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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 25. Februar 2015; 08:42
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Neue Kolumne:

> Verwortet

Die Akin-Redaktion wird zur Serientäterin -- an Wörtern. "Aus aktuellem
Anlass" haben wir beschlossen, manchen Wörtern die Daseinsberechtigung
abzusprechen oder sie umgekehrt vor ihren Benutzern in Schutz zu nehmen.
Unser erstes Beispiel:

"Das Volk"

Es hat sich ausgevolkt. "Volk" ist ein Begriff, der eigentlich unbrauchbar
ist, weil er sich glitschig wie ein Fisch der Festnagelung durch Definition
entzieht. Die Über-60-jährigen haben noch die Definition aus dem
19.Jahrhundert gelernt: Ein Volk brauche ein Land, eine Sprache und eine
ethnische Zusammengehörigkeit. Dass dieses Konzept nicht taugt, beweist die
Schweiz. Dafür hat man dann die "Willensnation" erfunden: Jeder Mensch könne
sich selbst als zu einem Volk gehörig definieren, und das sei dann
undiskutierbar.

Gleichzeitig gibt es aber auch die soziale Definition, ganz wunderbar
erkennbar an der Verwendung im Jahr 1989: Die DemonstrantInnen in der DDR
skandierten "Wir sind das Volk" als Hinweis auf die abzuschaffende Macht der
Eliten, denn "alle Macht geht vom Volk aus" aber: wo geht sie hin? Kaum war
die DDR-Elite abgetreten, wurde der Spruch umgeändert in "Wir sind ein
Volk". Nicht dass es keine abzuschaffende BRD-Elite gegeben hätte, aber die
war cleverer als die in der DDR und sie hat sich offenbar sofort daran
gemacht, diese Anti-Eliten-Haltung in eine nationale Richtung zu lenken. Und
national wird der Mensch dann, wenn er keine Gruppe oder Klasse mehr hat, zu
der er sich zugehörig fühlen kann.

Also: Was ist ein Volk? Ist es "ein" Volk oder "das" Volk? Jedesmal muss bei
der Verwendung des Wortes "Volk" sofort nachgefragt werden, in welcher
Erscheinungsform es verwendet wird. Soviel Zeit haben wir nicht. Die Suche
nach einem Begriff, der genauer beschreibt, was ausgedrückt werden soll,
geht schneller als diese Nachfrage. Und da ja Zeit Geld ist, sollten wir die
Verwendung des Wortes "Volk" mit einer Steuer belegen. Der Markt wird es
schon regeln.
*Ilse Grusch *

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Nächste Woche: Der Volkstribun


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