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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 17. Juni 2015; 17:03
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Debatte/Gruene/Medien:

> Mumia und Raif: Alle Menschen sind gleich?

Vielleicht, aber mit Manchen lässt es sich gefahrloser und nützlicher
solidarisch sein, als mit Anderen...


Mit wöchentlichen Mahnwachen für die Freilassung von Raif Badawi, vor dem
umstrittenen König Abdullah-Zentrum in Wien, zeigen die kleinbürgerlichen
Grünen ihr Engagement für Menschenrechte. Das ist sicher positiv und
begrüßenswert. Allerdings stellt sich mir schon die Frage, warum diese
Partei keinerlei Aktivitäten im Falle Mumia Abu-Jamals zeigt. Ich habe die
Grünen-Chefin Glawischnig inzwischen zweimal angeschrieben, um eine
Erklärung dafür zu erhalten. Allein, geantwortet hat sie nicht. So mache ich
mir eben selber meine Gedanken.

Die Grünen schielen zunehmend auf das WählerInnen-Potential rechts der
"Mitte" und versuchen sich entsprechend zu positionieren. Worauf ja auch
ihre Zusammenarbeit mit zwei rechtsextremen Listen in Wiener Neustadt
verweist. In einer verbreitet feindseligen Stimmung, die sich gegen Muslime
und Muslima oder undifferenziert und pauschal gegen "den Islam" richtet und
natürlich im Zeitalter barbarischer Menschenabschlachtung und
Kulturgüterzerstörung durch den sogenannten Islamischen Staat, kann man im
Windschatten dieser Phänomene offen für Raif Badawi eintreten und damit
praktischerweise gleichzeitig zwei Botschaften unter die Menschen bringen:
Wir sind für Menschenrechte! Wir finden es furchtbar, wie im islamischen
Saudi-Arabien Menschen misshandelt werden.

Das sind zwei begründete und zugleich in verschiedene Richtung
anschlussfähige Haltungen. Bobos, Pseudolinke und politisch Naive, die
glauben, die Grünen würden sich wirklich entschieden für Menschenrechte
einsetzen, können dabei zustimmend nicken und sich darüber freuen, politisch
korrekt "die Menschenrechtspartei" gewählt zu haben und dies bei anstehenden
Wahlen getrost wieder tun. Kritik am saudi-arabischen "Scharia-Staat"
hingegen ist kompatibel mit dumpfer und rassistisch motivierter Ablehnung
von "dem Islam" und von Leuten, denen man unterstellt, dieser Religion nahe
zu stehen.

Eine große Kampagne stellen die Grünen allerdings nicht auf die Füße und
medial wirksam ist sie eigentlich auch kaum. So stark will man sich in
dieser Sache offenbar nicht positionieren. Das ist vielleicht "zu viel"
Aufwand und außerdem weiß man nicht, wer sich einer solchen Demo anschließen
würde (nachdem man einmal die Türen zum rechten Rand geöffnet hat.). Als
harmlose Imagepflege in eigener Sache schadet es aber sicher nicht und
vielleicht ist das auch der wirkliche Grund für die Mahnwachen. Denn
generell um Menschenrechte scheint es den Grünen, dann doch nicht zu gehen,
wie sich am Beispiel Abu-Jamal vermuten lässt.

Für den zu Unrecht verurteilten, bereits seit 33 Jahren im Gefängnis um sein
Leben kämpfenden und aktuell von schwerer Krankheit und inadäquater
medizinischer Versorgung betroffenen Mumia Abu-Jamal[1], der sich trotz
seiner misslichen Umstände (die Todeszelle ist kein Kurort) vom Gefängnis
aus für eine bessere Welt eingesetzt hat, scheint der grüne Einsatz für
Menschenrechte und grüne Solidarität nicht zu existieren.

Mumia Abu-Jamals Kampf ist von großer Symbolträchtigkeit, da es bei seinem
Fall um Fragen wie Rassismus, Polizei- und Justizverbrechen, Staatsterror
aber auch um einen Kampf zur Befreiung der Menschheit geht. Vielleicht ist
es gerade der letzte Punkt, der die Grünen vor einer offenen Unterstützung
Abu-Jamals zurückschrecken lässt. Mumia Abu-Jamal ist ein revolutionärer
Linker. Als rechtsblinkende pseudolinke Partei lohnt sich der Einsatz für
solche Leute nicht. So holt man keine Stimmen von Neos-, BZÖ- oder
SPÖ-WählerInnen. Das zahlt sich bei Wahlen nicht aus und kann unter
Umständen sogar schaden. Denn Abu-Jamal, ein afroamerikanischer
Revolutionär, wurde nämlich (zu Unrecht!) wegen Mordes an einem Polizisten
verurteilt. "Polizistenmörder", das kommt nicht gut in Zeiten verstärkter
Repression und sie begleitenden Populismus. Da ist es besser man hält sich
zurück und beantwortet auch besser keine lästigen Anfragen.

Weil zuerst kommen die WählerInnenstimmen und dann die Moral.
*rodie*

[1] http://www.freiheit-fuer-mumia.de/



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