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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 18. März 2015; 15:53
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Polizei/Recht/Justiz/Glosse:

> Ein Wunder, daß nicht mehr passiert

Die "Einzelfälle" der Polizei haben System und sind nicht schlechter
Ausbildung geschuldet.
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"Auch der Wurm krümmt sich, wenn er getreten wird. Wenn er aber von einem
Wachmann getreten wird, begeht er öffentliche Gewalttätigkeit." (Karl Kraus,
1910)

Erstens ist gar nichts passiert. Zweitens lief alles korrekt ab. Drittens
muß man das intern prüfen. Viertens ist das ein Einzelfall. Das ist die
Verteidigungsstrategie der Polizei. Bis zur 4. Verteidigungslinie zurück muß
die Exekutive in diesem Land nur selten, meistens ist bei Punkt 3 schon
Schluß. Diese Prüfung ist dann so intern, daß sicher nix extern wird,
sprich: rauskommt.

Alle ein, zwei Jahre gibt es dann aber doch Fälle, die gehen groß durch die
Medien. Das sind dann die ganz großen Geschichten. Allerdings muß da schon
eine eindeutige Beweislage vorliegen, wie zum Beispiel eine mitlaufende
Überwachungskamera und es muß sich schon um einen Fall handeln, wo die
beamtshandelte Person, wenn schon nicht tot, so doch zumindest
krankenhausreif geschlagen worden ist.

Dann gibt es eine kurze mediale Aufwallung und das wars. Ein heiße
Viertelstunde wird darüber geredet, daß man da vielleicht etwas tun müsse in
der Ausbildung und vielleicht sollte man doch über Namenschilder reden. Von
Seiten des Innenministeriums ist im allerbesten Falle mit Mauern zu rechnen.
Nicht einmal Reformen werden versprochen, weil erstens eh alles in Ordnung
ist und zweitens daran sowieso niemand glaubt. Meistens ist die Reaktion der
Regierungspolitik aber einfach nur Schweigen und Ignorieren.

Die alltägliche Drohung

Mich wundert das schon lange nicht mehr. Denn die Polizeigewalt -- manchmal
rechtlich sehr notdürftig legitimiert oder eben ohne jegliche
Rechtsgrundlage -- ist eine ganz alltägliche. Vor ein paar Tagen gab es eine
Hausbesetzung in Wien. Ein Riesenpolizeiaufgebot rückt an, muß aber selbst
feststellen, daß es keinen Grund für eine Anzeige gibt. Die Besetzung wird
nach Aufforderung der Polizei friedlich aufgelöst, die Besetzer verlassen
unerkannt das Haus. Aber da gibt es ja noch ein paar Leute vor dem Haus. Von
denen kann man wenigstens die Ausweise verlangen. Begründung? "Sie haben
sympathisiert." Aus. Mehr Begründung braucht es nicht. Dem Gesetz nach zwar
schon. Aber welchen Polizisten interessiert das Gesetz? Schließlich steht er
ja faktisch über dem Gesetz.

Bei der gelegentlich stattfindenden Berichterstattung über Polizeigewalt
habe ich manchmal den Verdacht, daß der Polizei das gar nicht so unrecht
ist. Denn dank dieser Artikel weiß jeder Bürger, daß es viel schlimmer
kommen könnte, wenn er einem Polizisten widerspricht.

Denn Konsequenzen hat das nie für die Polizei. Mir ist ein einziger Fall
eines Polizisten bekannt, der wegen einer Gewalttat zu einer unbedingten
Haftstrafe und damit zum Verlust seiner Beamtenstellung verurteilt worden
ist -- und das war fast ein Unfall, weil ein Passant einem schießwütigen
Uniformierten in die Schußline geraten ist. Aber das ist nun wirklich ein
Einzelfall, denn üblicherweise ist die Höchststrafe für Polizeigewalt
bedingte Haft unter einem Jahr, Versetzung in den Innendienst und eine
geringfügige Disziplinargeldstrafe. Aber da muß der Beamte schon jemanden
umgebracht oder zumindest zum Krüppel gemacht haben. Und selbst dann wird er
sich des Beistands sozialdemokratischer Gewerkschafter sicher sein können.

