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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Freitag, 2. Oktober 2015; 16:14
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Wahlen/Kommentar:

> Die Flüchtlingsfrage erklärt nicht alles

Die Wahlen in Oberösterreich bescherten der ÖVP und der SPÖ katastrophale
Verluste. Die Konservativen rutschten in einem ihrer Stammländer unter 40,
die Sozialdemokratie gar unter 20 Prozent. Letztere hatte vor nicht allzu
langer Zeit die Chance, die Schwarzen zu überflügeln -- jetzt verlor sie
Hochburgen wie Wels (die zweitgrößte Stadt des Bundeslandes) oder Lenzing
(mit seiner riesigen Papierfabrik) an die blau-braune FPÖ, die 30 Prozent
der Stimmen einfuhr und gerade unter ArbeiterInnen und Jugendlichen
reüssierte. Die Grünen legten gerademal um ein Prozent zu.

Unisono ertönte es am Wahlabend von den schwarzen und roten Parteigranden:
"Das war keine Landtagswahl", "Wir sind in einer Ausnahmesituation, die
Flüchtlingsfrage dominierte alles" etc.

Daß das Flüchtlingsproblem eine zentrale Rolle spielte, und daß der
Austro-Orban und Stracheldraht-Strache vor diesem Hintergrund mit seiner
Hetze absahnte, liegt auf der Hand. Keinesfalls wird damit jedoch zureichend
erklärt, warum sich die Hetze so breit in der Wählerschaft verfangen konnte,
warum viele in Strache und seinen oberösterreichischen Gefolgsleuten die
"rettenden Heroes" sehen -- und das nach all den Horror-Erfahrungen mit
Haider, Schwarz-Blau oder dem Hypo-Desaster.

Die fremdenfeindliche und rassistische Drachensaat kann nur deshalb so breit
aufgehen, weil sich eine Unzahl von sozialen Problemen aufgestaut hat
(Arbeitslosigkeit bei 400 000; keine realen Rentenerhöhungen für viele; eine
mickrige Steuer"reform", für die sich viele GewerkschafterInnen die Hacken
abgelaufen haben -- mir wird sie etwa 20 Euro pro Monat bringen) und sich
DAHER die "Fremden" als ideale negative Projektionsfläche, als Sündenböcke
für reale Sorgen und Unmut eignen. Dazu kommt die jahrzehntelange Passivität
der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsführung in Sachen "AusländerInnen"
und internationaler Solidarität, was zu einer gigantischen ideologischen
Verwilderung in vielen Teilen der Gesellschaft geführt hat.

Die Welle der Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge in den letzten Wochen ist
vor allem von unten gekommen -- in meinem persönlichen Bekanntenkreis (etwa
in der Boogie-Szene) haben sich einige ganz spontan zur Hilfe
entschlossen -- Leute, von denen ich so ein Engagement nicht erwartet habe.
Oben wurde im wesentlichen REagiert.

Die ÖVP ist dabei, ihre Linie in Flüchtlingsfragen weiter zu verhärten. Die
SPÖ verweist mit Hinblick auf die anstehenden Wiener Wahlen auf die
"Notwendigkeit der Menschlichkeit". Das ist ehrenwert -- aber bei weitem
nicht ausreichend. Gegen die Hetzer gilt es zu mobilisieren und konkrete
Alternativen zu entwickeln: für diejenigen, die vor Krieg und Elend
fliehen -- aber auch für diejenigen, die hier von Sozialabbau,
Prekarisierung, Delogierung, gesellschaftlicher Herabsetzung bedroht sind.
Ein Schritt in diese Richtung: Schauen wir, daß die Solidaritäts-Demo mit
den Flüchtlingen am 3.Oktober noch breiter und auch inhaltlicher wird als
die am 31. August.
*Hermann Dworczak*



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