnische
Fußballhooligans, die "Ubi, ubi zidove!" ("Töte, Töte Juden!") skandierten.
Der offene Aufruf zum Judenmord konnte erneut auf Wiens Straßen ohne
jegliche Konsequenzen erklingen.

Heuer setzt sich solch antisemitische Provokation in der Tatsache fort, dass
BDS-Austria ausgerechnet zum 78. Jahrestages des "Anschlusses" Österreichs
an Nazi-Deutschland, in Wien für den Boykott des jüdischen Staates
demonstrieren will. Eine Gruppe, wie BDS-Austria, die Israel als
Apartheidstaat bezeichnet, den jüdischen Staat abschaffen möchte und nicht
davor zurückschreckt, antisemitische Stereotypen zu reproduzieren, sollte
weder direkt noch indirekt von der Stadt Wien gefördert werden! ###

Unterzeichnet unter anderem von: Heiko Heinisch, Cengiz Kulaç, Gideon Maoz,
Wolfgang Neugebauer, Juliana Okropiridse, Andreas Peham, Karl Pfeifer,
Gerhard Scheit, Robert Schindel, Marco Schreuder, Viktoria Spielmann,
Bernhard Weidinger. Für die Aussendung verantwortlich zeichnete Karin
Stanger, GRAS Uni Wien.

Volltext: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20160307_OTS0090


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> Stellungnahme von BDS Austria auf facebook

Seit etwa zwei Wochen wird als Reaktion auf die jährlich stattfindende,
internationale "Israeli Apartheid Week" (IAW) ein konzertierter, medialer
Feldzug gegen den lokalen Kampagnenträger BDS Austria geführt. Den Anfang
dieser Kampagne setzte Benjamin Weinthal, Mitarbeiter des neokonservativen
US-amerikanischen Think-Tanks "Foundation for Defense of Democracies" mit
einem Artikel in der "Jerusalem Post" und in der österreichischen
Tageszeitung "Der Standard". Zeitgleich erhöhten lokale Akteurinnen und
Akteure rund um die, als Reaktion auf BDS Austria gegründete, Plattform
"Boycott Antisemitism" den Druck auf das "Kulturzentrum Spittelberg im
Amerlinghaus", in dessen Räumlichkeiten zwei Veranstaltungen im Rahmen der
IAW stattfinden sollten. [...] Auch die Wiener ÖVP und die FPÖ schlossen
sich am 07.03.2016 jeweils mit einer OTS-Aussendung der politischen
Erpressung an und forderten das Aus des Kulturzentrums Spittelberg. Dem
"Kulturzentrum Spittelberg im Amerlinghaus" wurde schließlich seitens der
Stadt Wien - namentlich der Magistratsabteilung 13 - unverhohlen der Entzug
von Subventionen gedroht. In einem Telefonat hieß es sogar, die Rot-Grüne
Stadtregierung könnte aufgrund der beiden Veranstaltungen im Amerlinghaus
zum Rücktritt gezwungen werden.

Wir wollen im Folgenden auf die Hauptvorwürfe, Falschdarstellungen und
Denunziationen eingehen:

BDS Austria ist ein Zusammenschluss von Einzelpersonen und lokalen Vereinen
und Initiativen, die dem palästinensischen Aufruf nach weitgreifenden
Boykott, Sanktionen und Investitionsentzug gegen Israel aus dem Jahr 2005
folgen. Weltweit wird diese, der Gewaltfreiheit verpflichtete Kampagne von
unzähligen, zum Teil namhaften Personen, Gruppen, Initiativen und
Institutionen, darunter dem südafrikanischen Erzbischof Desmond Tutu, der
US-amerikanischen Bürgerrechtsaktivistin und Humanwissenschaftlerin Angela
Davis, dem amerikanisch-israelischen Friedensaktivisten Jeff Halper, dem
weltberühmten britischen Astrophysiker Stephen Hawking uvm. - getragen. Die
internationale BDS-Kampagne folgt damit dem Beispiel der
Anti-Apartheidbewegung, die mit ähnlichen Maßnahmen das rassistische System
in Südafrika zu Fall gebracht und zu einer Aussöhnung geführt hat. [...] Von
Beginn an hat sich die internationale BDS-Kampagne unmissverständlich gegen
jede Form von Rassismus, Antisemitismus, antijüdischer Stereotype oder
Vorurteile ausgesprochen. Nicht zuletzt wird die BDS-Bewegung nicht nur von
jüdischen Israelis unterstützt (Boycott from Within), sondern auch von einer
wachsenden Anzahl jüdischer Organisationen und Individuen weltweit. Diese
wehren sich damit vor allem auch gegen die Gleichsetzung von Judentum und
Jüdischsein mit Zionismus und der israelischen Staatspolitik sowie der damit
einhergehenden Instrumentalisierung ihrer Zugehörigkeit.

