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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 3. März 2016; 03:06
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Medien/Grüne/Glosse:

> Ich höre das Gras wachsen

Eine grüne Presseschau

Die Grünen streiten ja nicht mehr. Sprich: Es dringt kaum etwas nach
außen -- und was man so hört, sind oft genug Spekulationen von Journalisten.
Die betreiben etwas, was man zu Sowjetzeiten "Kremlastrologie" genannt hat.
Und: Sie pushen bestimmte Inhalte, Positionen, Koalitionsvarianten und
Personalentscheidungen. Man erinnere sich an die tagelange Berichterstattung
mit schon kampagnenhaften Zügen der "Salzburger Nachrichten", als es darum
ging, die schwarz-grün-stronachische Landesregierung zu installieren.

Die Richtung Schwarz-Grün wird generell gerne von den großen Medien gepusht.
Letzten Mittwoch zum Beispiel durfte man auf Ö1 eine Sendung hören, deren
Ankündigungstext seltsam klang: "Klartext. Ein Beitrag zur Streitkultur. Ein
Streitgespräch über die schwarz-grüne Entfremdung zwischen Eva Glawischnig,
Die Grünen, und Reinhold Mitterlehner, ÖVP". Die Sendung selbst war eher
mau, die Spitzen von Grün und Schwarz einigten sich gepflegt darauf, daß sie
in der Flüchtlingsfrage sich nicht einigen können. Doch der Ansatz der
Sendung ist interessant: Wieso Entfremdung? Gut, diese beiden Parteien
kooperieren bisweilen auf Landes- und Kommunalebene, aber trotz aller grünen
Bürgerlichkeit habe ich das eigentlich bislang nicht als enge Partnerschaft
empfunden, die überhaupt unter Entfremdung leiden könnte.

"Reserve-Eva"

Es ist wohl mehr als Zufall, daß eine solche Sendung kurz nach der Demontage
der Chefin der als links eingeordneten Wiener Grünen als stellvertretende
Parteivorsitzende und statt ihrer der Installation von Ingrid Felipe, dem
grünen Beiwagerl in der schwarzgeprägten Tiroler Landesregierung, passiert.
Und es ist wohl auch kein Zufall, daß in Folge dessen im "Standard" ein
Portrait von Felipe in Form ihrer Charakterisierung als zukünftige
Bundeschefin gerät: "Hinter vorgehaltener Hand wird in Wien inzwischen
erzählt, dass die Tirolerin längst nicht nur die Reservefrau sei. Ganz im
Gegenteil: Felipe werde gerade als neue Bundessprecherin in Stellung
gebracht. Wenn Glawischnig nicht mehr will, soll sie die neue Eva werden."
Und solche Artikel tragen natürlich das ihre bei, daß derlei noch viel mehr
erzählt wird.

Nein, natürlich ist derlei nicht koordiniert, es gibt nicht die Verschwörung
der Lügenpresse, aber es zeigt doch, wohin bestimmte Medienvertreter die
Grünen anscheinend hinhaben wollen: Die bisherige Eva hat trotz großem
Bemühen keine Koalition mit der ÖVP zustandegebracht, also soll es eine neue
Eva bringen. Aber vielleicht höre ich da das Gras wachsen.

Spannend aber ist in dem Zusammenhang sicher das jüngste Statement von Peter
Pilz. Hatte er vor kurzem der Partei noch empfohlen, in Richtung
"Linkspopulismus" abzubiegen, kommt der ewige
Ich-reformiere-die-Grünen-über-die-Medien-Pilz wieder ganz anders daher:
"Seine Partei dürfe die zur Protestwahl bereiten Menschen nicht der FPÖ
überlassen, so Pilz. Die Sorgen der Bevölkerung müssten ernst genommen
werden. Pilz nannte konkret Sorgen bezüglich des Arbeitsplatzes und dort, wo
zu befürchten sei, dass die 'Schulen nicht mehr so funktionieren wie
früher',
Sorgen bezüglich der öffentlichen Sicherheit und von Frauen, die sich in
bestimmten Situationen unsicher fühlten" zitiert ihn "orf.at". Und siehe da,
da interviewt man auch gleich nicht Glawischnig sondern: "Die gerade
gewählte Vizeparteichefin Ingrid Felipe hält es zwar für notwendig, die
Sorgen und Ängste der Bevölkerung ernst zu nehmen. Das heiße aber nicht,
dass man sie verstärken, sondern dass man sie nehmen solle, so die
Landeshauptmann-Stellvertreterin in Tirol gegenüber dem Ö1-Morgenjournal."
Also wächst das Gras vielleicht doch recht laut.

