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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 11. November 2015; 08:38
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Wien/Prozesse:

> Teure Hilfsbereitschaft

Antifa-Demonstrant Jahn B. wurde am Montag verurteilt

Der wahrscheinlich letzte Prozeß gegen Beteiligte an den antifaschistischen
Demos 2014 ging ausgerechnet am 9.November zu Ende: Jahn B., der im Nachgang
einer Demonstration im Juni 2014 festgenommen worden war, wurde am Montag
wegen "Widerstands gegen die Staatsgewalt" und fahrlässiger "schwerer
Körperverletzung" verurteilt.

Was genau geschehen ist, dürfte bei diesem Prozeß -- wie so oft in solchen
Fällen -- nicht geklärt worden sein. Doch der Richter war der Ansicht, daß
"mehrmaliges Losreissen" als erwiesen gelten könne, was den Tatbestand des
"Widerstands" bereits erfülle. Nach herrschender Judikatur sei dafür "keine
besondere Intensität" notwendig. Auch die Verletzung eines Polizisten soll
von Jahn B. verursacht worden sein.

B. faßte teilbedingt eine Geldstrafe von 720 Euro aus, soll aber auch an
einen am Verfahren privatbeteiligten Beamten, den er verletzt haben soll,
14.832 Euro an Wiedergutmachungen bezahlen.

Da sich nach dem Spruch die Verteidigung Bedenkzeit erbat und die
Staatsanwaltschaft keine Erklärung abgab, wurde das Urteil nicht unmittelbar
rechtskräftig.

Die Vorgeschichte

Jahn B. war am 4.6.2014 festgenommen worden, nachdem er auf die Verhaftung
des Antifaschisten Hüseyin S. aufmerksam gemacht hatte. Nach Protesten gegen
das "Fest der Freiheit" in der Wiener Innenstadt begab sich B. in die
U2-Station Schottentor, wo er, wie viele andere, beobachtete, wie ungefähr
30 WEGA-Beamt*innen versuchten, Hüseyin S. festzunehmen und ihn anschließend
durch die Menschenmenge abzuführen. Jahn B. forderte die amtshandelen
Polizist*innen lautstark auf, den am Kopf blutenden Hüseyin ins Krankenhaus
zu bringen.

Auszug aus Jahn B.'s Stellungnahme: "Die Polizist_innen haben ihn bei der
Festnahme verletzt. Ich habe es nicht genau gesehen wie, aber sein Kopf hat
geblutet und er war halb bewusstlos. Selbst da haben sie ihn im
Schwitzkasten mitgeschleift. Sie wollten ihn über einen Aufgang zum Auto
bringen. Ich hab mich davor gestellt und lautstark versucht die
Öffentlichkeit für das, was passiert ist, aufmerksam zu machen. Damit sich
mehr Leute dafür interessieren, habe ich geschrien und gesagt, sie sollen
ihn ins Krankenhaus bringen. Von hinten hat mir dann ein Polizist die Hoden
gedrückt. Ich hab noch gefragt: 'Was geht mit dir?' und dann wollte mich der
Kommandant auch schon mitnehmen. Da haben mich sechs Wega-Polizist_innen
festgenommen."

Mehr als 7 Monate nach seiner Verhaftung bekam der Beschuldigte den
Strafantrag, am 8.April mußte er sich erstmals vor dem Landesgericht für
Strafsachen in Wien verantworten, ein zweiter Termin war am 3.August.

Jahn B. war versuchter "Widerstand gegen die Staatsgewalt" vorgeworfen
worden, weil er einen Exekutivbeamten, "der in Begriff stand, im Festnehmen
dadurch, dass er sich aktiv von ihm wegstieß, der mehrmals sich versucht mit
vollem Körpergewicht vom Griff des Beamten loszureißen, mit seinen Armen
wild herumschlug und sich treppabwärts fallen ließ, einen Beamten mit Gewalt
an einer Amtshandlung, nämlich seiner Anhaltung und Festnahme, zu hindern
versucht". Der Vorwurf der schweren Körperverletzung resultierte daraus, daß
ein Gruppeninspektor durch B.'s Schuld "vorsätzlich am Körper verletzt"
worden sein soll, "wobei er einen Sehnenriss des linken Bizepsmuskels
erlitt". (Körperverletzungen von Beamt*innen während ihrer Dienstausübung
gelten laut § 84 (2) StGB unabhängig vom Grad der Verletzung als schwere
Körperverletzung.)

Jener Hüseyin S., für den sich Jahn B. eingesetzt hatte, war festgenommen
worden, weil Polizisten ihn als Verdächtigen ansahen, dem sie u.a.
"Landfriedensbruch" bei den Demonstrationen gegen den Akademikerball im
Jänner 2014 und gegen die Identitären im Mai 2014 vorwarfen. Er saß zwei
Monate in Untersuchungshaft und wurde im August 2014 zu sechs Monaten Haft
verurteilt.
(prozess.report et al/akin)


Einen ausführlichen Bericht über den letzten Prozeßtag soll es demnächst
geben auf: http://prozess.report



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