BDS Austria stellt sich als lokaler Kampagnenträger unzweideutig gegen jede
Form des Rassismus und Antisemitismus. Die von der APA in einer Pressanfrage
gestellte Frage "zur soziodemographischen bzw. ethnischen Zusammensetzung"
der Aktivistinnen und Aktivisten sowie die Frage, ob sich "unter ihren
Mitgliedern z.B. auch Juden" befänden (E-Mail des verantwortlichen
Redakteurs der APA an BDS Austria, 07.03.2016), empfinden wir als höchst
befremdlich, da wir keinerlei "ethnische Zugehörigkeitslisten" führen. Um
die im Kern höchst fragwürdige Anfrage dennoch zu beantworten: Unter den
Aktivistinnen und Aktivisten von BDS Austria befinden sich Menschen
unterschiedlicher "ethnischer" Herkunft und religiöser (und
nicht-religiöser) Bekenntnisse, auch jüdische AktivistInnen. Die Behauptung,
BDS Austria oder namentlich der aktuelle Pressesprecher Oliver Hashemizadeh
hätten Hamas als Widerstandsbewegung bezeichnet, ist eine glatte Lüge - man
kann es leider nicht höflicher ausdrücken. [...]

Zu den im "Offenen Brief" und in einer Anfrage der APA erwähnte Behauptung,
es häuften sich an US -amerikanischen Universitäten Vorfälle antisemitischen
Gewalt; Lehrveranstaltungen von jüdischen ProfessorInnen würden regelmäßig
gestört, als Jüdinnen und Juden ausgemachte Studierende am Campus belästigt:
BDS hat als internationale zivilgesellschaftliche, gewaltfrei agierende
Kampagne klare und unmissverständliche Richtlinien, an die sich jede in
ihrem Namen arbeitende lokale Gruppe zu halten hat. Zu diesen Richtlinien
zählt u.a., dass der Boykottaufruf sich explizit NICHT gegen jüdische
Einzelpersonen oder Unternehmen richtet, sondern ausschließlich gegen
israelische wie nicht-israelische Produkte, Unternehmen und Institutionen,
die sich an der Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung beteiligen
und die Besatzung und Apartheid Israels stützen, nicht zuletzt indem sie von
dieser profitieren. Dementsprechend ruft die BDS-Kampagne auch weder dazu
auf, wahllos alles "Jüdische", noch alles "Israelische" zu boykottieren,
weil es jüdisch oder israelisch ist. Das wäre in der Tat antisemitisch und
eine solche undifferenzierte Logik und Vorgehensweise lehnt BDS daher ganz
unmissverständlich ab. Der Boykott hingegen zielt auf die Überwindung einer
politischen Struktur und fragt daher nicht nach ethnischer oder religiöser
Zugehörigkeit.

BDS Austria war in den vergangenen 12 Monaten umgekehrt einigen physischen
Angriffen von militanten GegnerInnen aus den sogenannten "antideutschen"
Gruppierungen ausgesetzt, bei denen es auch zu Ermittlungen seitens der
Polizei kam. So griffen vier Personen aus "antideutschen" Zusammenhängen im
Juni 2015 einen Infotisch von BDS Austria an und versuchten damit eine
angemeldete Versammlung zu stören [.]. Im August 2015 kam es am Graben in
Wien zu einem Vorfall, bei dem ein Aktivist von BDS Austria mit körperlicher
Gewalt konfrontiert war (Ohrfeige und Kinnhaken).