Reizthema Drogenpolitik

Beim Thema Drogenpolitik spielt es sich momentan auch gerade ab. Seit Anfang
dieses Jahres gilt ja eine Strafrechtsnovelle, deren entkriminalisierende
Wirkung vor allem im Bereich des Drogenhandels heftig kritisiert wird. Der
grüne Justizsprecher Albert Steinhauser führt dazu auf seinem Blog aus:
"Derzeit wird wieder da und dort die Verschärfung der Gewerbsmäßigkeit im
Strafgesetzbuch gefordert. Früher hat die Unterstellung genügt, dass durch
die wiederkehrende Begehung von Straftaten (Diebstahl, Drogendelikten etc.)
eine fortlaufende Einnahme erzielt wird. Das alleine hat zu einer höheren
Strafe und des öftern zur Untersuchungshaft wegen geringster Straftaten
(Stichwort: Diebstahl von zwei Parfümflaschen) geführt. Die spezifische
reflexartige Anwendungspraxis hat besonders MigrantInnen deshalb schneller
in Untersuchungshaft gebracht als ÖsterreicherInnen. Mit der Reform wird die
Gewerbsmäßigkeit genauer definiert und an konkrete Voraussetzungen (400 Euro
erzieltes Einkommen, besondere Fähigkeiten oder Mitteln, zwei Taten geplant
oder begangen) geknüpft. Das war unter allen namhaften Strafrechtlern
unbestritten und wurde außer von der FPÖ von allen Parteien begrüßt. Die
Polizei hat das nicht gefreut. Sie verlässt ungern kriminalpolitische
Trampelpfade. Am liebsten wäre ihr, würde die Änderung wieder
zurückgenommen". Ähnlich äußerte sich in einer Aussendung auch die grüne
Wiener Sozialsprecherin Birgit Hebein. (Siehe auch Birgits Blog-Eintrag
anbei.)

Aber was hat das mit grüninternen Richtungsstreits zu tun? Nunja,
Steinhauser schreibt über die Situation in Wien auch Folgendes: "Dort gibt
es rund um die U-Bahnlinie U6 eine sichtbare Drogenszene. Die gibt es nicht
erst seit dem 1. Jänner dieses Jahres. Sie wandert seit Jahrzehnten durch
die Stadt und verlagert sich örtlich immer wieder. Die Wiener Polizei
erzählt besorgten BezirkspolitikerInnen und Eltern jetzt, dass die Änderung
der Gewerbsmäßigkeit Schuld an der Entwicklung habe. Es sei jetzt viel
schwerer Verhaftungen vorzunehmen." Doch meint Steinhauser vor allem wohl
einen konkreten Bezirkspolitiker damit, den grünen Neubauer Bezirksvorsteher
Thomas Blimlinger. Der hatte einen recht seltsamen Brief geschrieben, den
"Die Presse" mit Genuß zitierte: "Vor einer 'offenen Drogenszene entlang der
U-Bahn-Linie 6, die besorgniserregende Ausmaße angenommen hat', warnt Thomas
Blimlinger, Bezirksvorsteher im siebten Bezirk (Grüne), in einem Schreiben
an Schulen und Eltern. Die aktuelle Situation sei 'vollkommen inakzeptabel'.
Besonders betroffen seien die U6-Stationen Josefstädter Straße und
Thaliastraße -- 'aber auch Bereiche in den angrenzenden Bezirken wie
beispielsweise die Lerchenfelder Straße und der Josef-Strauß-Park', heißt es
in dem Brief vom 22. Februar. [...] Erschwert werde die Arbeit der Polizei
aber durch das neue Suchtmittelgesetz, das seit Anfang des Jahres in Kraft
ist. Wurde ein Straßendealer früher mit Drogen erwischt, habe das in der
Regel für den Vorwurf der Gewerbsmäßigkeit ausgereicht, und die Dealer
hätten die Szene freiwillig verlassen. Durch das neue Gesetz liegt
Gewerbsmäßigkeit erst dann vor, wenn nicht nur eine Tat, sondern zwei
weitere konkret geplant oder begangen wurden. {...] 'Dazu kommt, dass die
Drogenszene neue Strategien anwendet, indem sie unter anderem mehr in
Großgruppen, gleichzeitig, völlig offen und zuletzt leider auch aggressiver
auftritt', schreibt der Bezirkschef."

Nicht genug, daß die Presse am 23.Februar ohne jegliche
Objektivitätsansprüche Blimlinger so ausführlich zu Wort kommen läßt, setzt
sie zwei Tage später noch nach mit einem "'Presse'-Lokalaugenschein am neuen
Drogen-Hotspot Wiens" mit Blimlinger. Dort ist ganz exclusiv mit anderen
Worten noch einmal zu lesen, was schon im Blimlinger-Brief stand: Daß die
Drogendealer alle so arg, die Polizei so arm und die Gesetzgeber so
fehlgeleitet seien.

Über die Bande

Polizei, Presse und bestimmte Grüne pushen also gemeinsam eine
Wiederverschärfung eines an sich schon rigiden Drogenstrafrechts. Generell
ist auffällig, daß der Richtungsstreit innerhalb der Grünen wieder sehr
heftig aufflammt, aber über Bande, sprich: die Medien, geführt wird. Selten
werden explizit Parteifreunde attackiert und dennoch ist klar, daß es in der
Partei heftig gärt. Ein solcher Richtungsstreit ist auch dringend notwendig,
damit die Grünen endlich einmal wieder eindeutige Positionen vertreten. Das
Problem dabei ist: Die mediale Unterstützung in diesem Streit ist der
rechten, staatstragenden und ÖVP-nahen Fraktion (und natürlich Peter Pilz)
sicher, während der linke Flügel sich hauptsächlich durch wenig gelesene
Aussendungen und Blogeinträge wehren kann. Also wer da das Gras nicht
wachsen hört, dem ist auch nicht mehr zu helfen.
*Bernhard Redl*



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