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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 2. September 2015; 02:32
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Griechenland/EU/Kommentar: > Bankrott des Links-Europäismus

Auszug aus einem Beitrag von Stathis Kouvelakis im Jacobin-Magazin.
Kouvelakis ist Mitglied der bisherigen "Linken Plattform" innerhalb von
Syriza, die nunmehr den Kern des neuen Bündnisses "Laiki Enotita" bildet:

Die politische Strategie des "Links-Europäismus", für die die Mehrheit von
Syriza, also auch die Syriza als solche, fünf Jahre lang eingetreten ist,
hat eine vernichtende Niederlage erlitten. Das ist jenes Konzept, dass man
die Memoranden und die Austerität im spezifischen Rahmen der Eurozone bzw.
im Rahmen der EU überwinden könne. Dass es keines alternativen Planes
bedürfe, weil schlussendlich eine positive Lösung innerhalb des Euros
gefunden werden könne, dass man bei Verhandlungen etwas durchsetzen könne,
wenn man sich als "guter Europäer" inszeniert und Treuebekenntnisse zum Euro
ablegt.

Ich denke, dass in den letzten Monaten sehr deutlich demonstriert wurde,
dass nichts davon möglich ist. Es wurde deshalb so deutlich demonstriert,
weil genau das von einem politischen Subjekt versucht wurde, das bis zum
Schluss an diese Möglichkeit glaubte und sich ein Bein ausgerissen hat,
innerhalb dieses EU-/Euro-Rahmens zu arbeiten und sich hartnäckig weigerte,
einen anderen Weg in Erwägung zu ziehen.

Aus diesem Grund hilft uns der Vorwurf, dass Tsipras ein "Verräter" sei,
nicht weiter, auch wenn es emotional verständlich ist, dass sich jemand
verraten fühlt, wenn innerhalb einer Woche ein 62-Prozent "Nein" in ein "Ja"
verdreht wird. Alexis Tsipras, der griechische Premierminister, führte
keinen Geheimplan aus, um uns zu verkaufen. Er sah sich mit dem völligen
Bankrott seiner Strategie konfrontiert. Und wenn eine politische Strategie
scheitert, bedeutet das, dass nur mehr die Wahl zwischen schlecht und noch
schlechter verbleibt. Und genau das ist geschehen. Dieser
"Links-Europäismus", um den sich die Debatte Syrizas und die Euro-Linke
generell drehte, hat eine niederschmetternde Niederlage erlitten. [.]

Die neue Vereinbarung, die von der griechischen Regierung unterzeichnet
wurde, setzt nicht einfach die Troika-Herrschaft fort, sie vertieft diese.
Wir sind nun in einer Situation, in der der griechische Staat und jede
gewählte griechische Regierung keinen einzigen Hebel mehr in der Hand hat,
um noch irgendeine Politik zu machen. Das ist wohl die tiefere Absicht der
Memoranden, vor und neben der Implementierung eines weiteren barbarischen
Austeritätspakets.

Neokoloniale Ketten

Das Finanzamt wurde völlig vom Rest des Kabinetts getrennt und unter die
Kontrolle der Troika gestellt und hat völlige Autonomie gegenüber der
Regierung erhalten. Ein Finanzrat wurde eingerichtet, der automatisch
Einschnitte vornehmen kann, sobald es eine Abweichung von den Fiskalzielen
gibt, die im Memorandum festgelegt wurden. Der heimtückische 50-Milliarden
Fonds wurde ebenfalls unter der direkten Kontrolle der Troika geschaffen,
und das gesamte öffentliche Eigentum Griechenlands, das für die
Privatisierung vorgesehen ist, befindet sich unter seiner Rechtssprechung.

Sogar EL.STAT, das griechische Statistikamt, ist augenscheinlich in eine
Behörde verwandelt worden, die direkt von der Troika kontrolliert wird und
als Instrument dient, um auf Basis täglicher Statistiken die Vorgaben der
Memoranden zu exekutieren.

Ich gehe soweit zu behaupten, dass Griechenland in ein [.] Land verwandelt
wurde, dessen Hände und Füße in neokolonialen Ketten liegen, mit dem Status
eines bedeutungslosen und ruinierten Halb-Protektorats am Balkan. Unter
diesen Umständen stehen wir vor der Herausforderung, die nationale
Souveränität zurückzugewinnen, als Voraussetzung nicht einmal um eine
antikapitalistische, sondern um schlicht und einfach eine demokratische und
progressive Politik betreiben zu können. [.]

Austritt aus Eurozone und EU

Wir müssen Griechenland und die Menschen in Griechenland von den Ketten der
Eurozone befreien, und sofort einen Plan ausarbeiten, für ein Ende der
Spardiktate (Memoranden), für den Austritt aus dem Euro und für die
umfassende Konfrontation mit der EU, die meiner Meinung nach bis hin zum
EU-Austritt gehen sollte. [.]

Dieses Projekt - und das ist keineswegs unvereinbar mit dem bisher
gesagten - ist zutiefst internationalistisch. Nicht nur weil die
Verteidigung der grundlegenden Klasseninteressen der arbeitenden Menschen
eines Landes von Natur aus internationalistisch ist, da die ausgebeuteten
Schichten verschiedener Länder gemeinsame Interessen haben. Es ist
internationalistisch in einem sehr viel konkreteren Sinn, weil ein Bruch des
schwächsten Gliedes der Eurozone und der EU den Weg für weitere Brüche in
Europa öffnet und dem reaktionären und unbeliebten EU-Gebäude einen
mächtigen Schlag versetzt. [.]

Der Kampf der Griechen und anderer europäischer Völker gegen den eisernen
Käfig der EU wird den Klassen- und den imperialistische Charakter dieses
Gebäudes offen legen und wird es auf diese Weise ermöglichen, die Kämpfe in
den Zentren mit breiteren Bewegungen gegen imperialistische und
kapitalistische Herrschaft auf globaler Ebene zu verbinden, insbesondere mit
den Bewegungen des globalen Südens [.]. ###


Quelle des englischen Volltextes: http://www.jacobinmag.com

Übersetzung: Solidarwerkstatt,
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=1298&Itemid=1



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