Die Behauptung, die Veranstaltung fände bewusst zum 78. Jahrestag des
Anschlusses Österreichs an das "Deutsche Reich" statt, ist haarsträubender
Unfug. Die "Israeli Apartheid Week" findet jedes Jahr Ende Februar, Anfang
März statt. Es ist bezeichnend und grenzt schon an die Methoden von
VerschwörungstheoretikerInnen, mit welchen Mitteln versucht wird BDS in ein
falsches Licht zu setzen. Auch der in der OTS-Aussendung behauptete
Zusammenhang zwischen BDS Austria und einer kurzlebigen Studenteninitiative
aus dem Jahr 2003 ist eine - oft wiederholte - Diffamierung, die nicht
zutrifft. Es gibt weder einen personellen, noch organisatorischen
Zusammenhang zwischen jener "Sedunia" und BDS Austria. ###

Volltext:
https://www.facebook.com/notes/bds-austria/stellungnahme-von-bds-austria-zu-den-diffamierungen-gegen-bds-die-israeli-aparth/488791454642611


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> Stellungnahme des Vorstandes des Vereins Kulturzentrum Spittelberg
> (Amerlinghaus)

[...] Mehrere Mitglieder unseres Vorstandes sind selbst Nachkommen von
Opfern des Holocaust, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft von den Schergen
des NS-Regimes verfolgt wurden. Auch diese Betroffenheit bedeutet für uns
den Auftrag, jedem Antisemitismus immer und überall entschieden
entgegenzutreten. Gerade aus unserer Geschichte und aus dieser festen
Überzeugung heraus sind wir überzeugt davon, dass auch die Politik des
Staates Israel diskutiert und kritisch beleuchtet werden kann und darf.

Das Amerlinghaus ist ein wichtiger Raum für - oft auch
kontroverse -Debatten. Der Vorstand versteht das Haus dabei als einen Ort,
wo viele verschiedene Diskussionen stattfinden können, ohne deshalb
automatisch mit allem, was im Haus diskutiert wird, einer Meinung zu sein.
Genau in dieser inhaltlichen Heterogenität des Hauses sehen wir seine
Stärke.

ÖVP, FPÖ sowie eine Presseaussendung einiger Einzelpersonen kritisieren eine
Reihe von drei Veranstaltungen, die im März 2016 im Amerlinghaus stattfinden
sollen. Dabei handelt es sich um den Film "Das Recht der Macht" von Ra'anan
Alexandrowicz, der unter anderem am Jerusalem Film Festival 2011
ausgezeichnet wurde, um eine Veranstaltung mit dem Jerusalemer Aktivisten
Ofer Neiman und um eine Diskussion über den Chauvinismus und
Rechtsextremismus in Deutschland aus deutsch-arabischer Perspektive. Die
Veranstaltungen werden hauptsächlich von der Gruppe "Frauen in Schwarz"
sowie von der Gruppe BDS (Boycott.Divestment.Sanctions) organisiert.

Das Amerlinghaus hat sich in Absprache mit den VeranstalterInnen dazu
entschieden, diese Veranstaltungen abzusagen. Wir wollen damit Druck aus
einer Diskussion nehmen, die von ÖVP und FPÖ dazu benutzt wird, das
Amerlinghaus insgesamt anzugreifen und in seinem Bestand zu bedrohen.
Gleichzeitig denken wird, dass Diskussionen über die politische Lage in
Israel richtig und wichtig sind und bedauern, dass diese nun durch Druck
verhindert werden. Der Vorstand des Hauses hatte bereits vor den
Presseaussendungen geplant, in die Diskussionsveranstaltungen die Frage
einzubringen, wie eine Kritik an der Politik des Staates Israel formuliert
werden kann, die sich klar von jedem Antisemitismus abgrenzt. Wir bedauern,
dass diese Diskussion nun durch Druck verunmöglicht wird. [...] ###

Verantwortlich für die Aussendung: Lisa Grösel, amerlinghaus@inode.at

Volltext http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20160307_OTS0203/