Wenn ich auf der Straße einem Polizisten begegne, kann der mir ohne
Vorwarnung und vor Zeugen die Zähne einschlagen und es wird ihm nichts
passieren. Wenn ich das nicht so ohne weiteres hinnehme, erhebt ein
Staatsanwalt gegen mich Anklage wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt.
Der Beweis meiner Straftat? PV! Also die persönliche Vernehmung des
Polizisten. Meine Aussage hingegen wird als Schutzbehauptung gewertet. Wenn
ich Glück habe, befindet sich unter den Zeugen ein Universitätsprofessor
oder sonst irgendeine honorige Person. Dann habe ich Chancen auf einen
Freispruch. Der Polizist hingegen wird trotzdem nicht belangt.

Und genau da liegt der Hund begraben: Wir haben einen Staat, der ein
Repressionsinstrument braucht. Deswegen werden Polizisten geschult, Gewalt
anzuwenden. Manchmal ist diese Anwendung von Gewalt zwar nicht im Interesse
des Staates, aber wenn man Polizisten haben möchte, die dann zuschlagen,
wenn man es ihnen befiehlt, muß man schon sicherstellen, daß sie auch dann
vor der Justiz geschützt werden, wenn sie mal rabiat werden, wenn das nicht
gewünscht ist. Sonst könnten die anfangen nachzudenken, ob sie im Einzelfall
auch wirklich zuschlagen dürfen. Die Beamten wären verunsichert in ihrer
Gewaltanwendung und das will der Staat nicht.

Menschenrechts- oder auch nur gesetzeskonform ist diese so erzeugte
Polizeipraxis zwar nicht, aber lieber bezahlt und beschützt man eine
Organisation, die verfassungsmäßig garantierte Rechte als störend und
ignorierbar ansieht, als daß man gar kein Repressionsinstrument hat.

Inkonsequente Kritik

Hier ist aber genau das Problem. "'Schwarze Schafe' -- das ist das Bild, das
Polizeipräsident und Innenminister immer dann von ihrem Beamtenkörper
zeichnen, wenn Übergriffe nicht mehr verheimlicht werden können;
'Einzeltäter' -- untypisch für eine Exekutive, der der Schein vom 'Freund
und Helfer' zu wichtig ist, um öffentliche Korrekturen daran ohne weiteres
zuzulassen." Das hat Peter Pilz geschrieben, 1998 in einem Buch mit dem
Titel "Prügelnde Polizisten". Seither hat sich genau nichts geändert. Jetzt
schreibt Pilz anläßlich des im "Falter" dokumentierten Falles ähnliches.
Dazwischen hat er aber schon etliche Male ein gutes Gesprächsklima mit der
Polizei gesucht. Warum? Er müßte doch wissen, was das für ein Verein ist.

Es gibt sicher hie und da den netten Polizisten; den, der kein Psychopath
ist und dem es selbst zuwider ist, wenn er sich nicht anders zu helfen weiß,
als Gewalt anzuwenden. Aber auch dieser Polizist hat das inoffizielle
Plazet, einfach jeden, dessen Nase ihm nicht gefällt, sie ihm per
Faustschlag zu korrigieren. Die polizeilichen Gewalttaten sind nicht
verwunderlich, sondern man muß fast eine enorme Charakterstärke beim
Großteil der österreichischen Polizisten annehmen, daß bei diesem Freibrief
zur Gewalt nicht tagtäglich Todesopfer zu beklagen sind. Eine derartige
Macht schreit ja direkt nach ihrem Mißbrauch.

Wir müssen uns vor einer de facto immunen und oft genug sogar
vermummten Truppe mit der Lizenz zum Prügeln fürchten. Solange die
Kritik an der Institution Polizei von Honoratioren, die selbst
einigermassen vor Polizeigewalt geschützt sind, im Detail versackt,
wird es darüber keine ernsthafte Debatte geben. Solange aber
es diese nicht gibt und die Polizei nicht massiv in ihren faktischen
Rechten eingeschränkt wird, muß auch für liberale Polizeikritiker
der alte Wiener Anarchospruch gelten: Abarakadabara, a
Kibara is ka Habara! Ansonsten wird jede Polizeikritik unglaubwürdig.
*Bernhard Redl*



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