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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 27.Februar 2016; 23:00
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> Beim Bühnenpersonal der Schmierenkomödie

Am 14.2.2016 ließ der ORF "Im Zentrum" über Populismus diskutieren. Eingeladen war Personal von der politischen Hinterbühne, aus dem Kreis der professionellen Politik-Coaches und Politik-Beobachter. Nur der anwesende Spindoktor tritt in einer Doppelfunktion auf. Er heißt Stefan Petzner, war bis 2013 auch selbst einer der Darsteller des Spektakels und schwingt sich nun in seiner neuen Eigenschaft als Politik-Berater zu analytischem Gestus auf: der ungebührliche Reichtums- und Machtzuwachs der Eliten führe zu wachsenden Gefühlen der Deklassierung bei der ärmeren Restbevölkerung und ermögliche es den Populisten, mit diesen Gefühlen zu spielen.

Dem als Vertreter des links-liberalen Beobachterspektrums geladenen Kabarettisten (Florian Scheuba) fällt dazu nur ein, dass das gefährlich sei, weil man damit Hass schüre. Er vergisst aber zu erwähnen, dass besagtes Spiel besonders perfide ist, weil es jenen Hass auf gesellschaftliche Außenseiter projiziert, um vom zentralen gesellschaftlichen Konflikt zwischen der ökonomischen Macht und ihren Opfern abzulenken. Offensichtlich hat der Kabarettist das profil der Vorwoche nicht gelesen, in dem eindrucksvoll nachgewiesen wird, dass die Sachpolitik unserer populistischen Arbeiterpartei unter Strache noch unternehmensfreundlicher ausgerichtet ist als seinerzeit unter Haider. Der im profil zitierte Sozialstaatsexperte Emmerich Talos etwa kann sich "an kein einziges Sozialgesetz erinnern, bei dem die FPÖ im Sinne des sogenannten kleinen Mannes agiert hätte".

Es ist auch keiner der Diskussionsteilnehmer in der Lage, den Analysebogen etwas weiter zu spannen. So fragt zum Beispiel niemand, inwieweit das verantwortungslose Spielen mit unterirdisch brodelndem Hass hierzulande durch bestimmte historische Besonderheiten erleichtert wird. Etwa durch das nach 1945 als Reaktion auf den 12. Februar 1934 etablierte sozialpartnerschaftliche Ritual der Konfliktaustragung, dessen enges Korsett eine weitgehende Verdrängung aller mit Interessengegensätzen verknüpften Gefühle der Ablehnung verlangt. Weil man sich aber derartige Fragen nicht stellt, überlegt man auch nicht, inwieweit das Fehlen einer Kultur der offenen Konfliktaustragung die heimische Arbeiterbewegung zu einer besonders sorgfältigen Entfernung aller systemtranszendierenden Elemente aus ihrem politischen Zielkatalog zwang. Und weil das Thema der Selbstfesselung aus dem Gespräch ausgeklammert wird, spricht man auch nicht darüber, dass die mit ihr verknüpfte Konditor-Strategie (ein Stück des wachsenden Kuchens für den kleinen Mann) unweigerlich in die Hose geht, sobald das System an seine Wachstumsschranken stößt und den Rückwärtsgang einlegt.

Natürlich unterwirft sich das Bühnenpersonal der Politshow bei seiner Diskussion auch selbst jenem Tabu der Systemtranszendenz. Man kann daher nur hilflos darüber klagen, dass sich heutzutage die nichtpopulistischen Parteien in gegenseitiger Kritik zerfleischen anstatt positive Ziele zu verfolgen. Ja wie sollen sie denn, wenn dieses System positive Ziele nur durch Wachstum bedienen kann, aber nun keines mehr hergibt? Und wenn sich die inneren Widersprüche jenes Systems so sehr zugespitzt haben, dass jeder Versuch der geradlinigen Verfolgung eines Zieles die Erreichung von drei weiteren, ebenso wichtigen Zielen torpediert? Unterwirft man sich diesen Widersprüchen, ist eben nichts anderes mehr möglich als ein von faulen Kompromissen und wechselseitiger Wadelbeißerei begleitetes Durchwurschteln.

In einer solchen Situation ist es dann auch leicht, alles konsequente Beharren auf Arbeitnehmerinteressen als Linkspopulismus zu verteufeln, weil jede einschlägige Forderung allzu offensichtlich an Systemschranken stößt und damit ebenso realitätsfern scheint wie manch haltloses Versprechen der rechten Populisten. Ob störrisches Negieren der Grenzen des Bestehenden vielleicht die Bereitschaft zu ihrer Überschreitung signalisiert, und ob im Vorhandensein bzw. Fehlen dieser Bereitschaft die Scheidelinie zwischen schlüssiger und populistischer Linkspolitik liegt - ja das wären interessante Fragestellungen für eine Populismus-Diskussion. In der Diskussion 'im Zentrum' spielen sie aber keine Rolle. Ernsthafte Analyse gehört nicht zur Kompetenz des Bühnenpersonals der Schmierenkomödie.

Und so hat die Diskussion ihren stärksten Moment dort, wo der Spindoktor gefragt wird, ob er als Wahlkampfleiter für Haider je moralische Bedenken gegen das Schüren von Hassgefühlen beim Wahlvolk empfunden habe. Moral, doziert er, sei das Thema der journalistischen Wahlkampfkommentatoren. Die Aufgabe des Spindoktors dagegen bestehe ausschließlich in der Maximierung der Stimmen für seinen Kandidaten. Beim überwiegenden Teil des Publikums der Diskussion stellt sich vermutlich spätestens im Augenblick dieses Eingeständnisses Ekel über alles Politische ein. Das wieder ist super für die Schmierendarsteller und das von ihrem Erfolg lebende Bühnenpersonal. Denn Ekel ist jener Gefühlszustand, der zur Wahlenthaltung führt. Und Wahlenthaltung schadet viel eher den 'etablierten' Parteien als ihren populistischen Herausforderern.

Karl Czasny



 

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