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Aussendung vom 8. März bezüglich der Absage einer Veranstaltung vor dem
Parlament:


> Offener Brief an die Österreichischen Medien


[...] Wir fordern, dass die österreichischen Medien die Verantwortung
übernehmen, zutreffend und unvoreingenommen über die Ereignisse in
Israel/Palästina und über jene berichten, die eine gerechte und friedliche
Lösung der Konflikte in der Region anstreben. Dies wurde angesichts der
Behandlung der Holocaust-Zeugin Hedi Epstein, die anlässlich einer
internationalen Veranstaltung in Wien hätte sprechen sollen, durch die
österreichischen Medien zum Thema. [...]

Am heutigen 8. März 2016 (Weltfrauentag) sollte vor dem österreichischen
Parlament eine Veranstaltung mit dem Titel 'In Großmutters Worten'
stattfinden. Bei dieser Veranstaltung hätten acht Zeitzeuginnen des II.
Weltkriegs aus aller Welt der Öffentlichkeit die beispiellose Gelegenheit
eröffnen sollen, ihre Erfahrungen zu bestimmten Themen zu hören,
beispielsweise zum Atombombenabwurf auf Hiroshima, zum Aufstand in Warschau
und zum Blitzkrieg in London.

[...] Die US-Deutsche Hedy Epstein sollte über ihre Erfahrungen während
ihrer Arbeit bei den Nürnberger Prozessen sprechen.

Nachdem die Einladungen bereits verschickt waren, brachte ein Pressekanal in
Israel einen vernichtenden Artikel mit Zitaten wie dem folgenden heraus,
"die ,Holocaustüberlebende' Epstein instrumentalisiert ihre Rolle gegen
Israel und ist für Judenhasser wie die Organisatoren der Gaza-Flottille
offenbar ein politischer Lottogewinn" und die Einladung von Epstein,
auszusagen, legitimiere ,eine Hasskampagne gegen Israel'.

Angesichts des erhöhten öffentlichen Widerstands im Inland und aufgrund von
Sicherheitsbedenken sagte das Parlament die gesamte Veranstaltung ab.

Die Berichterstattung über die Absage in den österreichischen Medien

In den österreichischen Medien, die über die Absage berichteten, wurde Frau
Epstein einhellig verurteilt. Um nur zwei Beispiele zu nennen, das
Boulevardblatt 'Heute' brachte die Schlagzeile "Parlament sagt Event mit
Israel-Hasserin ab". Die Zeitung 'Der Standard' zitierte hauptsächlich die
Angriffe einer anderen Zeitung auf die Glaubwürdigkeit von Frau Epstein.

Interessanter Weise berichtete niemand in den österreichischen Medien, man
habe Kontakt mit Frau Epstein aufgenommen, um anzufragen, ob die
Anschuldigungen gegen sie gerechtfertigt seien. Nirgendwo in den Medien
wurde erwähnt, dass Frau Epstein bei der Veranstaltung vor dem Parlament
ausschließlich über die Nürnberger Prozesse aussagen sollte. [...]

Hedy Epstein hat zweifellos einen fesselnden Hintergrund. Als Tochter
jüdischer Eltern in Deutschland geboren war sie im Jahr 1939 Teil der
Kindertransporte. Im Anschluss wurden die meisten Mitglieder ihrer Familie
in Konzentrationslagern ermordet. Nachdem sie bei den Nürnberger Prozessen
gegen die Ärzteschaft gearbeitet hatte, zog sie in die USA und war dort
seither in unterschiedlichster Eigenschaft als Aktivistin tätig. Erst
kürzlich wurde sie im Alter von 90 Jahren anlässlich der Proteste wegen der
Erschießung eines unbewaffneten schwarzen Jugendlichen durch die Polizei in
Ferguson, Missouri, verhaftet.

Und Hedy Epstein ist eine entschiedene Verteidigerin der Rechte der
Palästinenser. Sie hat Mitglieder des US-Kongresses aufgerufen, "bei
israelischen Amtsträgern grundlegende Fragen zu Jahrzehnten der
Minderberechtigung anzusprechen, die Palästinenser sowohl innerhalb Israels
als auch in den besetzten Gebieten erdulden". Sie hat mehrfach das von
Israel besetzte Westjordanland besucht und vier vergebliche Versuche
unternommen, in den Gazastreifen zu gelangen, und sie kritisiert offen die
Politik des israelischen Militärs.

