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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 20. Mai 2015; 15:24
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Vereinsleben:

> Die FÖJ und ich

70 Jahre alt wurde dieser Tage auch die Herausgeberin der akin -- ein paar
persönliche Anmerkungen eines Beinahe-Mitglieds.


"Da die FÖJ zumindest im Vereinsregister noch existiert und die AKIN ihr
Organ ist (...), würde ich anregen, hier der 70 Jahre FÖJ zu gedenken. Ich
bin kein Nostalgiker, aber als FÖJ-Veteran würde ich mir eine kleine
Rückschau wünschen -- auch wenn es nur in Form einer Glosse ist." Das
schrieb uns ein Leser. Und grüßte noch mit "'Jung' frei" -- ironische
Gänsefüßchen inklusive.

Nunja. Es stimmt schon, nicht nur die SPÖ, die ÖVP, der ÖGB und all die
anderen Instititionen, die die zweite Republik prägten und gleich nach der
Befreiung vom Nationalsozialismus begründet oder wiederbegründet worden
waren, hatten jetzt Ursache, ein Jubiläum zu feiern, sondern auch die "Freie
Österreichische Jugend". Nur -- was gibt es da zu feiern? Was ist die FÖJ
heute noch? Und: Ist dazu nicht schon wirklich alles gesagt?

Die FÖJ: Am 16.Mai 1945 in einer Schule in Wien Alsergrund als
parteiübergreifende antifaschistische Jugendorganisation gegründet, ein Jahr
später de facto die Jugendorganistaion der KPÖ, weil das halt mit dem
parteiübergreifend in Österreich nicht funktioniert und jede Partei und
Instiution ihre eigene Jugendorganisation wollte. 1969 wird die FÖJ nicht
ganz freiwillig wieder unabhängig -- weil die KPÖ nach einer ursprüngliche
Verurteilung der Niederschlagung des Prager Frühlings auf eine moskautreue
Linie umschwenkte. Da gab es dann plötzlich eine Parteijugendorganisation
und eine Parteigewerkschaftsfraktion -- die GE, die später AUGE --, die
keine Mutterpartei mehr hatten. Die GE konzentrierte sich auf die Arbeit in
der Gewerkschaft und die FÖJ wußte nicht so recht, was tun. Die Jugend wurde
erwachsen, organisierte sich und kandidierte unter Label "Offensiv Links",
gab aber dann irgendwann doch auf, ein fünftes Rad am Wagen der Republik
sein zu wollen -- Kommunisten, die keine Stalinisten sein wollten, waren
hierzulande noch weniger beliebt als die KPÖ.

Und doch: 1969 war so etwas wie eine Neugeburt der FÖJ. Hier seien ein paar
persönliche Anmerkung erlaubt: Zwei Jahrzehnte nachdem sich die FÖJ
(mittlerweile mit dem Zusatz "Bewegung für Sozialismus") von der
Mutterpartei gelöst hatte, lernte ich die Organisation kennen -- eben in
Form der akin. Und ich lernte Menschen kennen, die ich damaliger Jungspund
eigentlich nicht für möglich gehalten hätte: Echte Linke, die gerne
diskutieren, undogmatisch sind und trotzdem definitiv über 30. Sicher, das
war nur ein geringer Teil der "Veteranen", aber wahrscheinlich der
wichtigere Teil. Ja, bei manchen Diskussionen flogen die Fetzen, vor allem
wenn es darum ging, ob man die Grünen unterstützen solle oder nicht --
schließlich waren FÖJ und GE nicht unmaßgeblich an der Etablierung zuerst
der AL und dann der Grünen beteiligt. Trotzdem: Was niemand wollte, waren
Dogmen. Eine Linke, die aufgrund ihrer eigenen Geschichte prinzipiell ein
Problem mit in Stein gemeißelten Wahrheiten genauso wie mit großen
Vorsitzenden hat -- da fühlte ich mich rasch zuhause.

Aber nur durch diesen Unfall 1969 konnte so etwas entstehen. Als ich mir
später dann einmal Bilder von Zeltlagern oder Chorauftritten der FÖJ aus den
50ern und 60ern zu Gemüte führte -- welch ein Unterschied! Zumindest optisch
sah das alles aus wie ein stalinistisches Missing Link zwischen Pfadfindern
und Hitlerjugend -- da wurde in Uniform strammgestanden und auf die Fahne
geblickt, daß es kaum ärger vorstellbar war. Ach ja, die FÖJ-Fahne, ein
Exemplar zumindest gibt es noch, es findet jetzt als Küchenvorhang im
akin-Büro Verwendung, quasi als ironische Beflaggung und Reverenz an frühere
Zeiten.

Die FÖJ, was ist das heute noch? Der Strand am Neufeldersee und eben die
Herausgeberschaft der akin -- wodurch der Verfasser dieser Zeilen, obwohl
als Jahrgang 1967 für ein Mitglied der freien Jugend viel zu jung, doch
irgendwo als Verantwortlicher für die Vereinszeitschrift quasi der letzte
politische Funktionär ist. Ist da sonst noch was? Ja, schon, denn das
Netzwerk der mittlerweile Freien Österreichischen Pensionisten ist über die
Jahrzehnte hinweg weitgehend intakt geblieben. Viele sind in allen möglichen
politischen Gruppen und Institutionen bis heute aktiv und prägten durch das
Netzwerk aber auch durch ihre Tendenz zum Skeptizismus all diese Bewegungen
mit. Und wenn man heute bei den Grünen noch hie und da einen Linken finden
kann, dann ist das nicht selten direkt oder indirekt irgendwo die Schuld der
FÖJ.

In diesem Sinne: Happy Birthday, alte Tante!

*Bernhard Redl*

*

Zur Geschichte der FÖJ ...
... und über die 2002 von Erich Makomaski herausgegebene Sammlung von
Interviews mit Alt-FÖJ-lern siehe die Besprechung von Erich Hackl im
"Spektrum" der "Presse", nachgedruckt in akin 27/2002,
http://akin.mediaweb.at/2002/27.02/27foej.htm

Singende FÖJ
Bei Recherchen über das politische Lied in der österreichischen
Arbeiterbewegung stellte sich heraus, dass von den Liedern der KPÖ und ihrer
Jugendorganisationen aus der Zeit der Zweiten Republik kaum etwas auf
Tonträgern erhalten ist. Deswegen haben sich einige FÖJ-Angehörige von
damals zusammengesetzt, mehrere Lieder neu einzuspielen und auf einer CD
("Wir war'n jung -- die Welt war offen!?; FÖJ-Lieder von damals") zu
veröffentlichen. Zu beziehen ist die Scheibe um 10 Euro bei der AUGE: 1040
Wien, Belvederegasse 10/1, auge{AT}ug-oegb.at, Tel. 01 / 505 19 52.



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