Aber macht sie das zu einer ,Israel-Hasserin'? Auf den Punkt gebracht, ist
das Hinterfragen der Politik einer Regierung gleichzusetzen mit Hass auf ein
Land? [...]

Dies ist nicht das erste Mal dass ein prominenter Unterstützer der Rechte
der Palästinenser in Österreich zum Schweigen gebracht wird. Es gab
zahlreiche Fälle, beispielsweise 2001, als der Kulturkritiker und bekannte
Intellektuelle Edward Said von der Freud Gesellschaft ausgeladen wurde. Der
Präsident der Gesellschaft erklärte die Absage des Vortrags damit, dass er
einen "internen Konflikt" habe vermeiden wollen.

Edward Said sagte später: "Freud wurde aus Wien gejagt, weil er Jude war.
Jetzt werde ich aus Wien gejagt, weil ich Palästinenser bin".

In seinem Buch "Culture and Resistance" schrieb Prof. Said 2003:"'Es ist
inakzeptabel, wenn jemand die grauenvolle Erfahrung des Antisemitismus und
den Holocaust leugnet. Wir wollen nicht, dass irgendjemandes Leidensgesichte
undokumentiert bleibt und nicht anerkannt wird. Andererseits besteht ein
gewaltiger Unterschied zwischen der Anerkennung der jüdischen Unterdrückung
und ihrer Verwendung als Deckmantel für die Unterdrückung eines anderen
Volks."

Nachdem die Freud Gesellschaft die Einladung an Prof. Said zurückgezogen
hatte, schrieb eine Gruppe nahmhafter Psychoanalytiker und
Psychoanalysekritiker einen Protestbrief. Das Londoner Freud Museum lud
Edward Said ein, den Vortrag zu halten, den er in Wien hätte halten sollen.
Die Österreichische Gesellschaft für Literatur und das Institut für
Humanwissenschaften in Wien sprachen nachfolgend ebenfalls Einladungen an
Edward Said aus. Die Frage war nicht, ob die Leute Prof. Saids Meinung
teilten, sondern dass sie für sein Recht einstanden, sie zu äußern.

Journalistische Verantwortung

Dass Österreich im Hinblick auf den II. Weltkrieg eine problematische
Geschichte hat, ist klar. Sensibilität in Angelegenheiten, die mit dem
Holocaust und der Verfolgung der Juden und anderer Bevölkerungsgruppen
zusammenhängen, ist wohl begründet. Die Anerkennung und das Unterbinden von
Antisemitismus überall sind absolut unerlässlich.

Doch ist das gleichzusetzen mit der Zensur einer Zeugin des Holocaust, die
ihre Familie in den Konzentrationslagern verloren hat und über ihre
Erfahrungen bei ihrer Arbeit bei den Nürnberger Prozessen sprechen sollte?

[...] Wir, Mitglieder der Weltgemeinschaft, sind zutiefst beunruhigt
angesichts der jüngsten Behandlung von Hedy Epstein durch die
österreichischen Medien und das klare Muster des Ausschaltens von Stimmen,
die die Politik und die Praktiken der Regierung Israels kritisieren. Die
Politik einer Regierung in Frage zu stellen ist nicht mit dem Hass auf ein
Land gleichzusetzen. Die Redefreiheit ist ein grundlegender demokratischer
Wert, den hochzuhalten der Gesellschaft obliegt und dem die Medien überall
nachzustreben haben. ###

Unterschrieben wurde dieser Offene Brief unter anderem von: Avram Noam
Chomsky, Brian Eno, Johan Galtung, Erwin Lanc, Mairead Maguire, Alice
Walker, Paula Abrams-Hourani, Teresa Arrietta, Fritz Edlinger, Irmgard
Ehrenberger, Peter Fleissner, Franz Sölkner, Ruth Wodak

Volltext: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20160308_OTS025



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